Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Montag, 13. 05 13

13.05.13, 16:08
Gedanken sortieren. Mich sortieren.

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Es gibt Tage, da weiß ich nicht so recht.

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Am Mittwoch, da schmerzt mir die Hüfte, und ich schiebe es auf das Sitzen. Die geschwollenen Lymphknoten sehe ich nicht.

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Ich erfahre stattdessen vom Tod und davon, daß ich auf der Beerdigung nicht erwünscht bin.

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Gegen Mittag die Nachricht: Wir sitzen da und grillen. Ich bin aufgelöst genug, um zuzusagen, ohne so recht eingeladen zu sein. So machen das normale Leute, sagen sie, als ich da bin, und ich frage mich, ob die dazu auch so waidwund geschossen werden müssen. Dann streicht mir der Hund um die Beine, die Sonne scheint und man erzählt so vor sich hin.

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Was ich letzte Woche vorgeschlagen hatte, haben sie längst gemacht. Wie schnell sie sind, wundere ich mich, und freue mich am Pilgerhund und den Pferden hinter uns, am Grill und am Sitzen und daran, daß das Wetter durch die Büroscheiben immer so viel schlechter aussieht. Das heißt, ich kann dort sehnsuchtslos sitzen und mich doch immer freuen, wenn ich rauskomme.

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Komm doch mit, sagen sie, und deutlicher kann man ja kaum mehr werden. Du Angeber, lachen sie dem Hengst zu, der sich aufgeregt präsentiert. Sie legen die Hände in den Nacken, ziehen die Beine an, fühlen sich wohl in ihren Sommerkleidern, und ich wundere mich, was es so an Welten gibt, gerade mal hundert Meter entfernt von meiner Wohnung, die mir auf einmal kalt und düster vorkommt, wo ich hier hinter einer Hecke sitze, in der es raschelt, mit dem Knacken von brennendem Holz und den Resten von dem Kuchen an den Fingern, den ich mitgebracht habe, radelnd auf einem Teller balanciert.

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Und dann sitze ich da in diesem stoffbespannten Stuhl, in dem man nur lümmeln kann, und telefoniere und höre von nassen Stellen und vorbereiteten Äckern, und dann rede ich Dialekt und Bauernzeug, und danach muß ich das erst einmal alles erklären, bis sie lachen und mich für verrückt erklären und mir sagen, daß man nicht Hobby sagen darf, wenn man so brennt.

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Wir feiern seinen Abschied vom Büro, von der Stadt und vom Leben hier, und ich unterhalte mich hier und dort mit seinen Kollegen. Spiele das Spiel mit, das er zum Dreißigsten bekam. Der Dreißigste, sagt er lachend, und ich erinnere mich, daß das unsere erste gemeinsame Feier war. Die erste gemeinsame Fahrt. Die erste schlaflose Nacht.

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Mit dem Freund ahme ich Esel nach, wie immer. Wir holen uns zu essen in der Cafeteria, wo keine Studenten mehr sitzen, und dann trinke ich doch eins, bevor ich mich verabschiede.

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Handschlag und leuchtende Augen. Alles Gute, sage ich, und daß wir uns jetzt wieder anders besuchen müssen. Per Rad vielleicht, und sonntags sicherlich.

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Die Nacht fängt erst an, und die ganze Straße entlang begelitet mich das laute Scharren der Aluschaufel auf den Steinen der Einfahrt. Ich bringe Salat und werfe einen hastig abgestaubten Teller auf den Boden. Alles Gute! rufe ich, und dann esse ich viel und trinke wenig, und als ich schon gehen will, da holen sie mich noch einmal, dieser Riesenhafte, unglaublich laut und ausgreifend, wie er mich schnappt und mir eins aufreißt in einer fließenden Bewegung voller Kraft und Anmut, der der Alkohol nichts anhaben kann. Nur rote Backen, und ich rede lang mit seiner Freundin, die so ruhig ist und zierlich, und wie er sich ihr rasch nähert und auf den letzten Zentimetern bremst und sanft wird, als umgebe sie ein Schirm. Und dann esse ich wieder viel und trinke wenig, und wieder holen sie mich zurück, der rotwangige Bräutigam, auch er mit dieser unendlichen Kraft und Ausdauer gesegnet, er reißt noch eins auf, und das trinke ich selbstverständlich und esse auch noch ein Stück, und dann ist es auch schon vier und regnet leicht, als ich nach Hause laufe.

