Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Sonntag, 2. 07 23

02.07.23, 10:54 | 'Heller als tausend Sonnen'
In einem dieser ewigen, augenblickskurzen Momente saß ich auf dem Beifahrersitz unseres alten Unimogs, der sich unter uns röhrend schüttelte, das Fenster heruntergekurbelt, den Arm in der sanften Zugluft, der Fahrtwind fuhr mir sanft durch die Haare und trocknete den Schweiß weg, und irgendein Glück zog mir die Mundwinkel bis zu den Ohren, und eine große Freude blähte sich in meinem Bauch auf und drängte nach draußen. Und ich sang vom Glück, im Ich und im Hier und im Jetzt zu sein, für diesen kurzen Moment.
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Sonntag, 14. 08 22

14.08.22, 18:52 | 'Heller als tausend Sonnen'
Über all der Datensicherei und der Umorganisation meiner physischen Datensicherung ebenso wie der darin befindlichen Strukturen kam ich auf den Gedanken, daß auch auf dem alten Telefon noch Relevantes sein könnte. Zwar habe ich beim Wechsel Dateien und Ordner gesichert und übertragen, aber die Datenbank meiner aufgezeichneten Radtouren wohl vergessen. Das Telefon liegt noch hier, und es fühlt sich reichlich nostalgisch an. Vielleicht war das aber auch nur der Staub. Auf der anschließenden Suche nach einem Ladekabel - der Standard hat sich zwischen dem alten und dem neuen Telefon geändert - fiel mir auch wieder ein, warum das alte Gerät weichen mußte. Es ließ sich schlicht nicht mehr laden. Ich wand es also in den Händen und pustete den Staub aus allen Öffnungen, als könnte ich es dadurch beatmen. Und wie ich so drehe und wende und puste, kommt es mich an, daß da einst noch ein Ladeanschluß war. Ein Magnetkabel, natürlich nur für dieses eine Gerät verwendbar, und darüber auch keine Datenübertragung möglich. Doch zumindest laden sollte ich doch noch...
Jedenfalls saß ich wenige Minuten später in einem Kabelhaufen, umgeben von zwei Kisten, die einst sinnig in "Geräte" und "Kabel" aufgeteilt waren, was ich beim schnellen Einsortieren aber nie sonderlich beachtet habe. Ich nenne es trotzdem Sortieren. Nun. Ich stelle also fest, daß ich noch mehrere alte kabelgebundene Kopfhörer von zweifelhafter Qualität besitze, die außer mir wohl niemand mehr haben wollte. Dabei kann man doch so toll Knoten dran studieren! Nach einigem Zerren und Ziehen begann ich zu überlegen, wer den Gordischen Knoten einst durchschlagen hatte, und was dagegen spräche, den gesammelten Knotenhaufen einfach wegzuwerfen. Gesagt, getan, und so kommt ein gutes Entrümpelungswerk zum endlich gefundenen Ladekabel. Alles gereinigt, alles verbunden, Startknopf.
Noch 81% Akku auf der Anzeige. Damit war der vorige Abschnitt schon mal für nix, das hätte mir wohl auch so gereicht. Nun also die App gestartet, und wie konnte ich auf diesem Bildschirm jemals etwas sehen? Jemals ein ganzes Wort, und das auch noch möglichst korrekt, auf diesem winzigen Tastenfeld eintippen? Was waren wir für Barbaren, für Höhlenmenschen, und ich nehme mir vor, einen alten Zeitungsbericht über dieses wunderbare Telefon zu suchen, um mich einmal darin zu suhlen, früher nichts gehabt zu haben. Wir hatten ja nix! Aber Akku. Akku hatte ich wohl immer, wie es scheint. Denn tapfer lädt das alte Kabel, glimmt die rote Lampe am Kopfende des Telefons, und bis ich mich zurechtgefunden habe in einer völlig veralteten Version der App, die meine Touren aufzeichnet, leuchtet die Lampe schon grün.
