Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Mittwoch, 21. 02 18

21.02.18, 21:43 | 'Dying to say this to you'
Wieder schreiben lernen. Sofort die Hemmnisse. Ich möchte nicht, nicht mehr alles erzählen, oder anders: ich glaube, es nicht mehr zu können und dürfen. Doch was soll mir eigentlich passieren?

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"Feldversuch" steht in der Stellenanzeige, und genau darum geht es. Versuche auf Feldern. Mit Traktoren. Ach, ach, welch großer Schritt, statt mich auf den Heimweg zu machen in eine andere Region zu ziehen. Und doch habe ich neulich am Morgen schon die grünleuchtenden Verkehrsadern auf den Straßen dort mit dem tiefen Rot hier verglichen. Schließlich weiß ich, was ich nicht will.

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Überhaupt Morgen. Ich komme kaum aus dem Bett, lande erst gegen acht im Büro. Das ist ganz schön spät für mich, und meist schaffe ich dort auch erst gegen sieben wieder den Absprung.

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Zwei Tage jetzt mit schlechten Nachrichten zum Feierabend. Auf dem Heimweg denke ich halb rasend und formuliere wild hin und her. Und tatsächlich, abends hält mich die Arbeit noch lange wach. "Abschalten" ist ein Begriff, der mir durch den Kopf geht, aber der Kopf kreist unendlich und stößt sich an immer denselben Themen. Zuviel Identifikation, denke ich dann. Zu wenig Wissen, muß ich zähneknirschend zugeben. Zu wenig Wissen um die Abläufe, zuviel Wollen, zuviel Durchsetzenwollen auch noch. Da fehlt mir mein abendliches Korrektiv des Schreibens, und deshalb sitze ich hier.

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Ja, ein Korrektiv ist es wirklich, aber zunächst ein Ordnen der Gedanken. Ein Sortieren, Und wenn ich mir, was ich während des Schreibens ja vermeide, mein Geschreibsel erneut durchlese, schäme ich mich fast des Begriffs: Sortieren, Ordnen, das ist weit, weit überhöht. Es ist eher ein Kanalisieren, damit nicht mehr alle Gedanken gleichzeitig und ungehindert durch das Sieb strömen, das mein Gedächtnis ersetzt. Einer nach dem anderen, und Du und Du, ihr passt ganz schick zusammen, setzt euch da hin, ein Wort und noch eins, ein Dutzend Kommata, ohne die komme ich ja nie aus, und so gruppiere ich vor mich hin. Nicht munter, aber aufmunternd. Und zuletzt ergibt es eben doch das Korrektiv, das mich hoffentlich wieder schlafen lässt und ohne pochende Adern schlafen lässt. Ach, ließe man mich nur den ganzen Tag Daten auswerten, ich wäre ein glückliches Kind mit einer Matratze aus Spielwiesen, nein, einer Spielwiese aus Matrizen und bunten Diagrammen, die sinnig zu beschriften mir schon zu doof ist, bin ich doch längst beim nächsten. "Colormap cool", wähle ich manchmal, aber dann doch meist den "Jet", weil die Farben knalliger sind. Und cool kann ich ja immer noch nicht, das ist nun keine Neuigkeit, aber vielleicht hilft es dem Korrektiv, auch dies hier auszubreiten. Schonungslos ist das nun nicht, dazu schone ich neben anderem - siehe oben - auch mich selbst noch zu gern. Woher diese Angst kommt? Kann ich mich verletzen? Traue ich meinem guten Willen nicht?

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Überhaupt Wille. Dieser Absatz hätte ganz gut gepasst, hätte ich den vorigen nicht geschrieben. Und wenn ich noch mehr über mein Schreiben schreibend lamentiere, falle ich jeden Meta. Entschuldigung, es haben sich Wortwitze angesammelt in mir. Wie gesagt, Wille. Ich will die Fastenzeit wie in den letzten Jahren alkoholfrei halten, und gerade jetzt will ich aber auch ein Bier trinken. Da hilft mir nur, daß ich keines da habe, und so stützt mein Einkauf den Willen, als wäre ich ein braver Konsument. Dabei konsumiere ich ja eben nicht. Nun.

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Entdeckungen allenthalben. Anderer Leute Facebook scheint noch zu leben, entdecke ich, wogegen meines nur noch aus irgendwelchen Kanälen besteht, zu denen mir nichts einfällt. Tapfer schaue ich weiter täglich kurz hin, aber die Kürze wird Tag für Tag noch kürzer. Stattdessen habe ich nach diversen durchradelten Jahren und Wintern die Vorzüge der sportlichen Unterhemden entdeckt, die dereinst irgendjemand für mich angeschafft haben muß. So überstehe ich das Büroradeln, ohne zu schwitzen, und daß ich dafür erst fünf Winter aufbringen mußte!

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Schnell komme ich zum Schluß, daß ich statt meiner alten Unterhemden nur noch neue haben will. Also doch guter Konsument, mag sein, aber halbe Tage mit nassem Unterhemd im Büro zu stehen ist auch nicht angenehm. Ich schwitze ja, ganz Opposition, auch nur an kalten Tagen. Sonst würde ich mich vermutlich einfach im Büro umziehen. Jedenfalls, ich schweife ab, würde ich gern Unterhemden kaufen, und dies gern im Internet, weil ich ja eh schon mal da bin. Der große Versandhandel verarscht mich jedoch, bietet von zehn bis dreißig Euro an, und wenn ich Größe und Farbe ausgewählt habe, gibt es entweder kein Hemd oder vierzig Euro. Und dann die Größe! Bin ich M, weil zwar keine achtundsechzig, sondern mittlerweile siebzig Kilo schwer, oder bin ich L, weil dann doch deutlich über einsachtzig groß? Ach, was weiß denn ich mit meinen zerschlissenen zwei Pyjamas, die ich seit Jahren nicht zu ersetzen schaffe. Ich werde noch an Unterkühlung sterben, ohne Pyjama und ohne Unterhemd.

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Noch einmal kommt mir der "Feldversuch" in den Sinn. Wie schön der Klang, wie großartig die Aussicht. Aber was, denke ich, wenn ich mich auf ein Produkt festlege, und ich es nie mehr zurück in die Heimat schaffe, weil ich dort keine Arbeit mehr finden kann? Aber was, wenn? Und gibt man das auf, diesen Traum der schwäbischen Ingenieure? Darf man das?

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Nun, ich muß schließen, ich will einkaufen, und ich will ein Anschreiben erstellen, das für Traktoren glüht. Wir werden sehen, und es schadet mir sicher nicht, Pläne zu schmieden, solange ich schon hier sitzen muß.
# |  2 RauchzeichenGas geben