Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Montag, 12. 08 13

12.08.13, 12:09 | 'Das Auge des Betrachters'

Nach einer Woche mit Couch sage ich: man kommt ja nicht zum Liegen. Aber der Ausblick ist prima.

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Freitagabendlicher Verwaltungskram.

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Ihr schreibt mir einen Brief, in dem steht, daß ihr nun anfangt, Gebühren zu erheben. Weil ich jetzt neunundzwanzig sei.
Was mich stört ist eine Bank, die mein Alter kennt, aber trotzdem einen falschen Standardsatz verwendet. Dafür die ausgedruckte Unterschrift irgendeines Kundendienstleiters. Was mich richtig ärgert ist eine Bank, die mir fast wöchentlich Werbebriefe mit Prospekten schickt, es aber bei einer Gebührenerhebung nicht fertigbringt, eine Aufstellung eben dieser Gebühren beizulegen. Und nur wenn man mich ärgert, bringt man mich dazu, mich um Verwaltungskram zu kümmern.

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Lächelnd gehe ich in die Dorfschenke, die jeden Sommer für ein paar Tage geöffnet ist. Ich trinke ein Bier, und als sie um mich betrunken werden, gehe ich gutgelaunt nach Hause. Ich muß ja nicht wie ihr sein, nur weil ich auch hier bin.

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Menschen machen Heimat, denke ich auf dem Heimweg.

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Daß es noch ein paar gibt, mit denen man sich verabreden kann. Tage im Voraus, minutengenau. Um kurz vor sechs bin ich unterwegs.



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Kurz vor zwölf sind wir auf dem Heimweg, und zu Mittag sitzen wir auf einer Bank. Ich gebe eine Runde aus, trinke eines mit, und die Wärme macht mich sehr heimelig.

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Lektionen in Demut. Was das nasse Frühjahr und der Hagel verdorben haben, mulche ich jetzt. Ich denke an die Tage, die ich mit Pflügen verbracht habe. Mit der Saatbettbereitung, mit dem nächtlichen Säen. All die Säcke und Eimer, die ich geschleppt habe. Du kannst Dich noch so anstrengen, Du hast es nicht in der Hand, denke ich. Und jedes geschundene Pflänzchen prägt mir das noch einmal ein.

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Ich möchte noch etwas Schönes tun, sage ich zum Bauern. Der nickt.

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So tue ich dann auch.

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Müde bin ich, und schaue trotzdem noch in der Zeltstadt vorbei. Da sind Tätowierte und Betrunkene und irische Musik. Ich lache und sitze am Feuer, und dann finde ich rechtzeitig den Heimweg.

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Frühaufsteher. Die Nachbarn lachen, als ich mein Auto putze. Einmal jährlich, sage ich. Dann trage ich allerhand zusammen, kümmere mich um einiges, und am Ende passen die Zeiten so gar nicht zusammen. Stattdessen sitzen wir bei Salat und Getränken auf dem Marktplatz, ich höre einen wundervollen französischen Akzent, und irgendwann verabschieden wir uns.

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Benztown, here I come, schreibe ich, und ganz weit weg lacht eine mit mir.

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Morgen werde ich werkeln. Nachtisch basteln. Und ein Regal. Ein Licht. Allerhand, was so passieren kann.

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Wir freuen uns auf unsere drei K, und das sagen wir uns mehrmals täglich.

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Die Prinzessin im Stadtschloss.

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Im Bett ein Kinderbuch, und meine Freude ist kindlich. Die Nacht ist lang.
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Montag, 5. 08 13

05.08.13, 15:05 | 'Das Auge des Betrachters'

Vor dem Start noch schnell auf die Waage.

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Eine alte Band spielt neue Lieder, und ich singe lauthals mit: "Freunde sein war gestern!"

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Am Sonntagmorgen kann man das Gewitter schon sehen.

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Ich stehe im Silo, als es anfängt. Wind. Sturm. Hagel. Ich jongliere den Mischwagen in den Stall und wundere mich, daß keine Scheibe durchschlagen wurde. Nur meinen Kopf, den ich zum Rangieren aus dem Fenster halten muß. Ich hechte über den Hof, öffne die Dohlendeckel, zerre die Körbe aus den Schächten, schleife Sandsäcke vor die Türen. Am Ende stehe ich da, durchnässt und mit blaugeprügeltem Rücken, und das Wetter beruhigt sich. Nach der Felderschau trinken wir ein Bier und sind sehr ruhig. Auf dem Tisch tropft es in einen Eimer.

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Einkauf. Großeinkauf. Weil Material mich treibt, es zu nutzen.

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Während in der Stadt der Heustadel absäuft, seile ich mich in die Berge ab.

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Stroh fahren.

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Nächtliches Holzstapeln.

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Früh starte ich am nächsten Morgen, mit einem Hänger voller Paletten in die große Stadt. Und es gibt so Tage, an denen ich gute Laune verbreiten muß, wo es der Gutgelaunten nicht mehr gelingt.

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Mittags grillen wir, und ich schlafe am Tisch ein, ihre kühle Hand auf meinem heißen Arm.

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Wir baden uns unter dem Handbrunnen.

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Abends noch das bißchen Restweizen einfahren, das uns der Hagel gelassen hat.

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Zu müde für Geburtstage.

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Sonntagmorgenklettern.

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Sonntagmittagessen bei der Patentante, weil so für ganz voll nimmt mich ja immer noch niemand.

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Sonntagmittagsklettern in der großen Stadt. Dann sitzen wir lange, ich liege unterm Hund begraben, der mich über beide Ohren ableckt, und lache.

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Ich verziehe ihn, Du erziehst ihn.

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Wir sollten mal von uns reden, denke ich.

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Auf der Fahrt verschenke ich einen Stein. Dabei schaue ich konzentriert auf die Straße, damit ich nichts anderes anschauen muß.

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Die zerschrammtesten Beine der Welt.

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An jeder Hand sind mir die äußersten beiden Finger eingeschlafen und wachen nicht mehr auf. Ich klopfe sie vorsichtig an den Sandstein. Hilft nicht.