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Um sechs regnet es auch, und dann steht da einer barfuß im Garten, mit nichts als kurzen Hosen, und prüft die Feuchte zwischen den Zehen, schreit "Geht!" und fährt hinaus zum Bauern, wie abgemacht, und da hört es schon auf zu regnen und die Sämaschine klappert und brummt, das Gebläse rauscht und pfeift, und ich kann fast die Maiskörner hören, wie sie einzeln durch die Rohre fallen. Ich deichsle um die Prozession, die gechickt zwischen zwei Stops fällt, zu denen ich Mineraldünger und Saatgut nachfüllen muß, aus Säcken und Eimern und in fliegender Hast.

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Zum Mittag Pause und Rostbraten, denn Feiertag bleibt Feiertag, und so ein Rostbraten braucht mehr Vorbereitung, als der Wetterbericht gerade erlaubt.

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Immer wieder Regentropfen. Immer wieder wandernde Gruppen, Mädchen und Jungen, lachend und trinkend.

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Wo bist Du? fragt er, und zehn Minuten später stehen sie da mit einem Umschlag, auf dem mein Name steht, "und Begleitung" steht da, und ich kann ja nicht anders, auch auf Einladungen schaue ich nach Rechtschreibfehlern, und freue mich daran, weil das meine Freunde sind und ich sie mir nicht nach ihrem Studium oder ihrem Schreiben ausgesucht habe, sondern nach Bauch, Gefühl und Herz und so, und normal funktioniert sowas ja nie, aber meine Freunde sind schon lange da, und daß sie bleiben mögen, hoffe ich fest.

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Als es zu regnen anfängt, fliege ich noch zwei Bahnen. Dann fertig.

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Siesta, sage ich, als ich in den Hof einbiege, das Singen des Getriebes verebbt und ich den Motor abstelle. Das Sägerät steht im Trockenen, wir stehen im Regen auf dem Hof. Tropfen zischen auf dem Auspuff, und dann Kaffee und Stall und all das.

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Telefon. Zuerst Monate nicht, so kommt es mir vor, und jetzt minütlich, und ich habe mich noch nicht recht wieder dran gewöhnt. Eine Stunde später im Auto, und ich dufte noch nach Pferd und Hund und Sonne, nach Staub und Schweiß und Stall, nach Grill und Bier und dem einen kleinen Schnaps, und ich schiebe es dann auch auf die letzten Stunden, daß ich mich müde fühle, überlaufen und ausgelaufen gleichzeitig und irgendwie zerschlagen. Das kenne ich schon, meine ich, und es gibt dann doch nur immer einen Weg heraus, rechts ist Gas sage ich mir, wippe mit dem Fuß und falle nach einigen Routen dann doch aus der Wand, die hier viel höher ist als in der Stadt, in das Seil und die Sicherung von unten, und da steht ein Mann mit mehr Bergerfahrung als ich mir vorstellen kann und scheucht mich die Wände hoch, bis mir die Finger taub werden und die Arme hart sind und man die Adern pochen sehen kann.

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Vor der Dusche setze ich mich kurz auf die hölzerne Bank, winke ab, das ist doch nichts, und dann stehen wir im Dampf und ich halte mich ein wenig fest, weil es so rutschig ist und die Wärme, Du verstehst. Und dann sagt er etwas von einem roten Streifen, einem Hof, und überhaupt brennt meine Wade mehr, als ich gedacht hätte, aber der Nebel wird Watte und alles wird schon werden, sage ich, mit einem Bett und einem Telefon auf dem Kissen, das mich morgen früh schon reißen wird.