Exportieren, auf den schicken neuen Samba-Share hochladen. Und nun sitze ich hier und sehe, wie ich einst durchs Land geradelt bin. Eine Strecke suche ich heraus, von der Ostsee auf die Alb. Fünfeinhalb Tage war ich damals unterwegs, und von manchen Bildern träume ich in guten Nächten noch. Diese Woche werde ich also meine alte Strecke kreuzen. Auf der Schiene dieses Mal, denn wer hat schon die Zeit, das zu machen. Ganze Roman, wer soll das lesen, denke ich ja oft über meinen Notizen, und besonders, wenn sie zu Geschichten werden. So wenig Zeit, so viel zu tun. Und vielleicht habe ich hier in diesem Irrsinn alter Aufzeichnungen, für niemanden etwas wert und mir so hochgeschätzt, etwas gefunden, das ich ändern muß an mir und der Welt und der wundersamen Seltsamkeit, die immer noch dazwischen liegt.
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Samstag, 28. 05 22

28.05.22, 15:39 | 'Heller als tausend Sonnen'
Mit zwei Freunden gemeinsam und frei gelacht. Ein kostbares Geschenk, ein Grund zum Feiern gar.
# |  1 RauchzeichenGas geben

Montag, 2. 05 22

02.05.22, 17:36 | 'Heller als tausend Sonnen'
Ich bin von einem unverarbeiteten Tag ermüdet, mit gedämpfter Hintergrundaufregung einer langen Reise. Wie immer kurz der Gedanke, ich könnte es ja auch gelassen haben. Und wie immer fällt dieser Gedanke federleicht von mir ab, sobald ich ihn gedacht habe. Ein Glück, denke ich dann, und ein Glück ist es auch, daß ich noch nicht weiß, was ich in meine große Reisetasche zu packen vergessen habe. Stattdessen fällt mir ein, wie ich sie einst geschenkt bekam im Tausch gegen eine kleinere, halb zerfetzte Reisetasche in lila, die man mir nicht mehr zumuten wollte, oder sich selbst mit ihr und mir. Ich bewundere die Ruhe im Zug, die so gar nichts mehr mit dem Geratter und Geschaukel zu tun hat, die ich als studentischer Pendler noch erfahren habe. Die Fenster lassen sich nicht mehr öffnen, und im Tausch dafür ist der Wagen nun klimatisiert. Bei jedem Tausch, denke ich, muß man auch etwas hergeben. Und vielleicht ist das ja gar nicht so schlecht. Und so tausche ich auch einen gewonnenen Tag gegen eine Nachtfahrt ein, die ich nun antrete. In Nürnberg habe ich zwei Stunden Aufenthalt, und so zerre ich meine alte Tasche hinter mir her, meinen kleinen Rucksack auf dem Buckel, und mache eine sehr deprimierende Erfahrung mit dem ansässigen amerikanischen Schnellimbiss. Es gibt dort keine Toiletten. Das ist vom Ende gedacht, wie man so schön sagt, denn wer hielte sich heute noch an das ungeschriebene Gesetz, daß nur zur Toilette gehen möge, wer auch gegessen habe. Ich würge trotzdem ein Weilchen am amerikanischen Schnellfraß, der mich ebenso zuverlässig mit schlechtem Magen wie mit schlechter Laune hinterlässt. Unzufrieden stelle ich böse Betrachtungen über den Menschen als reinen Konsumenten an, der an Bildschirmen bestellt, mit dem Telefon bezahlt und selbst beim Hinunterschlingen keine zweite Hand benötigen mag. Ich bin dann doch sehr weit weg von diesen Menschen, die ich um mir sehe. Von dem, was sie tragen, von der Sprache, die sie sprechen, von allem, was sie bewegen und antreiben mag. Ich verlasse den Bahnhof in genau dieser zurückgezogenen, abweisenden Stimmung, und als mich ein Halbstarker so eben noch nicht anrempelt, überlege ich, ob ich damit allen Ärger nur an mich ziehe, statt ihn samt der Menschheit abzustoßen. Die kleinen Rollen meiner Tasche klappern über Steinböden, Beton, Straßenbahnschienen und Fahrbahnmarkierungen. Irgendwann kehre ich um und setze mich auf den Bahnsteig. Es ist frisch in diesem Frühling, und so nehme ich meinen Rucksack auf den Schoß und krame eben nach dem Taschenmesser, als mich eine mahnende Durchsage informiert, daß der Konsum von Alkohol auf den Bahnsteigen nicht erlaubt wäre. Ich horche ein Weilchen, doch die Ansage wiederholt sich nicht. Sie scheint also mir gegolten zu haben, und so lasse ich das Bier im Rucksack und werde es eine Woche später wieder mit nach Hause fahren. Aber das weiß ich ja auch noch nicht.