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"Wollt ihr auch gleich rein?" fragt der Nachbar, als wir lang am Tor stehen. Nein, sage ich schnell, es ist schon spät.

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Und daß man mein Nichtbedrängen auch als Nichtwollen deuten könnte.

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Du hältst mich wach, schreibe ich, und Du schreibst vom Sand, den Du in meine Augen streust, aber da bin ich schon eingeschlafen.

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Deine Stimme.

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Der Unterschied zwischen Vorstieg und Nachstieg, und was der Kopf sonst noch so mit dem Körper macht.

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Slowenien. Südtirol. Linz. Israel. Was für ein Herbst.

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Was mir gefehlt hat.
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Mittwoch, 5. 06 13

05.06.13, 11:27 | 'Das Auge des Betrachters'
Wir sitzen dann lang in dieser Kneipe, und ich schaue immer wieder zu dem DJ hinter der Theke, der sich als einziger an seiner Musik zu freuen scheint. Dann laufen wir durch den Regen, warten auf die Busse und steigen schließlich ein. Ich sitze ganz hinten und schaue durch die Heckscheibe in Deinen Bus. Blöd, schreibst Du, und ich schiebe das Telefon wieder ein. Morgen werde ich mich mit einem leeren Akku herausreden.

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Ich bin nur ein paar Stunden im Bett, dann zwickt mich die Helligkeit in die Augenlider und ich fahre nach Hause. Es dauert dort immer einen Tag, bis ich dort wieder den richtigen Schlüssel greife. Und wieder einen Tag, bis ich hier wieder den anderen aus dem Mäppchen ziehe.

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Ein freier, verregneter Tag, und ich hätte gern mehr gearbeitet. Überhaupt wäre ich gern effizient und effektiv. Arbeitskraftmaschine.

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Wie oft ich es schaffe, mit der Bahn in die Stadt zu fahren. Und wie selten ich es zu´Hause schaffe, wo es keine Bahn gibt. Und das liegt nicht an der Bahn, sondern - ich weiß doch auch nicht, was das mit mir macht. Unruhig bin ich hier wie dort.

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Werkstattarbeit. Ich mag die Einteilung am morgendlichen Kaffeetisch. Ich mag es, einen Chef zu haben, der ansagt und der machen lässt. Richtung geben, laufen lassen, und das Lachen nicht vergessen.

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Aus eins mach zwei.


Und man glaubt gar nicht, wie man sich da verwinden muß, wenn die Scheibe nicht zwischen den Stegen durchpassen will, und dann nehme ich dann doch den kleinen Schleifer, mit einer unzulässig großen Scheibe und ganz unzulässig ohne Schutz und mit ganz unzulässigem Dauerschalter, und als ich eben so im Funkenregen stehe, marschiert der Bauer durch die Werkstatt, lacht und geht wieder.

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Schweißarbeit, und ich fotografiere auch mal misslungene Nähte.


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Stallarbeit, und als meine Runde draußen beendet ist, lege ich Schurz und Stulpen und Handschuhe an, und dann stehen wir da, ich im kurzen Hemd, der Vetter im Overall, sonst grün und blau uniform, und der Bauer kommt herein und lacht den beiden Melkern zu, die sich nur knapp abstimmen, ein Nicken für den Knopf, der die Damen wieder freigibt, und dann steigt einer nach draußen und treibt, während der andere vorn schon anfängt. Und er schaut sich dieses parallele, ineinandergreifende, fast wortlose Arbeiten an, lacht laut und verabschiedet sich mit knallender Tür. Irgendwann machen wir noch die Runde, die Lichter erlöschen, und dann nicken wir uns zu im Regen. Bis gleich. Bis gleich.

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Wir sitzen da ohne Theke und ohne frisches Bier, dafür mit Fußball, was es nicht viel besser macht, und es echauffiert sich eine, und ich würde ihr zu gern sagen, daß das hier so ist, daß die Vereine sich keine Konkurrenz machen, und daß man das sicher nicht verstehen kann, wenn man ein Anhänger dieses anderen Vereins ist, aber dann lasse ich es lieber, solange mir kein besserer Spruch einfällt, und das ist ja doch nie.

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Im Zelt ein Alleinunterhalter. Das ist nicht schlimm. An der Theke einer, der da mit seinem Sohn steht. Hinter der Theke einer, der sich gern mit einem schweren Motorrad zeigt. Der Vetter und ich drehen auf dem Absatz um, machen den Fuchs, wie man hier sagt, und auf dem Heimweg schaue ich in den Bach, der jetzt brüllt und rauscht und immer wieder an die Brücke schmettert.

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Meine Lehre zum familiären Hefezopfbäcker.

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Mein Auto verleihe ich schnell und nach kurzem Durchatmen. Wird schon nicht so schlimm sein.

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Und dann sitzen wir da, noch heiß von der Anstrengung und naß von der Dusche, und trinken noch eins und bitten an der Theke um Butter, und wir reden uns die Köpfe noch heißer über die Welt und das, was sie wohl von uns will, was wir selber wollen, und so geraten wir irgendwie zu Schönheitsoperationen, und mit solch Schönen lässt sich darüber so trefflich reden.

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Und sie schneidet sich ein Stück ab, als sie geht, wegen der Frühschicht und dem bißchen Schlaf, das auch ein Supergirl eben braucht, und dieses Stück ist größer als ihre Hand, und sie wird ein wenig rot, weil das so groß geraten ist, und sie zupft eine Faser ab und isst sie gleich, und daß es ihr so schmeckt, das freut mich sehr.

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Die Faltencreme und die Lachfalten.