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Eine Stunde später sitze ich zwischen Betrunkenen im Krankenhaus.
Lache den Arzt an, als er fragt, ob mir schlecht sei. Ich habe nicht getrunken, sage ich und lege zur Erklärung einfach ab, denn warm ist mir hier drin sowieso. Und ich erzähle vom Suchen im Wald, vom Bäumepflanzen und davon, daß ich das immer so mache mit einem scharfen Messer und zwei Schnitten, und dann sagt er etwas wie "nicht ganz dicht", und ich sage was von Kernkompetenzen und daß er dafür gar nicht zuständig sei. Wir einigen uns irgendwie und sind dann beide froh, daß ich nicht bleiben muß, zwischen den Betrunkenen und Blutenden, wo ich doch nur müde bin und schlafen muß, und Blut kann man doch gar nicht echt vergiften, davon hab ich ja noch nie gehört, und Lymphknoten und Schranke, und da war doch was, und dann fahre ich noch durch die Stadt zu einer Apotheke und wundere mich, was nicht alles reibungslos funktioniert in unserem Land, auf Autopilot quasi, wie ich gerade, und so gefalle ich mir eigentlich ganz gut, ein wenig wattig, etwas abgehackt, und sehr gedämpft, und ich freue mich auch daran, daß ich einmal auf den Paten gehört habe, auch wenn der Arzt zugeben mußte, daß es das morgen auch noch getan hätte. Gestorben wäre ich nicht gleich, habe ich ihn gefragt, und was hätte er da auch viel sagen sollen?

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Morgens wache ich zu spät auf. Brückentag, grinse ich und versuche, die Knochen in Bewegung zu halten. Denke abends daran, wie wir früher an solchen Wochenenden unterwegs waren und wo das alles hin ist, wo alle hin sind, aber dann falle ich doch ins Bett, als Ausrede die Tablettenschachteln auf dem Nachttisch, 'zefix.

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Zwischendurch noch Geburtstag, wie wir den

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Klingenwechsel dauern etwas länger, und zur Probe genehmige ich mir danach einen Meter pro Mähwerk, laufe strahlend über den Hof und sage allen, daß der Anfang das Schwerste sei. Dabei hält uns der Regen am Gängelband, alle Tage, wie es scheint. Und daß wir dieses Jahr mit mehr Vorbereitung als sonst starten werden, weil mehr Zeit ist, mehr Regen und irgendwann mehr und mehr Ungeduld, das ist auch kein rechter Trost.

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Und dann kommt einer angeradelt, aus der großen Stadt, und so verbinden sich die Welten wieder, denke ich, und so kann man Tage auch verbringen. Und wir lachen über dreckige Hände und zitternde Beine, bis er weiterfährt, in die nächste Stadt, und ich weitermache, bis zum Fest.

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Wir haben einen Schichtplan, aber der ist voller Jungspunde. Wir Springer machen das schon länger, und ich springe direkt ein, welle Pizzateig, bis die Nacht halb um ist und alle nur noch trinken wollen.

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Hallo, winkt mir eine zu, und dann unterhalten wir uns, während ich in meinem Kopf krame, woher und von wann und hoffentlich kommt jetzt keiner, dem ich sie vorstellen muß, wo ich doch den Namen noch nicht wieder weiß. Bis morgen, lacht sie irgendwann, und ich winke ihr nach, und wenn ich auch sonst nichts weiß, dann doch, daß es Morgen nicht geben wird, und rufe also Adé, wie Adieu, mit Gott, Farewell, und das wünsche ich gern, denn das sind gute Wünsche.

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Huch, sind die betrunken, denke ich. Huch, ist das ein Dunst. Huch, bin ich müde, und so lasse ich irgendwann den alten Freund stehen mit seiner neuen Liebe, mit seiner bärenhaften Umarmung, die mir bewusst macht, was vierzig Kilo für ein Unterschied sind, und gehe nach Hause, ist ja schon wieder vier.

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Es regnet, als wir den Kran aufbauen, und das Seil tropft noch, als die ersten sich auf die Palette stellen. Das alte Spiel von hier, mit einem Turm aus Bierkisten, den man sich baut und den man erklimmt, mit Gleichgewicht und Kraft und Geschick, und nach zweiundzwanzig fällt der höchste Turm, und dem schwersten falle ich nach oben entgegen, als er nach unten fällt, und so treffen wir uns lachend in der Mitte, und hier scheint auch die Sonne, und so schütteln wir uns die Hände, und dann lasse ich uns ab.

