... Vorwärts fahren
26.01.07, 13:02 | 'Kann Spuren von Irrsinn enthalten'
Es ist wie letzte Woche, als ich montags nach Downtown Benztown gedüst bin, mit meinem Ausländerauto, das in Stuttgart sogar von Smarts mit Nullkommasechslitermotoren böse angefaucht wird. Und das sind nicht einmal richtige Mercedesse! Die haben nicht nur keinen Stern auf der Motorhaube, die tragen nicht mal eine Motorhaube vor sich her! Und nullkommasechs Liter. Hallo? Da schütte ich aus einem Tetrapak die Hälfte aus, und dann ist da immer noch mehr drin. Naja, fast.
Und über Tetrapaks möchte ich eigentlich gar nicht mehr sagen, über diese quaderförmigen Pappkartonzauberschachteln, die es immer wieder schaffen, daß alles, was drin ist, auch wie Pappkarton schmeckt. Und Pappkarton ist ja aus Altpapier, und ich weiß, was ich ins Altpapier schmeiße. Egal, es sagt jedenfalls genug aus, wenn ich ein Auto (Auto! Ha!) mit einem Pappkartonwürfelchen vergleiche. Und der Pkw (also der Pappkartonwürfel, alles andere wäre ein richtiges Auto - nichts, das quer in eine Parklücke passt), jedenfalls die Pappe kommt dabei noch besser weg als das Blechhäuflein, das immer so aussieht, als hätte man es auf halbem Weg aus der Schrottpresse gezogen. Dabei war der Weg so richtig!
Jedenfalls war es letzten Montag, noch bevor ich mal wieder mein lenkradzerkauendes Zähneknirschen bekam, weil wieder so ein Nullkommahäufchen vor mir im Gegenwind auf der Autobahn verhungerte. Bevor ich unschlüssig sinnieren sollte, ob es Notwehr sein könnte, diese Schächtelchen rechts zu überholen. Es war zuvor.
Und ich kaufe ja selten Blumen. Deshalb stehe ich also zuvor schon unschlüssig herum. Im Blumenladen.
Herrjeh, sage ich, und "Grüß Gott" flötet die Verkäuferin. Wahrscheinlich hat sie Erfahrung damit, anderen Verkäuferinnen eine Freude zu machen, die gerade zuhause auf Blumen von ihrem Freund warten, weil er mal wieder den Toilettendeckel obengelassen hat oder am Vorabend ein Bier mit den Jungs getrunken hat, während sie im Bett gewartet hat, weils doch bloß einmal im Monat, und zusammenziehen, und Familie gründen, und so fort.
Jedenfalls grinst sie mich verschwörerisch an. "Blumen?" fragt sie. Nö, Schnaps, möchte ich sagen, und Mach mir noch ein schnelles Bier, ja? Natürlich sage ich nichts von alldem, sondern schlucke und nicke, während ich hoffe, daß meine Gehässigkeit auch da unten sitzenbleibt, wo ich sie hingeschluckt habe, und Ruhe gibt.
Ja, Blumen.
Ja, ich möchte mich erstmal umsehen.
Ja, ich nehme mir Zeit.
Ja, dazu muß man Ruhe haben.
Ja, ich dreh gleich durch.
Wie genau ich die Blume denn ausgesucht habe, weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich bin ich durch den roten Schleier vor meinen Augen und die blutigen Pfützen in meinem Kopf gewatet und habe einfach die Blume neben der Blume genommen, die die Frau genommen hat, die vor mir stand. Vielleicht habe ich die gute Frau auch ein klein wenig geschubst und ihr ihre Blume weggenommen. Aber wahrscheinlich nur ein ganz klein wenig.
"Einpacken?" fragt sie mich, während ich fasziniert auf dem Pappschild neben der Kasse lese, daß "Einpacken (klein) und Einpacken (mittel) und Einpacken (groß)" sich im Preis unterscheiden. Aber zwanzig Cent sind vierzig Pfennig, und sowieso bin ich ja selber Schwabe. Wegen Geiz ausgewiesener Schotte, haha.