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Wie aufmerksam sie ist. Wie sie sich Aussagen gemerkt hat. Wie sie reagiert. Wie offen sie ist, und was "direkt" eigentlich bedeutet, wenn einen diese dunklen Augen anfunkeln. Und wie es mich so gar nicht mehr stört, ihre Wärme durch unser beider Hosenstoff zu spüren, weil diese Wärme nicht mehr fremd ist, sondern vertraut und erwünscht, und manchmal würde ich das gern sagen können, ohne daß immer alle meine Gedanken lesen müssen. Wo die doch so verworren sind. Und dann zeige ich noch die Schweißnaht, weil ja doch nie einer versteht, was ich so mache, wenn ich nicht da bin, und dann sehen wir alle plötzlich die Nacktheit, gleichzeitig und lachend, und das nehme ich mit auf meine lange Nachtwanderung, mit großem Rucksack und großer Tasche und nur noch kleinen Resten vom Hefezopf.
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Montag, 25. 02 13

25.02.13, 12:22 | 'Das Auge des Betrachters'
"Sie müssen sich doch auch mal was sagen lassen," poltert er und weiß wahrscheinlich selbst nicht, ob er jetzt wütend ist oder amüsiert über den Eifrigen, der seine Ideen vor sich herträgt.

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Die letzten Kilometer auf dem Heimweg sind die schlimmsten. Die langsamsten. Die verzweifeltsten. Dann die Ortstafel. Die ersten Häuser. Wie von selbst rezitiere ich mir ihre Geschichten. Dort habe ich Bohrer geschliffen. Aus diesem Fenster geschaut. Hier wohnt jener, gegenüber eine andere. Ich fahre weiter, biege im Ort ab. Stehe auf dem Hof, als es eben dunkel wird. In der Einfahrt eine dünne Schicht Schotter auf dem Eis. Für das Milchauto, für den Futtermischwagen. Ich stürme den Melkstand und atme den Duft von Kühen, von Milch und von Mist. Süßliche Euterpflege, scharfe Reinigungsmittel. Ich bekomme ein paar Spritzer auf meine gute Jacke, und genau so soll das. Der Bauer lacht. Zwei Samstage sollte ich haben, sage ich zu ihm, und er lacht wieder. Geh, sagt er.

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Und dann sitze ich da mit einem, der müde aussieht nach der Woche, wie ich auch und doch so anders, in einem anderen Leben, mit ähnlichen Meinungen und anderen Ansichten, und sie begrüßen mich verschnupft von fern oder gesund von nahem, so sind sie hier, achten auf andere und räumen schnell die ganzen Schuhe weg, als ich mich auf den Boden vor die Dose mit all den Kabeln setze. Und dann sind da die verschiedenen Stecker, und sie müssen doch drucken, und für einen Adapter ist es jetzt zu spät am Abend. Also versenke ich mich in Netze und Subnetze, und alles bitte so, daß sie den Adapter einfach einstecken können und sich alles in Wohlgefallen auflösen möge. Nun.

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Zum Pflügen ist es dann zu spät, also fleddere ich noch ein wenig die Briefe, die ich immer liegenlasse. Bedanke mich für Einladungen, bezahle Rechnungen. Sortiere Papiere, die ich ja-nein-weißnicht-vielleicht noch einmal brauchen werde, nach einem System, das sich irgendwie ergeben hat, und das ich selbst nicht ganz verstehe.

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Ich bin früh wach. Der kalte Motor ist mit sich selbst beschäftigt, poltert mühselig weißen Rauch in den Tag. Ich stelle den Pflug ein, Oberlenker vorne im Langloch, Hubstreben kurz, all das. Ich hebe das Tonnengewicht an, die Fuhre pendelt sich aus. Die Reifen drücken sich flach an den Boden. Dann los. Zum Mittag bin ich wieder da.

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Und selten, daß sowas passt. Ich bin ja immer der, der fertigmacht. Der hier noch schnell und dort noch kurz, weil man ja sonst noch einmal fahren muß.

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Glück muß man sich erarbeiten, denke ich dabei. Glück muß man wollen. Glück muß man annehmen. Und als ich die Wühlmaus sehe, die in den Reifenspuren springt und sich seitlich in den Schnee gräbt, auf der Flucht vor den Vögeln, die aufmerksam auf den frischen Furchen sitzen, da genehmige ich mir Glück. Ein Glücksmoment mit Wühlmaus und Milan und Wintersonne.

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Futter laden, und draußen ist ja immer Kuddelmuddel. Sind die Abläufe schwieriger, mit mehr Abhängigkeiten versehen. Hier ist ein Weg blockiert, dort eine Mischung schon geladen, und hier kündet eine Hupe vom kochenden Kühlwasser. Manchmal wäre ich ja lieber Melker, lache ich, als ich mir die verbrannten Finger im Schnee kühle, und das meine ich ja nicht so.

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Der perfekte Stammtisch. Unser Lachen. Unsere Einladungen. Freund, sage ich, die Hand auf seiner Schulter, hab vielen Dank. Und er lächelt knitz und freundlich, wie man Menschen anlächelt, mit denen man zusammengeboren wurde, aufgewachsen ist, und mit denen man weitergehen möchte.

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Ich möchte alles auskosten hier. Dieses Leben schlürfen.

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Endlich wieder Kühe, schreibe ich ihr, und es kommt ein Grinsegesicht zurück. Von manchen reicht das.

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Der Sonntagmorgenbesuch bei unserem Häuptling, meiner Oma. Stress, sagt sie, Stress ist ja für andere. Du hast dafür ja keine Zeit. Und dann schauen wir die neuen Bilder an, von überall auf der Welt, und freuen uns daran.

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Kekse backen, und eines weiß ich sicher: Ich möchte dereinst einen großen Backofen haben, und das ist die erste definitive Aussage über mein Leben seit langem. Ein großer Backofen. Es braucht ja nicht viel für mich.
Das ist ja die eine Seite des Tricks: nicht mehr zu brauchen, als man hat. Und andererseits: was man hat, auch zu gebrauchen.

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Um zehn vor vier stehe ich da und warte auf den Tierarzt. Höre mir Bruchrechnen an; Punkt vor Strich, Hauptnenner, all das. Und sage mit gutem Gewissen, daß man das wirklich brauchen kann.

