22.12.20, 08:39 | 'In Fetzen gerissen'
Ich kann mich an viele Wege zum Heiligabend erinnern und möchte gern behaupten, an alle, seit ich selbst Wege gehen kann. Es gab die mehrteiligen Heiligabende, in der Nachbarstadt mit mir wenig bekannten Menschen, beeindruckend spiegelnden Böden und großen Geschenken, die mich einschüchterten. Es gab die kurzen Wege im alten Auto, das sonor brummte und innen so kalt war wie außen, mit Wäschekörben voller Geschenke im Kofferraum. Licht aus dem ersten Stockwerk und langes Singen vor dem kleinen Baum. Raufen auf dem hölzernen Boden mit dem dünnen Teppich. Spielen am Tisch in der guten Stube. Noch später zu Fuß, Jahr um Jahr ein wenig später, Stallduft an den Fingern, ein Bier am Fenster, bis gegenüber auch Licht brannte, wo die Nächte dann laut und lauter, lang und länger wurden. Diesen Weg gibt es nicht mehr, die Zeiten ändern sich und die Menschen auch, und aus dem letzten Jahr habe ich schon kaum mehr eine Erinnerung halten können. In diesem Jahr nun kein Weg zu Heiligabend. Die Wünsche werden kleiner mit den Jahren, und vielleicht zeugt das davon, daß man den ein oder anderen erreicht hat, den anderen oder einen vergessen vielleicht oder abgeschrieben gar. Und dann gibt es Jahre, die nehmen neben den Wünschen auch die Möglichkeiten mit sich und lassen einen beschränkt, ja eingeschränkt zurück. Und stets bleibt übrig, was zu tun ist. Für einen, der in jedem Geschirr geht, ein Trost - stets bleibt zu tun, was zu tun ist. Kein Tag wird mir leer sein. Hallelujah.