Die Frage nach dem Einpacken war offensichtlich genauso rhetorisch wie das Beruhigungsgespräch zu Beginn, wie beim Zahnarzt, der immer sagt, daß das jetzt eben sein muß und überhaupt nicht weh tut, und man solle das Spaßige am Bohren sehen. Bei mir wurde noch nie gebohrt. Aber Blumen geht, also könnte ich wohl auch mal wieder zum Zahnarzt.
Während sie routiniert Folie faltet und Klebestreifen klebt, Pflegeanweisungen in den Topf steckt und das Preisschild herauszieht (Iiks, das ist sicher der Preis für den ganzen Laden, beruhige ich mich, das kann doch nicht denen ihr Ernst sein, da haben die sich einen Scherz erlaubt, und weiß die überhaupt, wie lang ich dafür arbeiten muß? Ich rechne ja alles, was ich in Händen halte, und nicht dringend will oder brauche, in Arbeitsstunden um. Meist in solche, die eher unangenehm sind, wie Klauenschneiden oder keine Ahnung was. Meist lasse ich dann alles fallen und gehe nach Hause. Iiks.) - jedenfalls, während sie all das tut, was eine Blumenverkäuferin eben so tun muß, die schon darüber hinweg ist, daß sie Blumen! zum Preis eines ganzen Arms voller wunderschöner CDs!, oder zweier ebenso wunderschöner Tankfüllungen! (und ich habe, wie eingangs erwähnt, ein richtiges Auto. Eines, das man dreistellig volltankt, wenn mal ein schlechter Tag ist) einpackt, erklärt sie mir das mit der Pflege und dem Aufstellen der Blume, was mich eigentlich garnicht interessieren kann, weil ich das Dingens ja ganz offensichtlich verschenken will. Und selbst wenn es, wie sie denkt, an meine Verkäuferinnenfreundin ginge - haben Sie schon mal einen Mann gesehen, der in der Wohnung seiner Freundin die Blumen (Iiks!) umräumt, ohne dabei sein Leben zu lassen? Selbst wenn er nur endlich mal wieder das Fenster aufbekommen will, oder sogar auf Anweisung der Freundin handelt, überleben kann er das nicht. Zumindest verliert er sein Selbstbewußtsein, seine Würde und seinen Verstand. Glauben Sie mir, ich kenn mich da aus - auch ohne Freundin. Doch ich schweife ab.
Die Blumendame fragt, wann ich denn gern schenken würde. Und ich sage nicht 'Zu Ihrer Beerdigung am Donnerstag, falls ich bis dahin noch auf freiem Fuß bin', sondern artig "So bald wie möglich", damit ich endlich raus komme aus dem Gewächshaus aus der Hölle.
"Aha, gestern also", nickt sie verschmitzt, und wenn sie meine Freundin kennen würde, ja wenn ich denn eine hätte, würde sie die sofort anrufen, sobald ich aus dem Laden wäre, um ihr mitzuteilen, daß sie sich die Tränen aus dem Gesicht wischen und ein hochnäsiges Gesicht aufsetzen solle, da käme schließlich jemand zu Kreuze gekrochen, und sowieso könne sie ja umtauschen, für den Preis kriegte sie auch was Hübsches. Und über die Zweideutigkeit darin würden beide zu kichern beginnen, und ich stünde da mit meiner Blume, wie der Depp. Also wie immer.
"Ja", spiele ich mit. Schließlich war gestern Sonntag und die Blumenläden zu, und in der kruden Verkäuferinnenlogik war dann sicher Jahrestag (Iiks!), weil vor einem Jahr ja dann sicher Samstag war, und da waren wir dann sicher im Kino, und danach sicher bei ihm oder bei ihr (sie taxiert mich kurz), sicher eher bei ihr (ich bin wohl durchgefallen bei ihrer Sichtprüfung), und dann war es halt passiert, sicherlich, denkt sie sich.
"Nur wegen der Folie", sagt sie, "weil sonst die Pflanze keine Luft bekommt."
"Aha", sage ich, lasse das mit dem Luftbekommen mal so stehen und sage der Photosynthese, die ganz hinten in meinem Kopf aufgeregt hin und her hüpft, daß sie die Klappe halten soll, die Photosynthese.