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Um vier kommt der Tierarzt. Frisches Stroh, heißes Wasser, Stricke. Die Spritze fällt das Tier wie einen Baum. Wer die Wirkung von ein paar Millilitern klarer Flüssigkeit einmal gesehen hat, schaut seine Hände, die unbesiegbaren, und seine Beine, die standhaften, und seinen Willen, der all das kontrolliert, doch ganz anders an. Betäubungsmittel als Gottesbeweis, denke ich, aber zu mehr komme ich nicht. Wir wuchten das Tier auf den Rücken, und jetzt würde ich gern die ganzen Tierschützer sehen. Das Fingerschnippen an der Bauchhaut klopft einen Takt. Repositionierung ohne Fixierung, sagt der Tierarzt, und böse bin ich darum nicht. Brustlage also, und mit Mühe zwinge ich die schlaffen Hufe unter den Körper. Morgen noch einmal, sagt er, und ich nicke, bis es mich trifft: morgen ohne mich.

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Wie er die Ruhe bewahrt und die lachende, bärige Gelassenheit, mit der alles zu bewältigen scheint: der Radlader läuft nicht recht, der Mischwagen wird heiß, und irgendwer muß jetzt melken. Und dann stehe ich da, mit grünem Overall und Stiefeln, blauem Schurz und Stulpen und Handschuhen, mit Mütze und kalten Zehen. Ich bin ruhig auf dem Laufhof, ich kann das hektische Scharren von Hufen nicht hören. In der Grube wirble ich, und muß doch zwei, drei Mal rennen und fragen. Die Frischlaktierenden, die Sorgenkinder, die Hochlaktierenden und dann die zweite Garde. Zwischendurch schlurfe ich über den Hof, der Schurz schlägt mir an die Beine, und plötzlich sind da noch zwei Kälber, Hallo Welt! schauen sie verdutzt, und ich nehme die beiden Damen gleich mit zum Melken.

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Leuchtende Schneeflocken im kalten Schein der LED.

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Das Sehvermögen der Tiere.

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Singen im Melkstand. Rote Streifen vom Euterpflegemittel auf meinen Wangen.

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Es ist spät, weil wir nicht eingespielt sind in diesen Positionen. Ich bin ja hier nie Melker, und umso mehr bin ich stolz.

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Zweihundert nochmal, sage ich laut, obwohl mir jetzt schon die Schultern schmerzen.

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Am Mittag habe ich noch von unternehmerischen Landwirten gelesen, und den unterschiedlichen Zielen, die sie und ihre Mitarbeiter haben. Diese Schreiberlinge haben nichts verstanden, denke ich. Nichts von Landwirtschaft, nichts vom Familienbetrieb, vom Familienanschluss. Nichts davon, wie der Älteste mit roten Augen vom Skifahren erzählt. Die mittlere mit glühenden Augen und hellem Lachen die Tasche in die Ecke feuert. Der kleinste vom Häckseln träumt, weil der Winter schon so lange geht.

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Im Jugendhaus noch eins, mit den Kleinen und den Großen. Einer mit Gipsfuß und zig Brüchen.

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Dann am Telefon eine ferne Stadt. Ein fernes Leben. Burn-out sagt sie, und ich weiß, daß sie das glaubt. Sie erzählt von Whirlpools auf Dächern, von Champagner und Yachten. Meine Hände riechen noch nach Melken und Kuh, und ich höre ihr ruhig zu, bis sie schlafen kann.
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Freitag, 22. 02 13

22.02.13, 23:47 | 'Das Auge des Betrachters'

Für die Füße ist Skifahren freilich eine Schinderei.


Für Männerfreundschaften, bei denen im Bett gemeinsam Dosenbier getrunken wird, ist Skifahren freilich ganz groß.


Je nach Sonnenstand waren wir in der Schweiz.


Oder in Österreich.


Und wenn man die Bilder sauber schneidet, ist auch sonst niemand drauf.
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Montag, 14. 01 13

14.01.13, 09:40 | 'Das Auge des Betrachters'
Den Film zu diesem Buch gesehen. Ich war angemessen beeindruckt von den Effekten, von der Geschichte, von den Ideen der Umsetzung. Und trotzdem fehlt einem Film das Zuklappen mit den Fingern zwischen den Seiten. Das Unterbrechen, das Sackenlassen, das Durchatmen. Der Film spielt den Bruch nach, den das Buch vorgibt, und geht einfach darüber hinweg. Das ist schade, aber in einer angemessenen Pause käme man ja auf die Idee, sich ein Eis zu holen, und das kann es dann auch wieder nicht sein.

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Der Fuchs und die Trauben, und wie man sich sauer wünscht, was süß und lieblich war.

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Das vielbeschriebene weiße Blinken, das aus den Augenwinkeln grünlich schimmert, eine kurze Absprache, und los. So hätte ich auch studieren können, denke ich mir irgendwann an diesem Abend, aber das ist natürlich nicht wahr. Ich kann ja so nicht einmal arbeiten.

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Ich öffne die Glastür. Musik stampft heraus und schwappt mir um die Hosenbeine. Auf der Theke tanzen zwei leichtbekleidete Damen ohne Takt. Ich drehe mich um und grinse. Diese Filmmomente, denke ich, wenn man in Begleitung in ein Lokal geht, in dem schon zwei warten, völlig unverfänglich, und dann das. Und dann sitzen wir trotzdem da, in dieser Lautstärke, in der man sich über den Tisch anschreien muß, und schreien uns an von wegen Heuballen und Einkäufen und davon, wie schwierig es ist, gutes Personal zu finden. Ich bin nicht angemessen genervt, ich mag es einfach nicht sein heute, und da bringt mich auch die dritte der Thekendamen, die Schnäpse anbietet und sich auf meinen Schoß setzen möchte, nur kurz aus dem nicht existierenden Konzept. Die Rosenverkäuferin ignorieren wir, verlieren und finden einen Pullover, bezahlen und finden falsche Posten auf der Rechnung, und ich finde dann kurz, daß es ganz schön anstrengend sein muß, so zu sein wie ihr.