Irgendwann sitze ich dann auch im nächsten Zug, auf einem Notsitz im Gang, die Tasche zwischen den Füßen auf dem Boden, den Rucksack auf dem Schoß. Immer wieder nicke ich ein, immer wieder schaue ich auf dem Telefon nach der Uhrzeit, und mit steifem Nacken vergeht die Nacht. Nur den steifen Nacken, den hinterlässt sie mir. Irgendwo hinter Berlin stehe ich nun also vor einem Bahnhof an einer Haltestelle, und ich wundere mich ein wenig, daß ich mir so gar nicht verloren vorkommen mag. Ich habe drei Fahrkarten in der Tasche, von denen keine schon oder noch gültig ist. Ich kenne niemanden hier. Hier ist nicht mein Ziel, und doch. Ich scheine - neben ein paar Kleidungsstücken, aber das weiß ich ja noch nicht - auch meine Verlorenheit verloren zu haben. Ich bin einfach hier, und ich werde bald woanders sein. Freiheit ist ein seltsames Gefühl, denke ich, doch da taucht schon ein staubiger Wagen auf, und für eine Woche habe ich nun keinen Kopf mehr, um mir einen Kopf zu machen. Außer natürlich über Sandböden und den Ackerbau darin, über den Umgang mit lebenden und toten Tieren, über Traktoren und die verfluchte, kleine große Politik. Und irgendwann in dieser Woche sage ich ihn tatsächlich, den kleinen großen Satz, der mir irgendwann zu diesem Landstrich eingefallen ist. Da sitzen wir vor unseren Flaschen, nebeneinander wie stets, und ich schaue entweder durch das große Fenster vor mir über den Hausacker bis zum windzerzausten, gebeugten Wäldchen, aus dem sich abends das Wild bis vors Fenster schleicht, oder ich schaue durch das große Fenster neben mir, das im Wind manchmal ein wenig im Rahmen knarzt, über die Pferdekoppel hinab auf den Sandweg und dahinter ins Schilf, wo der Seeadler sitzen muß, und über den Bodden hinweg, wo auf der anderen Seite rote Lichter blinken. Ich sage das also, ohne aufzusehen, weil ich hier meinen Worten nicht hinterherschauen muß, nicht auf sie aufpassen, ihnen keine Richtung mehr geben muß. Ich sage das in meinem ganzen Abbild aus Staub und Dreck und blutiger Hand, aus meinem müden Körper und meiner ruhigen Seele heraus, daß ich heute so wie jedes Jahr erneut ein Stück meines Herzens hier im Sand vergraben habe. Ich weiß nun schon, was ich vergessen habe, und daß ich auch eine Woche ohne auskommen kann. Ich weiß noch nicht, daß dieses vergrabene Stück Herz nach meiner Rückkehr auf recht genau drei Kilo beziffert werden kann, und so kann ich noch gar nicht drüber lachen, daß ausgerechnet ich so ein großes Herz haben soll.