"Und wegen der Kälte." Letzten Montag hatte es dreizehn Grad draußen. Und sehe ich wirklich doof genug aus, um eine Orchidee in den Garten zu stellen? Im Januar?
"Nicht knicken", sagt sie noch, und da weiß ich, daß ich noch dümmer aussehen muß, als ich gedacht habe.
"Ich verschenke sie gleich, wenn ich da bin", beruhige ich sie.
Wäre ich bloß zu meiner Tante. Die hat auch einen Blumenladen. Und viel mehr Pragmatismus: "Was kaputtgemacht? Oder willst Du nur ran? Rosen dazu?"
Wenigstens macht sie, weil sie das so süß findet, vom Preis noch was weg, damit ich mir die paar Liter Sprit überhaupt leisten kann, um zur Wohnung meiner Freundin zu kommen, zu Kreuze zu kriechen und heute abend nach dreitägigem Entzug endlich wieder ein warmes Essen zu kriegen. Oder wenigstens Sex. Sie schaut mich an, als wüßte sie nicht, ob sie das jetzt eben laut gedacht hatte.
Ich binde das Riesentrumm von Blume, das sich durch meinen verschleierten Blick immer wieder in einen Turm CDs oder ein Fässchen Superbenzin verwandelt, auf dem Beifahrersitz an. Beim Fahren muß ich immer wieder zu ihr rüberschauen und blinzeln, ob sie noch da ist, oder nicht mehr atmen kann und zu hecheln anfängt, Sie wissen schon, wegen der Folie, oder sich überhaupt auflöst und ich das alles bloß geträumt habe. Und so fahre ich dann auch, und da ist es dann kein Wunder, daß ich grade mal zweihundert Meter weiter von der Polizei herausgewunken werde, eine Blume auf dem Beifahrersitz angeschnallt, eine merkwürdiges Zucken im Auge.
"Verkehrskontrolle", sagt der Herr in grün zu mir, und steckt seinen Kopf durch das Fenster. Und zuckt zurück, knallt mit dem Hinterkopf gegen den Türrahmen und lässt seine Nase von dort an tunlichst aus meinem Auto. Denn statt der erwarteten Fahne gibt es Orchideenduft und - ich schaue über die Schulter - das Oeuvre von Stallkleidern und Gummistiefeln, die den Weg zur Waschmaschine noch nicht gefunden haben, aus der Kiste auf dem Rücksitz.
Ich selber bin glücklicherweise frisch gebügelt und geduscht, und Haare habe ich seit dem frühen Morgen sowieso keine mehr. Vorsichtig linst der Polizist herein, während ich schon nach dem Fahrzeugschein krame, der sicher verwahrt zuhause liegt. Aber ich zeige bei sowas immer guten Willen und räume mein Handschuhfach aus, den Atlas und die Warnweste, die Betriebsanleitung von Auto und Radio, und natürlich das Schmuddelheftchen, das auf der letzten Tour irgendeiner an der Tanke geholt hat, nur um damit auf dem Beifahrersitz einzuschlafen und es vor dem Aussteigen flink ins Handschuhfach zu schieben. Für schlechte Zeiten, sicherlich, und zuhause möchte man ja mit sowas auch nicht erwischt werden.
Ich staple alles sauber auf meinem Schoß, und daß der Atlas kleiner ist als das Heftchen, und die Betriebsanleitung sowieso, das hatte ich irgendwie schon gewußt. Ich packe es also obendrauf auf den Stapel und lächle mal vorsichtig aus dem Fenster. Bin ich überhaupt angeschnallt? überlege ich, und mein Gesicht wird sicher noch eine Spur unglaubwürdiger.
Der Polizist grinst und ich schwitze.
"Ärger mit den Damen?" fragt er verschmitzt.
Ich nicke, weil den hat man ja immer, irgendwie.
"Blumen kommen immer gut an", sagt der Polizist, und ich könnte Stein und Bein schwören, daß ich im selben Moment dasselbe gedacht habe. Nur irgendwie anders.