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Geh hoch, sagt sie, und dann machen wir Blödsinn, und so soll es doch sein. Schwer zu beschreiben, diese Leichtigkeit des Sports, der Spaß und die Blödelei, und dabei doch die Leistungsbereitschaft und der Wille als Befehl an den Körper, das Anspannen und das Entspannen, und das alles ganz ohne Krampf. Uns fehlt die Herablassung, und selbst aus dem Umziehen machen wir einen zerlachten Wettkampf.

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Und dann stehe ich in der Küche und schabe Spätzle, schichte sie in eine Kachel mit Käse, viel zu wenig Salz und Zwiebeln. Im Bad tropft eine Luftmatratze. Und daß man den Kümmel mit den Zwiebeln schmelzen sollte, das fällt mir zu spät auf, aber überhaupt! und daß ich mich getraue, einfach mache und rede, als könne ich nicht fehlgehen, nicht fehltreten, und trotzdem ist das nicht nichts, nicht egal, sondern wichtig, wie man eben Dinge tut und ihnen die richtige Bedeutung zumisst. Daß es nichts macht, wenn es den Spätzle das Salz fehlt. Daß da ein Buch liegt, mit einer Schleife und einer Widmung, älter als ich, und einer neuen, für mich, und daß ich auch unkompliziert kann und unbeladen, und trotzdem nicht hohl und leer.

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Ich bekomme den richtigen Zug, und das verdanke ich meinem Telefon. Top Technik, denke ich, und dann schaue ich in der Bahn nur auf die gesenkten Köpfe derer, die auch auf die Technik schauen. Muß man dann schlucken, denke ich. Ich rufe den richtigen an, der nicht extra fahren und nicht warten muß. Ich schreibe noch einer, die sich Luft gemacht hat und jetzt vielleicht an die Luft gesetzt wird, und es zerbrechen auch andere Leben um mich, aber daran zerbrechen die Lebenden nicht.

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Ach ihr, denke ich irgendwann, ihr mit eurer Körperbezogenheit, mit eurer Körperverliebtheit und eurem Körperhass. Wenn so viele reden, möchte ich meistens nichts mehr sagen.

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Dafür bist Du also hier, denke ich, und wenn man das rechnet, trägt es sich so eben selbst, und ich schmiege mich in die neue Jacke und rieche verbranntes Fell. Treibe störrische Rindviecher zur Eile an und freue mich, als es zum Essen ruft. Dann fangen wir noch die Viecher wieder ein, die es durch das Gatter geschafft haben, zuerst allein und in Ruhe, dann zu dritt, zu viert, zu fünft, und immer noch in Ruhe.

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Obstsalat, sagt sie, damit hier keiner krank wird, anstatt zu heiraten.

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Das Zahnspangenlachen.

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Kalte Finger im Mist. Kleine Schrauben. Eisiger Wind. Ich wärme mich am Ofen, und dann am Tanz.

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Drei Monate, habe ich mal gelesen, dann lässt uns der Körper das Glück der Nähe vergessen. Wenn es groß und richtig war, denke ich, dann sind wir mehr als Körper, und dann denke ich an noch einmal sechs Monate, und dann trifft mich ein ganzes Leben wie ein Schlag.

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Wie Du Dich entfernst. Dich entreißt. Mich mitreißt.

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Geh doch hin, schreie ich abends unter der Dusche, und danach singe ich You, you, it's gotta be you, wie es meinem Telefon gefällt, ich singe einfach mit, und das macht es nicht leichter und nicht besser, aber mich macht es leichter und besser, und so singe ich auch.

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Sie ist groß, schlank und mit einer Freundin hier. Die beiden lachen und stellen ihre Getränke zu mir. Ich singe die Lieder mit, die mich großgezogen haben, und das ist echt und ihr seid künstlich, und bleibt mir bitte gestohlen, sage ich zwischendurch, und da kommen sie mir plötzlich alt und verbraucht vor, als wäre dies hier, die kleine Lichtorgel und die überforderte Anlage eine Hoffnung, eine letzte vielleicht, aber wahrscheinlich bin ich wieder bitter und böse.

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Da ist einer, der selber Musik macht. Der lehrt. Der sich gönnt, weil er sich gönnen will. Ich weiß nicht recht, denke ich, als ich ihm lange genug recht gegeben habe. Aber gönnen kann doch nicht alles sein? Wo bleibt da der Verzicht, und seit wann bin ich denn nicht nur Schwabe, sondern auch noch Puritaner?

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Superfly vielleicht. Carbon, neunundzwanzig, und mehr als unvernünftig. Vielleicht deshalb, und weil ich doch sonst nichts weiß.

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Zwanzig Minuten nach drei bin ich an der Tür.

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Das zu Sägende aufzeichnen. Eine Versicherung suchen, ein Beifahrerschutz, und ohne die Bedingungen genau zu lesen, bezahle ich das. Ich würde gern schützen, ich hätte gern Beifahrer, und lache doch bitter über mich selbst. Vier Sitze, ein Esel.

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Stattdessen backe ich einen Kuchen, für den ein Nikolaus zerbröseln muß, lasse die Glasur in schmucken Streifen herabtriefen und freue mich daran, wem ich das alles zeigen kann. Als ich den Teller wieder in der Hand halte, sind nur noch Brösel übrig.

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Sonntägliches Klarieren des Jugendhauses, und solange ich dabei noch nicht über die Jugend schimpfe, wie sie die Müllsäcke vollstopfen und die Theke überhäufen, wie sie allerhand naschen und nichts spülen, solange ich das noch kann, besteht noch Hoffnung, vielleicht.

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Wir schreiben uns Romane, die wir unter die wackelnden Tische unserer Leben klemmen können.