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Sonntag, 13. 03 22

13.03.22, 21:19 | 'Heller als tausend Sonnen'
Nach längerer Zeit wieder: die Saat. Ich beobachte den Wetterbericht und den Himmel, ich laufe über die vom Winter gebrochenen, krustigen Schollen und scharre mit den schweren Schuhen darin, die Hände in den Taschen, das Gesicht mit einer nachdenklichen Miene überzogen. Hafer diesmal, und weil Sommerungen so eine Sache sind, habe ich dazu auch meine Bücher zu Rate gezogen und Anbaukataloge gewälzt. Ich fahre mit der Maschine einige Meter in den Acker. Das bleibt nicht aus, es gibt keine theoretische Saat. Ich drehe vorn an einem Oberlenker, damit die Federzinken die Schollen besser brechen. Ich stecke hinten einen Bolzen anders, damit die Kreiselegge nicht so tief arbeiten muß. Ich drehe links und rechts an Spindeln, damit kein Korn an der Oberfläche liegenbleibt. Das mag der Hafer nicht, da er Bodenkontakt und Wasser braucht. Ich erinnere mich an die Tabellen aus den Anbauversuchen der letzten Jahre, wo immer vier, fünf Wochen zwischen Aussaat und Auflauf vergangen waren. Wie viel Ausdauer, wie viel Kraft in einem solchen Korn steckt. Ich fahre mit den Händen durch das Saatgut im Tank, und wie immer wische ich mir die Beize notdürftig an den Hosenbeinen ab. Kein Nasenbohren heute. Doch man vergisst so viel. Vorn ist der Boden fast sandig, trocken und fein, daß meine Walze tief einsinkt. Weiter hinten ist es lehmig und feucht, ein steiler Seitenhang. Wechselnde Bedingungen. Ich denke an die Knappheit an Getreide, die uns vorhergesagt wird, und ein bißchen schüttelt es mich vor den Salonlöwen, die mal eben schnell mehr anbauen möchten, das kann ja nicht so schwierig sein. Aber vielleicht muß man weit, weit zurücktreten und weit, weit über allem stehen, um wirklich eine Lösung zu sehen. Diese wenigen Hektar, die ich mir heute zusammenklaube, sie werden uns ja auch nicht retten können.
Ich schaue auf den Zähler der Fahrgassenschaltung, damit sich hier kein Fehler einschleicht. Davor bin ich gewarnt worden, und wie immer bastle ich mir einen Merksatz: Ungerade geht's der Heimat zu, sage ich immer wieder vor mich hin. Wie schön, wieder hier zu sein, hellt der Blick auf die Erde und in den blauen Himmel mein Gemüt auf. Irgendwo werden die Furchen breiter, man sieht, daß der Pflug ein wenig abgeschmiert ist, und an einer Stelle sehe ich selbst noch eine Pfütze Wasser in den Furchen stehen. Hier bin ich als Kind schon gewesen, habe stundenlang auf einem schmalen Sitz in der Kabinenecke den Scharen zugesehen, die unermüdlich die Erde wendeten, das Grün unterhoben und eine frische, feuchte Oberfläche hinterließen. Schon damals hatte ich die Hände in den Taschen und die Schuhspitzen im Boden. Festgefahren haben wir uns damals, genau hier muß es gewesen sein, da war dieser Flecken Erde noch weit draußen, versteckt am Rande eines vergessenen Tals. Ganz unten ein Bachlauf, ein paar Bäume bildeten ein kleines Wäldchen. Dann Tod, dann Wandel, aber immer Leben. Eine Gasleitung hat man hier gegraben, und ich habe wieder hier gepflügt und gesät. Dann eine Straße, eine Autobahn, sie schneidet durch die Hügel und überspannt die kleinen Täler. Man kann hier sehr schnell von dem einen Stau zehn Kilometer links zum