"Nun fahren Sie schon, sonst kommen Sie mir noch zu spät."
Ich nicke nur sprachlos, lasse die Scheibe hoch, und starte los.
Um was es eigentlich ging: Letzten Montag hatte es im Stuttgarter Talkessel Nebel. Zuhause war schönes Wetter. Und heute ist das sicher schon wieder so.
Und über Tetrapaks möchte ich eigentlich gar nicht mehr sagen, über diese quaderförmigen Pappkartonzauberschachteln, die es immer wieder schaffen, daß alles, was drin ist, auch wie Pappkarton schmeckt. Und Pappkarton ist ja aus Altpapier, und ich weiß, was ich ins Altpapier schmeiße. Egal, es sagt jedenfalls genug aus, wenn ich ein Auto (Auto! Ha!) mit einem Pappkartonwürfelchen vergleiche. Und der Pkw (also der Pappkartonwürfel, alles andere wäre ein richtiges Auto - nichts, das quer in eine Parklücke passt), jedenfalls die Pappe kommt dabei noch besser weg als das Blechhäuflein, das immer so aussieht, als hätte man es auf halbem Weg aus der Schrottpresse gezogen. Dabei war der Weg so richtig!
Jedenfalls war es letzten Montag, noch bevor ich mal wieder mein lenkradzerkauendes Zähneknirschen bekam, weil wieder so ein Nullkommahäufchen vor mir im Gegenwind auf der Autobahn verhungerte. Bevor ich unschlüssig sinnieren sollte, ob es Notwehr sein könnte, diese Schächtelchen rechts zu überholen. Es war zuvor.
Und ich kaufe ja selten Blumen. Deshalb stehe ich also zuvor schon unschlüssig herum. Im Blumenladen.
Herrjeh, sage ich, und "Grüß Gott" flötet die Verkäuferin. Wahrscheinlich hat sie Erfahrung damit, anderen Verkäuferinnen eine Freude zu machen, die gerade zuhause auf Blumen von ihrem Freund warten, weil er mal wieder den Toilettendeckel obengelassen hat oder am Vorabend ein Bier mit den Jungs getrunken hat, während sie im Bett gewartet hat, weils doch bloß einmal im Monat, und zusammenziehen, und Familie gründen, und so fort.
Jedenfalls grinst sie mich verschwörerisch an. "Blumen?" fragt sie. Nö, Schnaps, möchte ich sagen, und Mach mir noch ein schnelles Bier, ja? Natürlich sage ich nichts von alldem, sondern schlucke und nicke, während ich hoffe, daß meine Gehässigkeit auch da unten sitzenbleibt, wo ich sie hingeschluckt habe, und Ruhe gibt.
Ja, Blumen.
Ja, ich möchte mich erstmal umsehen.
Ja, ich nehme mir Zeit.
Ja, dazu muß man Ruhe haben.
Ja, ich dreh gleich durch.
Wie genau ich die Blume denn ausgesucht habe, weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich bin ich durch den roten Schleier vor meinen Augen und die blutigen Pfützen in meinem Kopf gewatet und habe einfach die Blume neben der Blume genommen, die die Frau genommen hat, die vor mir stand. Vielleicht habe ich die gute Frau auch ein klein wenig geschubst und ihr ihre Blume weggenommen. Aber wahrscheinlich nur ein ganz klein wenig.
"Einpacken?" fragt sie mich, während ich fasziniert auf dem Pappschild neben der Kasse lese, daß "Einpacken (klein) und Einpacken (mittel) und Einpacken (groß)" sich im Preis unterscheiden. Aber zwanzig Cent sind vierzig Pfennig, und sowieso bin ich ja selber Schwabe. Wegen Geiz ausgewiesener Schotte, haha.
Die Frage nach dem Einpacken war offensichtlich genauso rhetorisch wie das Beruhigungsgespräch zu Beginn, wie beim Zahnarzt, der immer sagt, daß das jetzt eben sein muß und überhaupt nicht weh tut, und man solle das Spaßige am Bohren sehen. Bei mir wurde noch nie gebohrt. Aber Blumen geht, also könnte ich wohl auch mal wieder zum Zahnarzt.