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Dann wieder die Stadt. Nachtfrost, Morgenschnee. Von innen sieht es kälter aus, als es sich im Sattel anfühlt, und so ist es ja oft, das Leben. Man sollte nicht so oft durchs Fenster sehen.
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Montag, 10. 12 12

10.12.12, 13:13 | 'Das Auge des Betrachters'
Wie sie sich ärgert und aufregt. Und in all ihrem Ärger, unter dem Druck in ihr, den man so gut daran sehen kann, wenn sich ihr Körper spannt, wenn sie die Beine auf den Boden presst und durchstreckt, wenn sie ihre grandiose Figur in die Tanzschritte wirft, von elegant nach verrucht wechselnd aus der Hüfte schießt, wenn sie das Gesicht verzieht und irgendwann aus einer Pose herausbricht, den Kopf nach vorne wirft, daß der Pferdeschwanz sich überschlägt, und loslacht, schallend und ohne die Hand vor den Mund zu nehmen, ob unserer ganzen Blödelei und unserer ganzen Blödheit, wie wir die Schritte nicht hinbekommen, und die Sonne nicht, und dabei einen Riesenspaß haben, daran freue ich mich so.

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Ich sitze wieder hier beim Frühstück. Rechtzeitig angekommen, warmgeschafft. Die Wecken sind warm und die Brezgen auch. Meine Füße sind kalt, aber ich bin warm. Hier bin ich warm.
Gehen wir, frage ich geladen, und der Bauer seufzt theatralisch. Und dann gehen wir doch.

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Die gleißenden Schneekristalle in der Sonne.

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Meine Schultern dampfen durch den blauen Pelz, mein Kopf durch die Mütze und die Schlitze im Helm. Ich halte inne und horche in Richtung der Berge. Von weit her antworten schreiend die Sägen. Ich ziehe kurz am Seil, stapfe durch die Dornen, und dann sind wir wieder ein Chor.

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Es geht alles vorbei. Freude, Trauer, Leben. Trotzdem machen wir Pläne, und auflösbar ist das alles nicht. Nicht diskret, nicht rational, aber irgendwie schon machbar, und im Zweifel alles, was man halt so hat. Gelaber.

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Abends brauche ich noch den Tierarzt. Schon wieder, sagt sie, und ich stocke. Wieso schon wieder, und daß sie so gar nicht begreifen können, daß man reden muß. Daß ich nicht alles sehen kann, und erst recht nicht hellsehen, und dann bin ich wieder so wütend, aber es hilft ja nichts. Die sind halt so.

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Da steht einer auf dem Weihnachtsmarkt und lacht ins Telefon, und ich stehe im Stall und lache zurück. Zwei Welten, zweitausend Meter.

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Da erzählen die einen von den ersten Monaten zu dritt. Da erzählen andere von Mäusen und Schlangen und Dschungel. Da zeigt einer die Bilder seiner Hausbaustelle, und eine wiegt dazu das Kind. Da kommt einer spät, der nur mal schnell auf den Weihnachtsmarkt wollte. Da ist es dann auch schon vorbei.

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Der Nikolaus ist schon weg, und sie zeigen mir begeistert die Bilder. Dieses Jahr wäre ich sogar straflos davongekommen.

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Dann tanzen. Seltene und häufige Gäste. Paartanz und Indianertanz. Und immer wieder fallen wir uns in die Arme, weichen den beiden aus, die den Fliegenden Holländer üben, wie wir die Hebefigur getauft haben. Mit dem Schuh schiebe ich Scherben unter den Heizkörper. Ein Gürtel klatscht auf ein blankes Gesäß. Zwei diskutieren handfest aus, wer denn nun der beste Elektriker ist. Dancin' like Chicago. Einen verbinden wir auf dem Flur. Fliegende Locken. Ungläubig schaue ich auf die Uhr. Daß diese Zeiten wiederkommen. Kurz vor Stallzeit gehe ich.

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Wie sie eintrudeln, nach und nach, mit dem ins Gesicht gezeichneten Pegel.

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Du bist Eins, Mensch! Und Du Zwei! Und jetzt ChaChaCha, Drehung, Drei, Vier.

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Wie wir zu dritt in dem alten Auto sitzen, mit offenen Mündern und unbestimmten Lauten. Wie der Schnee spritzt, als wir rutschen. Wie der Motor abstirbt und wieder angeworfen wird. Gäuwinden. Ein Seil und Schwung. Schwänzelnd eingekesselt von Wänden aus Schnee. Nur wir hier. An einem Mast rumst es. Wir lachen und schieben rückwärts. Der Mast wackelt noch, als wir wieder losfahren. Sonntagabendcrossen, hell yeah.

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Was ich nicht hören will und was außer mir niemand sagt.

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Ich fahre vom Schnee in den Matsch. So sieht das aus.
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Montag, 3. 12 12

03.12.12, 13:27 | 'Das Auge des Betrachters'
Ob es hilft, all das schon vorher zu wissen? Kann man sich ändern, die Welt ändern, und was bereut man stattdessen? Gibt es Reulosigkeit? Und wie stark prägt es die Antworten, daß man nur die fragt, die es sich leisten können, so zu sterben? (via froschfilm)

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Paartanz allein, meine Frau ist beim Fußballtraining. Hört sich jetzt alles seltsam an, aber ich kann das erklären! Jedenfalls hat es mit Fasching zu tun, und damit, daß ich dann zwar Urlaub, aber keinen Skiurlaub haben kann, und daß wir die Idee mit den Auftritten und dem Wettbewerb plötzlich ganz wunderbar fanden, mitten in der Nacht. Und überhaupt Hebefiguren!

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Je näher ich der Heimat komme, um so mehr Schnee. Ich werde hektisch, ich bin sowieso zu spät. Und außerdem: Schnee! Ich parke vor einer Kiste brauner Flaschen, und als ich aussteige, ploppt es schon. Eins zur Beruhigung und für geschmeidiges Tanzen. Wenn das so weitergeht, denke ich noch.

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Die Grundschritte üben. Rechts, links, Seitkick. Links, rechts, Seitkick andersrum.

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Diese verfluchten Pedale, diese zweimal verfluchten Kurbeln, und wenn Aluminium und Stahl sich mal verlieben, dann trennt sie nur der Winkelschleifer. Dann schweiße ich die Pedale an die Welle, schaue über die Nasenspitze durch die Flucht. Vorschub, Strom, Feuer frei. Das alte Rad hat Kufen, und ich den Wahnsinn gepachtet.

