Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Mittwoch, 20. 09 06

20.09.06, 13:14 | '10000 lightyears from home'
Und gestern abend saß ich in dieser Küche, bei diesem rothaarigen Mädchen. Wir lachten, sie erzählte, schrieb, telefonierte, bekam Besuch, wir tranken und ich fühlte mich seltsam. Unwillkommen.
"Und dann sag´ ich noch zu ihm: Hör her, wenn Du mich nicht sehen willst, dann sag es einfach. Sag es, und ich verschwinde. Kann man diese Ehrlichkeit nicht verlangen?" Doch, kann man, sage ich, weil ich überhaupt nicht weiß, was man so verlangen kann, für nichts.
Kann man verlangen, Freund genannt zu werden? Oder wäre ein "Danke fürs Heu. Und nun hau ab." ehrlicher? Ich sehe nur Menschen, ich erkenne sie nicht.
Einen Beziehungsautisten hat sie mich einmal genannt.

Und sie erzählt von der Insel, vom Betrinken und vom Bedauern, Freunde für einen Freund belügen zu müssen. Ich spiele mit meinem Schlüssel, drücke auf Öffnen und Schließen und beobachte das orangefarbene Aufleuchten an der Hauswand gegenüber. Ich würde jetzt gerne die Steige hoch und hinunter jagen, würde schauen, was denn nach dem ruckelnden Schieben über die Vorderachse kommt.
"Du siehst so komisch aus. Normale Hosen, Schuhe, Haare, Brille - wo ist mein Texaner?" hat sie an der Tür gefragt. Da hatte sie selbst noch garnichts an. "Und Du riechst nicht nach Stall."
Doch, ein ganz klein wenig, denke ich und schiebe meine Hände tief in die Taschen. Handouts down to keep his pockets clean. Zu sagen weiß ich nichts.

Und jetzt, schreibenderweise, bin ich gezwungen, über diesen Abend zu urteilen. Unmöglich.
Alle so weit weg von mir. Sie erzählt, wie sie nach Reutlingen zu einer Freundin fuhr und mitten auf dem Marktplatz stand, als ein Felsbrocken vom Kirchturm brach. Ich bin mal mit der Presse durch die Fußgängerzone von Oberkochen geschlichen. Begeisternd.
Und in Reutlingen hat sie das schwarzgelockte Mädchen getroffen, das ich schon immer treffen wollte. Ich stand kürzlich nachts vor ihrem Haus, mit dem Fünffünfzehner. Ihren Vater habe ich getroffen, wohin mit den Siloballen, was ist mit Deiner Tochter. - Warum nimmt sie keinen wie Dich? Strange direction you´re riding to.

Oh, und wieviel los ist in nächster Zeit - die beiden (wir sind mittlerweile zu dritt) tauschen Kalendereinträge aus. Dort ein Fest, hier ein Geburtstag, und was machen wir jetzt mit unseren Montagabenden? Ich höre noch ein wenig zu, bin immer interessiert an dem, was andere Leben ausmacht. "Erzähl eine Geschichte von Dir", fordert er mich auf. "Vom letzten Sonntag."
Wieso Sonntag, will ich fragen, erkenne aber rechtzeitig die freundliche Hilfestellung, und halte die Klappe.
Sonntag, sage ich. Am Sonntag war niemand zuhause. Ich wurde zum Essen gezwungen, durfte reden und pflügen und acht Meter überm Boden, freihändig und ohne Netz eine Folie spannen. Achtzehn mal fünfzig, was haben wir gelacht. Dann kam dieses Gewitter auf, und ich mag diese Gewitter, wenn sie über den Rechberg hereinziehen. Und verwechselt haben sie uns aus der Ferne, den Vetter und mich, und das hat mich sehr gefreut, irgendwie. Später haben wir ferngesehen, in dieser Hütte mit ihren OSB-Platten. Und ich habe mich darauf gefreut, wieder am Ofen stehen zu dürfen, an der Bar, während es draußen schneit. Und daß ich zu einem achtzehnten Geburtstag eingeladen bin, und daß die Saison bald endet und wir auf Tour gehen werden, der Vetter und ich, immer auf der Suche.
Die beiden reden längst von etwas anderem, und ich habe auch beim Mittagessen schon aufgehört, zu erzählen. Über den Scherz mit den Schnitzeln und den Schlegeln könnten sie sowieso nicht lachen.

Und als ich in der Tür stehe; das Zeichen zum Aufbruch ist immer der Aschenbecher, den sie leert. Dazu muß ich aufstehen, damit die Schranktür unter der Spüle aufgeht. Und wenn ich dann schon stehe. In der Tür denke ich darüber nach, ob ich tauschen möchte. Mein Leben gegen eines der ihren.
Ich habe früher, nachts auf dem Heimweg im Fond sitzend nur so getan, als schliefe ich, und die entgegenkommenden Autos beobachtet. Und mich gefragt, was andere zu dieser Zeit auf die Straßen treibt. Und wie es wäre, einfach eine Stunde mit ihnen zu fahren. Ihr Zuhause zu sehen, ihre Stimmen zu hören, die abendlichen Rituale. Dann waren nur noch die Rücklichter zu sehen, und das nächste entgegenkommende Leben blendete mich.
Schon als ich am Fuß der Treppe bin höre ich von oben erneut Stimmengewirr und Gelächter. Die maßlose Verzweiflung über Personen, die mich nichts angehen; mehr noch: über die Handlungen, die mich nichts angehen, von Personen, die mich nichts angehen. Die unbändige Freude über Menschengeschichten, Lebensinhalt, Anzahl der Nummern im Telefonbuch.
Der Beemes blinkt mich an, viertürig, funktionieren drei der vier Türen überhaupt? I feel far away from you | So what else is new | The moon is closer to the sun than I am to anyone.
Sonores Brummen, ||: I need to breath and I'm not scared | but I don't know how it is | to be strong It feels like this | far too long | trying to get the pressure out of this song | so here I am | on my own | with my back on the wall | to be strong :|| .
# |  5 RauchzeichenGas geben