nächsten Stau zehn Kilometer rechts fahren, und ich selbst mache das auch regelmäßig ohne große Begeisterung. Ich bin nie angekommen, denke ich dann, in dieser Art des Erwachsenseins, in dem man zur Arbeit fährt, um sich in ein Gebäude zu setzen und weltferne Dinge zu tun. Nun säe ich hier wieder aus, unter ganz anderen Vorzeichen, aus einer anderen Richtung kommend. Dem Acker ist das gleich, und vielleicht muß man den Boden deshalb über Jahrzehnte pflegen, kennen, lieben lernen. Er antwortet nicht, oder nur in einer Sprache, die so viel langsamer ist, daß es ein Leben braucht, um sie verstehen zu lernen. Wann mein Opa genau diesen Acker unter seine Hände genommen hat? Ich weiß es nicht, ich werde vermutlich auch niemanden mehr finden, der es noch weiß. Die alte, ungeschickte Grenze mit dem ungeschickten Eck wurde längst und zum guten Glück begradigt, und vielleicht verschwindet einst auch die Pfütze in der Furche. Das Wasser findet einen Weg, das Leben auch. Fünf Wochen soll ich nun warten, auf Regen und auf Wärme hoffen, auf Sonnenschein und das rechte Maß dazwischen, bis ich die kleinen Pflänzchen sehen darf in ihren Reihen, heraus aus ihren Betten, dem Himmel entgegenstrebend. Ich bin, so fällt es mir ein, trotz besserem Wissen die erste Bahn auf links gefahren, wo das Spornrad der Sämaschine ständig droht, im leeren Raum der ersten Furche stehenzubleiben. Ich bin langsam gefahren und habe der Kreiselegge Zeit zum Verteilen gelassen und dem Rad zum Greifen in der Erde. Ob es reicht, oder ob ich schmachvoll verdächtig blanke Streifen sehen werde? Fünf Wochen. Erde auf den Schuhspitzen, die Hände in den Taschen, die nachdenkliche Miene mit dem Wetterfrosch im Genick. Staub knirscht zwischen meinen Zähnen, und in der Nase gebohrt habe ich wohl doch einmal, ganz ohne es zu merken. Das Radio habe ich auch vergessen, und wie immer mit mir gehadert, gerechnet und geschätzt, die Bahnen gezählt und zu sehen versucht, ob das Saatgut reichen wird, ob wir richtig eingestellt haben und richtig gelesen und richtig gewusst und richtig gemacht. Und richtig gehofft, am Ende des Sommers. Als ich ein letztes Mal die Maschinen aushebe, den Motor drossle, abspringe und um das Fahrzeug laufe, klaube ich hier und dort einen Klumpen Erde weg. Ich habe, fällt mir ein, nicht einmal drüber nachgedacht, ob man mich sehen würde. Ich war mir einfach sicher, gesehen zu werden. So stark waren eure guten Willen, daß ich mir ihrer heute noch sicher bin. Daß ihr mich seht. Wir werden sehen, so Gott will.
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Samstag, 29. 01 22

29.01.22, 15:14 | 'Heller als tausend Sonnen'
Einen Abend mit der Lieblingsmusik verbracht. Es bleibt ein Wunder, und ich hoffe, daß jede Generation dieses Wunder mit ihrer Musik erleben darf.
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Mittwoch, 15. 12 21

15.12.21, 10:45 | 'Heller als tausend Sonnen'
Wie unglaublich wohltuend die morgendliche Stunde auf dem Rad ist. Die Haut prickelt frisch nach der Bürodusche, und die zuletzt gewälzten Probleme, wenn sie denn technischer Natur sind, haben wie von selbst neue Ansätze zu ihrer Lösung hervorgebracht. Nur noch technische Probleme zu wälzen, nur noch so viel arbeiten, daß die Stunde auf dem Rad nicht geopfert wird.