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Hinauf bis in den Wald! Nur beim ersten Schuß nicht fehlen, nur bei der ersten Abfahrt nicht stehenbleiben. Es dauert nur Meter, bis ich falle, und plötzlich sehe ich das Gefälle wieder anders, die kleinen Abhänge und Unebenheiten, die Baumstümpfe und Wiesenraine mit ihren Gebüschen. Schneetreiben. Unter mir die Lichter der Straßenlaternen. Luft holen, irgendeine Dummheit rufen, herrjeh, ist das schnell und wieso habe ich Schnee in der Nase?

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Rasant bis unkontrolliert, verrückt aber nicht gefährlich. Schneeweiß komme ich in den Keller, wo vier sitzen und einer dicke Zigarren raucht. Eines noch, sage ich, und als sie dann aufbrechen, mitten in der Nacht, zu einer dieser Runden, die mit knitzem Lächeln beginnen und mit schweißnassem Lachen irgendwo enden, bleibe ich. Vernunft ist, wenigstens vier Stunden zu schlafen.

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Es ist eben doch nicht nur zeichnen. Ich bringe die Evolventengleichung noch aufs Papier, aber nicht mehr in den Rechner. Geschätzte Zahnräder sehen sehr geschätzt aus.

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Ein Gutenachtkaffee, und da sitzt noch einer. Im Fernseher Musik. Er nickt, als ich an der Tasse nippe. Wir kennen das. Und dann reden wir von Plänen, und wie es ja doch immer anders kommt. Von Verantwortung und Familie, und daß es damit ja auch ist wie mit den Plänen. Vom Tragen und Getragenwerden. Vom Teilen und Verteilen. Wer gibt, wer nimmt. Und welchen Luxus man nicht kaufen kann. Mit euch möchte ich nicht alt werden, sage ich. Aber mit mir auch nicht.

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Und was man alles nicht braucht.

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Wir kaufen einen 3D-Drucker. Tolles Internet.

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Als ich vom Melken komme, ist es hell und kalt.
Als ich Futter lade, geht die Sonne auf.
Beim Frühstück duckt sich der Nebel und gibt die Dreikaiserberge frei.
Du weißt gar nicht, mampfe ich ins Telefon, den Kaffee vor der Nase und dicke Scheiben Kranzes auf dem Teller, Du weißt gar nicht, wie gut Du es hast.

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Liegeboxen herrichten, Stroh einstreuen, all das. Als ich auftauche, sind sie schon ausgeflogen. Es sind doch diese Wintertouren, die uns ausmachen, an den langsamen Samstagen. Nicht diesen Winter, denke ich, als ich durch den Stall laufe. Aber die Winter gehen uns nicht aus.

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Ja, sage ich, da komme ich mit.

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An der Bar wird geraucht. In einer Ecke sitzt eine, die kenne ich. Den Namen nicht, und sie redet ja auch gerade.

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Einen treffe ich, der war doch noch so klein!

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Und einen, mit dem ich einst Mitleid hatte.

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Die schnellen Dreierrunden.

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Sie hat nach Dir gefragt. Und jetzt ist sie weg. Das ist nicht schlimm, sage ich, und dann fällt mir auch ihr Name wieder ein. Das Haar unter dem Helm, die Kunststoffpanzerung unterm Trikot. Kleines Mädchen, großes Rad! habe ich einmal gelacht.

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Die Chäs|chügli.

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Sie redet leise, und ich muß mich über sie beugen. Sie erzählt von Neuseeland und den Kühen dort. Dreihundert, sagt sie, und ich drohe ihr mit dem Finger. Mach mich nicht neidisch, lache ich, und erzähle von den wenigen Kühen. Große Welt, kleine Welt. Du, sagt sie, und tippt mit dem Finger nach mir. Wieso tippt sie in mein Telefon? Und wieso stolpert sie, als ich einen Schritt zurück mache?
Ich stehe auf der Straße, die Ohren taub wie die Finger. Meine Schritte hallen. Takt machen. Die Beine nicht zu sehr heben. Auf den Schritt atmen. Der Dönerimbiss hat zu, und gerade jetzt könnte ich noch, sage ich laut. Wenn Du das Geld nicht willst! Es ist kalt und klar. Mondhell. Die paar Kilometer ins Dorf, denke ich. Nur über den ersten Hügel nicht anhalten. Nicht langsam laufen. Über den zweiten noch. Jetzt weiter.
Als ich an der Tür stehe, tippe ich, daß ich an der Tür stehe. Das Offensichtliche festhalten. Käsebrot und Kaffee. Die Uhr sagt, daß es sich nicht mehr lohnt, das Bett zu wärmen. Ich ziehe mich um. Kaffee und Käsebrot. Es ist Zeit. Wir sind jetzt auch daheim, sagt das Telefon.
Als ich vom Melken komme, schneit es.

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Werkstattag. Tierarzttag. Den Weihnachtsmarkt streiche ich für heute gerne. Den Besuch auf der Berghütte nur ungern. So ist das, gern und ungern und trotzdem.

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Dieser Brocken Leben in dieser Maschine Mensch. Was treibt uns noch, wenn da kein Ehrgeiz mehr ist? Niemand kann etwas verlangen. Setz Dich doch, sage ich mir. Aber ich setze mich nicht. Bleib doch stehen, sage ich mir. Aber ich laufe weiter. Bleib doch liegen, sage ich mir. Aber ich stehe auf. Da ist kein Lockstoff, dem ich witternd folge. Keine Peitsche, die mich treibt. Ich sehe meinen Händen zu, wie sie Folien zerschneiden, Schnee schaufeln und Heu gabeln. wie sie auf Tasten tippen, Hände schütteln, Gläser heben. Das ist also Leben, denke ich. Das ist es also, was man einmal bedauern wird.
# |  1 RauchzeichenGas geben

Sonntag, 11. 11 12

11.11.12, 16:52 | 'Das Auge des Betrachters'
Die Klarheit des ersten Schlucks Alkohol. Die Fokussiertheit, die nur ein beengtes Blickfeld ist.