Während sie routiniert Folie faltet und Klebestreifen klebt, Pflegeanweisungen in den Topf steckt und das Preisschild herauszieht (Iiks, das ist sicher der Preis für den ganzen Laden, beruhige ich mich, das kann doch nicht denen ihr Ernst sein, da haben die sich einen Scherz erlaubt, und weiß die überhaupt, wie lang ich dafür arbeiten muß? Ich rechne ja alles, was ich in Händen halte, und nicht dringend will oder brauche, in Arbeitsstunden um. Meist in solche, die eher unangenehm sind, wie Klauenschneiden oder keine Ahnung was. Meist lasse ich dann alles fallen und gehe nach Hause. Iiks.) - jedenfalls, während sie all das tut, was eine Blumenverkäuferin eben so tun muß, die schon darüber hinweg ist, daß sie Blumen! zum Preis eines ganzen Arms voller wunderschöner CDs!, oder zweier ebenso wunderschöner Tankfüllungen! (und ich habe, wie eingangs erwähnt, ein richtiges Auto. Eines, das man dreistellig volltankt, wenn mal ein schlechter Tag ist) einpackt, erklärt sie mir das mit der Pflege und dem Aufstellen der Blume, was mich eigentlich garnicht interessieren kann, weil ich das Dingens ja ganz offensichtlich verschenken will. Und selbst wenn es, wie sie denkt, an meine Verkäuferinnenfreundin ginge - haben Sie schon mal einen Mann gesehen, der in der Wohnung seiner Freundin die Blumen (Iiks!) umräumt, ohne dabei sein Leben zu lassen? Selbst wenn er nur endlich mal wieder das Fenster aufbekommen will, oder sogar auf Anweisung der Freundin handelt, überleben kann er das nicht. Zumindest verliert er sein Selbstbewußtsein, seine Würde und seinen Verstand. Glauben Sie mir, ich kenn mich da aus - auch ohne Freundin. Doch ich schweife ab.
Die Blumendame fragt, wann ich denn gern schenken würde. Und ich sage nicht 'Zu Ihrer Beerdigung am Donnerstag, falls ich bis dahin noch auf freiem Fuß bin', sondern artig "So bald wie möglich", damit ich endlich raus komme aus dem Gewächshaus aus der Hölle.
"Aha, gestern also", nickt sie verschmitzt, und wenn sie meine Freundin kennen würde, ja wenn ich denn eine hätte, würde sie die sofort anrufen, sobald ich aus dem Laden wäre, um ihr mitzuteilen, daß sie sich die Tränen aus dem Gesicht wischen und ein hochnäsiges Gesicht aufsetzen solle, da käme schließlich jemand zu Kreuze gekrochen, und sowieso könne sie ja umtauschen, für den Preis kriegte sie auch was Hübsches. Und über die Zweideutigkeit darin würden beide zu kichern beginnen, und ich stünde da mit meiner Blume, wie der Depp. Also wie immer.
"Ja", spiele ich mit. Schließlich war gestern Sonntag und die Blumenläden zu, und in der kruden Verkäuferinnenlogik war dann sicher Jahrestag (Iiks!), weil vor einem Jahr ja dann sicher Samstag war, und da waren wir dann sicher im Kino, und danach sicher bei ihm oder bei ihr (sie taxiert mich kurz), sicher eher bei ihr (ich bin wohl durchgefallen bei ihrer Sichtprüfung), und dann war es halt passiert, sicherlich, denkt sie sich.
"Nur wegen der Folie", sagt sie, "weil sonst die Pflanze keine Luft bekommt."
"Aha", sage ich, lasse das mit dem Luftbekommen mal so stehen und sage der Photosynthese, die ganz hinten in meinem Kopf aufgeregt hin und her hüpft, daß sie die Klappe halten soll, die Photosynthese.
"Und wegen der Kälte." Letzten Montag hatte es dreizehn Grad draußen. Und sehe ich wirklich doof genug aus, um eine Orchidee in den Garten zu stellen? Im Januar?
