Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Montag, 31. 10 16

31.10.16, 18:30 | 'From a distance'
Es ist wie immer schwer, den Sommer zu begraben, indem ich das Motorrad einwintere. Eine letzte Runde in der Sonne, schon mit dem Blick auf die Uhr und die vorletzte Tankstelle, wo ich den Stabilisator zumische. Noch ein paar Kilometer, noch einmal tanken. Randvoll diesmal. Noch ein Schluck. Am Ende sind es vier Euro und einundsechzig, die Kassiererin rundet ab und lächelt: Saisonende. Ein bißchen durch den Stau, dann rückwärts durch die enge Tür, die Rampe über die Eingangsstufe hinunter. Vorsichtig aufbocken, erst hinten, dann vorne. Die Batterie ausbauen, an der Verkleidung hat sich eine Schraube gelöst und ist verlorengegangen. Am Lenker fehlt links der Endstöpsel. Dabei sind wir so wenig nur gefahren, wir zwei. Ich versprühe ein wenig Korrosionsschutz auf alles, was glänzt. Hoppla, in Gedanken - Memo an mich: im Frühjahr vielleicht auf die vorderen Bremsscheiben ein wenig Bremsenreiniger auftragen. Oder ein wenig mehr. Nun ja. Dann schließe ich die Tür. Es ist ja auch schon frisch draußen. Als ob mich das stören würde! Das Saisonkennzeichen ist nur ein Zugeständnis an die Vernunft, und so ignoriere ich den November, bis es nicht mehr geht. Letztes Jahr mußte ich im Dunkeln einwintern, weil das Kennzeichen schon nicht mehr zur letzten Ausfahrt passte. Dann stehe ich in der Tür, schaue auf sie hinab. Erwartungsvoll, glänzend, völlig ruhig steht sie auf den beiden knallroten Böcken da. Ohne Dich, denke ich, wäre ich in der Finanzierung schon ein Stück weiter. Aber ich bin kein Betriebswirtschaftler, sondern Motorradfahrer, und so bleibt der Gedanke fad und dünn, als würde mir jemand etwas ungeliebtes zum tausendsten Mal erzählen. Jaja, denke ich, und dann denke ich zurück an die schönen Ausfahrten. In der großen Stadt haben wir mal eine Nacht in einer engen, steilen Straße geparkt, weißt Du das noch? An den See sind wir gefahren, in der Straßenmitte geparkt, und dann war ich sehr lange weg, um in der Sonne zu sitzen und sehr begeistert über einen Fehler nachzudenken. Nur begeisternde Fehler sind die guten, weißt Du das? Ich merke mir, daß Dein Hinterreifen doch einiges an Druck verloren hatte. Auch daran muß ich im Frühjahr denken. Bis dahin bleibt das Denken ja nicht aus. Ich denke an die nächsten Ausfahrten. An Berge und Seen. Und ob ich Dich im nächsten Jahr überhaupt noch dort oben auf der Alb im Schotter abstellen werde. Ich weiß noch nicht, ich muß es auch noch nicht wissen, glaube ich. Die Sonne ist weg, als ich in Richtung meines kleinen Tales fahre. Und dann sitze ich am Fenster über dem Tal und sehe den Himmel in die blaue Stunde gleiten, und ich denke daran, daß wir das bald wieder zusammen tun können. Hatten wir das überhaupt in diesem Jahr? Sicher nicht genug davon. Nicht genug draußen, nicht genug auf zwei Rädern, nicht genug mit den Fingern am Fels, nicht genug ins Wasser gehüpft. Da muß noch ein Sommer kommen, nach diesem Winter. Ein Sommer für uns beide.
# |  1 RauchzeichenGas geben