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Mittwoch, 14. 07 21

14.07.21, 22:52 | 'Heller als tausend Sonnen'
Vielleicht ist es ein Zeichen des Erwachsenwerdens, vielleicht ist es das Erwachsenwerden selbst, daß ich mich nicht mehr so oft fallenlasse, nicht mehr so oft suhle im Glück, daß ich mir verweigere, was mich aufwühlt und mich begeistert, und so formuliert klingt das völlig irre. Trotz allem sitze ich dann doch allzu oft in der Stille und arbeite vor mich hin, statt mich in Wasser zu werfen, über die Hügel zu radeln, Fels zu spüren, sitze still, statt zu hören, zu wippen oder zu singen. Es fällt mir dann wieder ein, daß es ein Glück ist, ein unschuldiges und in einer Mietwohnung nicht einmal ohrengefährdendes Glück, die Musik zu hören, die mich schon immer mitgenommen hat, die mich auf Wellen getragen und darunter begraben hat. Erwachsenwerden ist Sterben, denke ich dann, und Sterben ist Appetitlosigkeit am Leben. Mehr singen also, und irgendwie auch mehr arbeiten. Die Zeit füllen mit mehr Glück, als wäre sie ein Sieb, durch das die sandigen Minuten rinnen und das die goldenen Brocken der Momente bewahrt.
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Dienstag, 1. 12 20

01.12.20, 14:05 | 'Heller als tausend Sonnen'
Da ein Kollege Geburtstag hat und sich demnächst zurück in die Heimat verabschieden wird, war der Plan, zwei Bier mit ins Büro zu nehmen und die auf dem Parkplatz zum Feierabend gemeinsam zu trinken. Nun ist es aber so, daß ich mit Bier nicht Autofahren möchte, und außerdem war Schneechaos vorhergesagt. Zusammen gute Bedingungen für einen weiteren Büroradeltag über die Alb, für die erste weiße Line der Saison, wenn auch nicht auf den Tourenski, sondern auf deutlich zu schmalem schwarzen Gummi. Da sich nun in diesem Jahr mein Geschick beim Radfahren schon in mehreren zerfetzen Hosen, blutenden Wunden und schmerzenden Gelenken geäußert hat, hielt ich es für angebracht, auf Dosenbier auszuweichen. Ab und zu, so einmal im Jahr, habe ich darauf noch Lust und hoffe gleichzeitig, daß zwei jährliche Dosenbiere eher eines meiner größeren Umweltvergehen darstellen. Außerdem bricht eine Dose nicht gleich, wenn man sie im Rucksack trägt und samt Fahrrad darauf fällt. Fragen Sie nicht, woher ich das weiß, aber Flaschen brechen bei solchen Aktionen völlig grundlos und geben ihren Inhalt samt tausender Scherben an meine frische Unterwäsche ab. Um im Büro eine frische Unterhose tragen zu können, habe ich also Dosenbier gekauft. Kausalketten, so wichtig. Ob es eine richtig gute Idee war, daß zur Sicherheit der Kollege auch Bier gekauft hat, daß ich aus Lustgründen auf Bockbier ausgewichen bin und das alles bewußt in das erwähnte Schneechaos samt einem wilden Fahrradritt über die rauhe Alb zu kombinieren, wird sich heute abend noch zeigen. Man fällt ja doch eher weich im tiefen Schnee, denke ich, und mit zwei Bieren ist eine Schmerztablette ja quasi schon im Voraus eingepreist. Davon habe ich vor wenigen Wochen immerhin auch meine erste genommen, sorgsam halbiert und wegen möglicher Nebenwirkungen erst im Büro eingenommen, während ich auf der morgendlichen Fahrt noch mit dem Tempomaten fahren mußte, weil ich keinen Fuß auf ein Pedal bekommen hätte. Andere Geschichte. Jedenfalls also war ein zweiter Grund für den Besuch im Supermarkt der Auslauf, der mir abends etwas fehlt in diesen Zeiten voll sitzender Arbeiten, und ein fehlender Adventskalender, fragen Sie nicht. Dosenbier und ein Adventskalender also, und nach ersterem fahndete ich im neugestalteten Marktlabyrinth ganz erfolgreich, während ich zweiteres vergeblich suchte. Ob ein Grund statt im bereits erwähnten Labyrinth vielleicht in meiner eher