"Nicht knicken", sagt sie noch, und da weiß ich, daß ich noch dümmer aussehen muß, als ich gedacht habe.
"Ich verschenke sie gleich, wenn ich da bin", beruhige ich sie.
Wäre ich bloß zu meiner Tante. Die hat auch einen Blumenladen. Und viel mehr Pragmatismus: "Was kaputtgemacht? Oder willst Du nur ran? Rosen dazu?"
Wenigstens macht sie, weil sie das so süß findet, vom Preis noch was weg, damit ich mir die paar Liter Sprit überhaupt leisten kann, um zur Wohnung meiner Freundin zu kommen, zu Kreuze zu kriechen und heute abend nach dreitägigem Entzug endlich wieder ein warmes Essen zu kriegen. Oder wenigstens Sex. Sie schaut mich an, als wüßte sie nicht, ob sie das jetzt eben laut gedacht hatte.
Ich binde das Riesentrumm von Blume, das sich durch meinen verschleierten Blick immer wieder in einen Turm CDs oder ein Fässchen Superbenzin verwandelt, auf dem Beifahrersitz an. Beim Fahren muß ich immer wieder zu ihr rüberschauen und blinzeln, ob sie noch da ist, oder nicht mehr atmen kann und zu hecheln anfängt, Sie wissen schon, wegen der Folie, oder sich überhaupt auflöst und ich das alles bloß geträumt habe. Und so fahre ich dann auch, und da ist es dann kein Wunder, daß ich grade mal zweihundert Meter weiter von der Polizei herausgewunken werde, eine Blume auf dem Beifahrersitz angeschnallt, eine merkwürdiges Zucken im Auge.
"Verkehrskontrolle", sagt der Herr in grün zu mir, und steckt seinen Kopf durch das Fenster. Und zuckt zurück, knallt mit dem Hinterkopf gegen den Türrahmen und lässt seine Nase von dort an tunlichst aus meinem Auto. Denn statt der erwarteten Fahne gibt es Orchideenduft und - ich schaue über die Schulter - das Oeuvre von Stallkleidern und Gummistiefeln, die den Weg zur Waschmaschine noch nicht gefunden haben, aus der Kiste auf dem Rücksitz.
Ich selber bin glücklicherweise frisch gebügelt und geduscht, und Haare habe ich seit dem frühen Morgen sowieso keine mehr. Vorsichtig linst der Polizist herein, während ich schon nach dem Fahrzeugschein krame, der sicher verwahrt zuhause liegt. Aber ich zeige bei sowas immer guten Willen und räume mein Handschuhfach aus, den Atlas und die Warnweste, die Betriebsanleitung von Auto und Radio, und natürlich das Schmuddelheftchen, das auf der letzten Tour irgendeiner an der Tanke geholt hat, nur um damit auf dem Beifahrersitz einzuschlafen und es vor dem Aussteigen flink ins Handschuhfach zu schieben. Für schlechte Zeiten, sicherlich, und zuhause möchte man ja mit sowas auch nicht erwischt werden.
Ich staple alles sauber auf meinem Schoß, und daß der Atlas kleiner ist als das Heftchen, und die Betriebsanleitung sowieso, das hatte ich irgendwie schon gewußt. Ich packe es also obendrauf auf den Stapel und lächle mal vorsichtig aus dem Fenster. Bin ich überhaupt angeschnallt? überlege ich, und mein Gesicht wird sicher noch eine Spur unglaubwürdiger.
Der Polizist grinst und ich schwitze.
"Ärger mit den Damen?" fragt er verschmitzt.
Ich nicke, weil den hat man ja immer, irgendwie.
"Blumen kommen immer gut an", sagt der Polizist, und ich könnte Stein und Bein schwören, daß ich im selben Moment dasselbe gedacht habe. Nur irgendwie anders.
"Nun fahren Sie schon, sonst kommen Sie mir noch zu spät."
Ich nicke nur sprachlos, lasse die Scheibe hoch, und starte los.
Um was es eigentlich ging: Letzten Montag hatte es im Stuttgarter Talkessel Nebel. Zuhause war schönes Wetter. Und heute ist das sicher schon wieder so.
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