Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Montag, 15. 10 07

15.10.07, 16:47 | 'Das Auge des Betrachters'
Ferien.

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Erntedankfest der Landjugend. Sie trägt ein Hemd der "Landjugend Oberes Murrtal" und nennt mich Schatzi. Ich schenke ihr Cola ohne Schnaps ein und bin mir sicher, daß sie mir morgen dankbar sein wird. Und zwecks dem Schatzi, grinse ich sie an, schaust Du mal da rüber zu dem Mädel mit den funkelnden Augen. Ja genau, die eben ihre Krallen an der Wand wetzt, -.

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Ich fahre durchs Dorf, an einer Radlerin vorbei. Eine blaue Trainigsjacke blitzt im Augenwinkel, hölzerne Tische und Putzmittelgeruch blitzen in meinem Kopf. Zehn Minuten später sitzen wir beim Kaffee. Früher eine Mitschülerin von mir, heute studiert sie Medizin. Sie erzählt von New York und von Fernweh, vom Schicksal und von der Krankheit ihrer Mutter. Ich frage nicht nach, weil ich das nie tue. Ich lasse sie sagen, was sie eben sagen möchte. Höre nur zu. Sie vergäbt sich im Rollkragenpullover bis zur Nasenspitze, und sicherlich ist ihr nur was ins Auge geflogen.
Klassentreffen, sage ich, und wir wundern uns, wer denn schon verheiratet ist und Kinder hat. Wo alle nun sind, was alle nun machen. Wie wir verschiedener nicht sein könnten, und wo das nun herkommt. Wir schweigen uns an, wir wissen es nicht. Man muß sich nicht ähnlich sein, um sich zu mögen, man muß sich nicht verstehen und man muß sich nicht einmal sehen. Doch woher kommt das Mögen dann, und wozu?
Sie erzählt von den Postern, die ich mal an den Wänden hängen hatte. Sie kennt sich immer noch aus bei mir. Nimmt meine Hand und klopft aufs Gelenk. Weniger machen, meint sie, aber das machst Du ja doch nicht.
An der Tür verabschieden wir uns, und sie radelt davon. Weite Welt und so, fremde Leben und eigenes Leben, große und kleine Kreise, Orbit und Planetenschatten und Schnittpunkte und Schnittlinien - ach, ihr macht mich alle sehr unsicher. Vielleicht entwickle ich micht nicht, befürchte ich. Vielleicht nur anders, beruhige ich mich. Und vielleicht ist das unwichtig, und nur die Überzeugtheit zählt. Ich gehe ins Bad, wo mein ganz eigener Mittelpunkt vor dem Spiegel steht und sich das Haar kämmt, das ich sowieso wieder zerwuscheln werde, weil ich ebendas am liebsten tue.

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Wir fahren nach Hamburg, Freitagmorgen um drei. Der Kleinbus hüpft und wackelt, aber er läuft auch zweihundertzehn. Am hellen Tag sind wir auf der Reeperbahn, und wieder stürmen fremde Leben auf mich ein. Biertrinkend sitzen sie da, auf Stein und schauen um sich, auf Stein. Ganz eng kommt es mir vor, und furchtbar arm. Sogar die Fressfabrik, wo Essen und Verpackung kaum zu trennen sind, öffnet erst um zwölf. Also trete ich eine halbe Stunde unter dem Seemannsdenkmal von einem Fuß auf den anderen und schaue ein paar Gerüstbauern beim Arbeiten zu. Denn daß man manche Dinge nur amateurhaft betreiben sollte, das hab ich ja schon hundertmal gesagt.
Wir fahren weiter aufs Land, aufs "Alte Land". Die Häuser am Ufer haben so selbstverständlich einen Steg und ein Boot wie sie eine Garage und ein Auto haben. Mit dem Boot ins Büro stelle ich mir vor, aber So ists nun auch wieder! werde ich zurechtgewiesen. Ich bleibe dabei und stelle mir einen Sprung vom Steg vor, mit Aktentasche und Krawatte. Pfeif auf die Wirklichkeit.
Über altes Kopfsteinpflaster laufen wir zur Schweineweide des Gutshofes, am eigenen Friedhof vorbei. Wozu haben Reetdächer eigentlich Ziegel am First?
Wir essen im "steak house". Ironie komm her, dafür fahren wir also fünfzehnhundert Kilometer. Mir egal, im Praktikantenzimmer haben wir schon Tomatensalat mit Ei gevespert, der Zimmerer und ich, und überhaupt muß ja keiner essen.
Auf dem Heimweg schlafen sie alle, während ich die Kilometer am Navi herunterbettle. Ich halte an und renne zweimal um den Bus, und bevor einer aufwacht, sind wir schon wieder unterwegs. Am Schloß tanke ich voll und wecke die anderen. Muss man mal gesehen haben, denke ich noch, bevor ich ins Bett falle und vergesse, ob Fragezeichen oder Punkt.

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Bei der Bäurin zum Mittagessen, seit Monaten mal wieder. Es gibt heut nur Süßes, und über schicksalhafte Ironie muß man auch mal lachen können, denke ich, als ich mit leerem Magen wieder losfahre.
# |  5 RauchzeichenGas geben


15.10.07, 15:10 | 'Maschinen bauen, Mensch bleiben'
Mein tabellarischer Lebenslauf sieht doch sehr nach einer Bewerbung zum Oberbauern aus.

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Und der Teufel soll mich holen, wenn ich "Office" je zu meinen Kenntnissen zähle.

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"Seit 1997 Arbeit auf einem Milchviehbetrieb" vermeidet etwas unbeholfen, daß ich meist keine Ahnung habe, was ich eigentlich tue.

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Nach Arbeit zu fragen statt zum Arbeiten gefragt zu werden.
# |  Rauchfrei | Gas geben