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Ich stehe auf, trinke aus und gehe.
Nein.

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Auf dem Weg fabuliere ich von den Zeiten, als ich schnell fuhr. Man verwächst in die Steuerung der Maschine, man fühlt die Reifen scharren und das Herz mit dem Motor sich synchronisieren. Ich rase dann nur ein ganz klein wenig, denn ich bin alt und reif und müde und nicht nüchtern. Es muß nicht mehr sein, denke ich und gehe irgendwo vom Gas.
In dieser Stunde überschlagen sich ein Achtzehnjähriger und sein kleiner Bruder aus dem Dorf auf einer meiner alten Rennstrecken.

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Ich komme dahin, wo zwei sitzen. Einer müde, einer fidel. Wie man es sich macht, denke ich und achte doch darauf, nicht wie immer zu viel zu reden.

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Im Besen schläft einer, und die anderen reden selig und laut und undeutlich. Ich setze mich dazu, aber aufholen kann ich das nicht, und als mich einer anmacht, erfahre ich, daß er mein Ersatz ist, in der kleinen Klitsche, in die ich dann doch nicht wollte. Er redet von Fehlern, die keiner bemerkt, und ich stimme ihm zu. Dann redet er davon, wie leicht es alle haben außer ihm, und von da an riecht er komisch. Ich schnupfe, aber es hilft ja nichts. Unser starker Mann zeigt ihm die Faust, und sie fallen ihm in den Arm. Dann fahren wir die Bande nach hause.

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Der Herr der Hebel.

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Und als ich so am Hang entlangschleiche, mit dem Berg wende und eine dunkle Spur auf der Wiese ziehe, da denke ich, was ich früher dabei gedacht hätte. Sechsundzwanzig Tonnen auf nassen Wiesen. Alles geht, nur nicht auf nassem Laub.

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Feierabend um drei, und ich rufe lachend an. Halber Tag Urlaub, sage ich, und am Ende kaufe ich eine Krawatte und warte nicht einmal lange vor der Kabine.

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Im Aushang der Bank schaue ich mir Häuser an, während ich warte. Der Obdachlose kommt aus Hamburg, und als ich eben meinen Geldbeutel zücken will, fragt er nach einem Zehner. Nein, denke ich, selbst da steigen die Sätze, und bei sowas mache ich ja nie mit.

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Immer wieder das Bild des Rettungswagens vor mir, am frühen Morgen auf dem Weg zur Arbeit, darin Licht und hinter den Fenstern sitzt einer, angeschnallt und gebunden und mit einem Schlauch in der Nase, und schaut hinaus zu mir. Das Leiden.

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Wie wir lachen, jetzt beim Bauernessen, wo der Druck des Sommers weg ist. Wie wir uns die Arbeit einteilen, daß sie Freude macht.

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Die beiden Verunfallten der Nacht sind im Dorffunk, und ich höre von abgerissenen Armen und einem gebrochenen Rückgrat. Ich kann nichts sagen, und später zeigt mir einer Bilder vom Wrack. Das Leiden.

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Im weißen Hemd und schwarzer Hose stehe ich draußen, mein neues Liebstes in der Hand, noch die mit dem Vergaser statt der Einspritzung, in orange und weiß, handlich leicht und ein Killer. Ich klaube mir ein Scheit vom Brennholz und schnitze meinen Namen hinein. Als ich wieder hereinkomme, da lachen sie mein Lachen an, und einer sitzt zufrieden da und sagt, daß wir uns da schon einig werden. Werden wir.

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Dann sitze ich da im Pullover und ducke mich unter den Schlägen aus dem Fernseher. Ich sehe nicht viel fern, und noch weniger Boxen. Aber Muskeln und Willen kann ich immer bewundern.

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Ich lege meine Arbeit nach vorn, und so stehe ich eben am Sonntag auf. Texas Viehtransport, denke ich und fahre im Dunkeln dahin.

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Wie er kaum mehr einen Strick halten kann. Nicht ziehen, nicht mehr halten.

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Das Rindvieh außen, ich innen, der Strick spannt an der eisernen Kante des Hängers. Ich blase die Backen auf und gewinne. Ich kann nicht anders, und irgendwann schließe ich die stählerne Tür des weiß gekachelten Raums und atme durch.

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Dann stehen wir da, kurz vor sieben, im Licht unserer kleinen Kastenwägen, und er sagt Freitag und ich nicke schweigend. Alles Gute, alter Mann. Da mußt Du durch, da kann ich nichts tun. Ich kann nur hierbleiben und alles andere tun. Herz und Hand, und beides würde ich mir herausreißen.

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Klettern am eigenen Seil heute, und da erzählt einer von Beinschlingen und Exen und ich klettere über sechs, weil mich das so treibt, das Fallenkönnen und das Festhalten, da können sie den Pfahlstich zehnmal Bulin nennen.

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Im Portemonnaie ein Rezept, und ich bin baß erstaunt, welcher Aufwand zum Leben gehört. Ich bin ja immer bloß da.

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Eine halbe Stunde sitzen und die Frage, ob man das ein Leben lang aushält. Muß man sich denn aushalten, und wie sieht das aus? Diese Entfernungen kann ich nicht schätzen, denke ich, aber ich laufe dann ja immer nicht los.

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Tage für Mark Knopfler. Boom like that, und herrlich vibriert der Autositz.

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Rasenmähen und Staubsaugen als Aufgaben des Roboters, und wie ich demnächst einen Tunnel graben werde.

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Rastlos, ratlos.

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Mogsch Moschd, mogsch mi, mogsch mei Musik, no mog i Di fei au!

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Was weißt Du denn schon, Kleiner?
# |  Rauchfrei | Gas geben

Montag, 25. 06 12

25.06.12, 10:24 | 'Das Auge des Betrachters'

Meinen Bildern sieht man an, daß ich keine Städte mag. Dabei ist Bonn noch nicht einmal so schlimm, und ein größeres Kompliment kanns ja kaum geben.
# |  2 RauchzeichenGas geben

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