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Auf einem Autoanhänger, auf einem Turm aus gestapelten Stühlen thronend, werde ich durchs Dorf chauffiert, und den Fußgängern winke ich, weil das hier geht und funktioniert, denn wir haben unsere eigenen lachenden Regeln hier, und so genau will das von außen keiner wissen.

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Arzneisonnenbrand, wenn sonst schon nur Regen ist.

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Wieder welle ich Pizzateig, und sowas lernt man ja tatsächlich mit der Zeit, mit dem Mehl hier und dem Holz so, und dieser Armbewegung dort, und so stelle ich mir ja eine Lehrzeit vor, und so hätte ich das vielleicht machen sollen statt zu studieren. Ich mache also Wellung, eine der Damen Ölung und Salbung, die andere Belegung und Ofung, und bei Achtung und Substantivierung liegen wir uns lachend in den Armen, das Mädchen mit den Engelslocken, das ich Strohhaufen taufe, und das Mödchen mit den langen Beinen, das ich meinen Storchen nenne, und dann fahren wir zu dritt auf einem Kühlschrank mit Rollen die Straße hinunter, lachend und kreischend und nichts passiert.

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Studieren werden sie, ganz gegensätzlich, und daß sie Freundinnen bleiben, sagen sie mir, und wenn ich an etwas glaube, dann an euch beide, sage ich. Und ich freue mich auf die Woche mit den beiden, auf den Rädern, in Schlafsäcken auf Luftmatratzen, und das sage ich auch, und ich freue mich ja immer, wenn sich jemand auch auf mich freut.

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Es ist Nacht, als ich nach hause komme, und wie erwartet bin ich müde.

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Am Morgen nehme ich Abschied. Ganz für mich. Stelle mein Auto auf dem leeren Platz vor der Kirche ab. Stelle mich an das Grab und erzähle der Frau, die ich so gemocht habe, noch ein wenig von mir, weil wir dabei einst unterbrochen worden sind. Lasse mir vom Wind und von ein, zwei Regentropfen von ihr erzählen, von dem Ausblick auf das Land hier, auf das Dorf und die Umgebung, denn das hat sie gesehen und gestaltet, und ich kann sehen, was davon bleibt.
Der kleine Bauerngarten, viel zu groß für eine Person, den Du gepflegt hast. Wie Du die grüne Gießkanne mit dem wenigen Wasser aus der Nische in der Wand gewuchtet hast und mit nachlassender Kraft eben weniger gefüllt hast und öfter gelaufen bist, sicher auf den schmalen Wegen zwischen den Beeten, um nichts zu zertreten, nichts zu verschwenden. Wie Du mir Kuchen aufgetan hast und nur gelächelt hast, als sie Dir sogar den Tortenheber aus der Hand nahm, Dich Deines Gastgebens beraubte. Wie Du abgewunken hast, als sie Dir einen Geschirrspüler brachten, und wie ich verstanden habe, weil wir uns einfach so verstehen konnten. Wie Du Dich gefreut hast an den Bändern im Nachbargarten, an dem Baum, den ich in einer Nacht dort aufgestellt hatte, und wie Du uns ganz selbstverständlich zugesehen hast, als wir da saßen, auf dem Bett, aus dem Haus getragen mitsamt der Kissen und Decken. Wie Du vor dem Haus, vor Deinem Haus in der Sonne saßest, auf der schmalen hölzernen Bank. Wie warm Deine Hand war, die ich vorsichtig nahm. Wie Du klein und kleiner wurdest, wie wir über das Essen hinweg Blicke tauschten, ein Lächeln über Schalentiere, und wie ich Dich dann nicht mehr sehen durfte. Ich freue mich, Dich gekannt zu haben, sage ich, nachdem ich Dir all das erzählt habe, dieses ganze lange Wochenende und die Zeit davor, zum Abschied, weil ich glaube, daß Du mich verstanden hast, und daß Du mich gemocht hast, das habe selbst ich verstanden.

Mach es gut, Ella.
Wherever you may roam.
# |  6 RauchzeichenGas geben