ungünstigen Zeitplanung zu suchen wäre, darüber möchte ich gar nicht so genau nachdenken. Man kann schließlich nicht alles planen, und vom ersten Advent war ich tatsächlich und ehrlich völlig überrascht. Leider habe ich daraus nicht den üblichen Kalenderschluß gezogen, aber was will man machen, wenn in diesem Jahr die Dörfer nicht nach ausgekotztem Glühwein stinken, es ist ja alles anders als noch sonst. Der freundliche Verkäufer, den ich, Dosenbiere balancierend, befragte, schickte mich also zu einem Tisch, einem richtigen Wühltisch mit schweren Beinen und einem halbhohen Gitter, in das der geneigte Wühler zurückwerfen kann, was ihm dann doch nicht passen mag. Dort Kalender, davon mehrere bedruckt mit dem Logo eines Fußballvereines, was mir thematisch nicht ganz einleuchten mochte, und der falsche Fußballverein war es dann auch noch. Außerdem hätte man angesichts meiner Verachtung für den Profifußball und seine Werbemechanismen wirklich nur noch einen Panikkauf vermuten können - einen Tag vor Toresschluß erst draufgekommen, und wer eine solche Verzweiflungstat vermutet hätte, er hätte allzu richtig gelegen. Von einem anderen Kalender gab es noch mehrere Exemplare, groß und schwer und teuer lagen sie da, mit den Stirnseiten nach unten aufeinander, aber zumindest der Rücken zeigte sich weihnachtlich mit Schnee und Sternchen, und ich halte mich in solchen Dingen ja an den allgemeinen Marketingcodex, auch wenn ich gern wüten würde, daß längst ja kein Schnee mehr liegt. Ging aber nicht, denn Schneechaos. Also den Kalender mit schmerzendem Blick auf den horrend ausgezeichneten Preis aufgestellt und mitgenommen. Kurz vor der Kasse ein Blick auf die Front und großes Glück: Ein Adventskalender für Hunde, stand klein darauf zu lesen. Bei allem Humor und aller Liebe - nein. Es wäre gar zu peinlich geworden. So stand ich dann, hin- und hergestoßen zwischen Hundeplätzchen und Fußballvereinen, und habe ich heute schon über Kausalketten gesprochen? Also kein Kalender, stattdessen eine weihnachtlich verpackte Schokoladentafel, korrekt mit Schnee und Sternchen und für mich Idioten zum doppelten Preis einer normalen Tafel. Von mir aus, und so radelte ich also heute morgen bis zum Berg, den ich schiebend alsbald erklomm, rodelte samt Rad auf der anderen Seite hinab, und nun freue ich mich auf das Bier mit dem Kollegen, auf den Schnee auf der Zunge und nicht zuletzt darauf, herauszufinden, ob das alles nun wirklich eine gute Idee gewesen sein wird.
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Dienstag, 29. 09 20

29.09.20, 11:29 | 'Heller als tausend Sonnen'
Diese Änderung der Jahreszeit kam abrupt. Kalt und regnerisch ist es geworden, und es wird nicht nur schlimm früh dunkel, sondern auch schneller als im Sommer. Die Dämmerung hat sich verändert, und es wirkt, als könne die Sonne ihr Verschwinden kaum erwarten, und die Farben bekommen es einfach nicht mit. Noch eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang leuchtet ein Streifen Himmel wild orangefarben, der Rest in allen Blautönen, daß man das Weiß sogar für einen solchen Blauton halten möchte. Die Häuser leuchten noch hell, die Dächer etwas dunkler, und auch das Laub wird dunkelgrün, wo es nicht schon gelb und rot geworden ist. Vielleicht ist das nur eine Minute, aber in dieser Minute möchte ich draußen sein und mit offenem Mund schauen und mich schämen, daß ich die Schönheit dieses herbstabendlichen Farbenspiels nicht im Ansatz beschreiben kann. Welch Wunder, welch ein Grund, zu stehen, den Mund offen zu halten und zu schauen, mit dem verflochtenen Gefühl aus Glück und Demut vor so viel Erhabenheit und Teilhabe.
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