21.06.18, 00:33 | '19th nervous breakdown'
Das völlig verheulte Mädchen am Straßenrand in der großen Stadt. Blondierte Haare, ein Ring in der Lippe, den Daumen oben. Ich telefoniere eben, rede und lache von Traktoren und Feldfrüchten, blinke und bremse scharf. Sie steigt ein und beginnt zu schluchzen, hält krampfend ihre Handtasche fest. Ein Date, sagt sie, und der wollte mir an die Wäsche. An die Wäsche sagt sie tatsächlich, und ich überlege, ob man das heutzutage wohl so sagt, während ich den Geruch heißer Motoren und warmen Heus aus dem Telefon abwürge, und frage, wo sie denn hin möchte. Wir fahren längst wieder, auf dieser großen Straße mag ich nicht lang stehen. Sie nennt einen Ort, fragt gar nicht, ob ich dahin muß, und da wir eben an der Ausfahrt sind, biege ich eben gleich richtig ab. Sie riecht nach Rauch und Alkohol, und sie wünscht mir ein großes, gutes Karma zwischen den Schluchzern, während ich vorsichtig fahre und immer wieder meinen einen, großen Satz sage: Alles wird gut. Ich könnte mir fast selber glauben, denke ich, aber auf sie scheint es zu wirken. Ich lasse sie heraus und wünsche ihr alles Gute, bevor sie sacht die Tür schließt. Alles wird gut, Mädchen, denke ich und sehe sie im Rückspiegel kurz winken.
02.05.16, 15:12 | '19th nervous breakdown'
Ich habe wirklich geglaubt und gehofft, ich tue Dir gut.
06.03.16, 12:28 | '19th nervous breakdown'
Am Ofen sitzen, wo das Feuer durch das offene Türchen lodert, den Rücken an den Wasserspeicher gelehnt, mich betrinken und irgendwann feststellen, daß alles gesagt ist, daß ich nichts mehr sagen kann.
25.12.15, 15:07 | '19th nervous breakdown'
Der Generationenkonflikt in meiner Nussschale:
Die Großmutter, wohnhaft auf einhundertundzwanzig Quadratmetern Eigentum mit Beamtenpension, erklärt dem Enkel, wohnhaft auf dreißig Quadratmetern zur Miete mit Vollerwerb, Minijob und Kleingewerbe, daß man sich im Alter eben einschränken müsse, und schließt ihre Ansprache damit, den Eltern müsse eben ständig geholfen werden, das hätten sie früher schon so gemacht, ihre zwölf Geschwister und sie im Verhältnis zu den zwei Eltern, alle im Ort, und das am Tisch versammelte Verhältnis von einem zu dreien sei schließlich die eigene Schuld, wie auch der Arbeitsweg von einhundert Kilometern einfach, der dann eben ständig zu unternehmen sei und so schulterzuckend abgetan wird. Der Enkel nickt ergeben und beschließt zum Einen, sich selbst für die zur Schau getragene Gelassenheit auf die innere Schulter zu klopfen und zum Anderen, sein Geld vor allem über die Feiertage in Zukunft dafür auszugeben, nicht bei der Familie, sondern beim Spaß sein zu können.
Die Großmutter, wohnhaft auf einhundertundzwanzig Quadratmetern Eigentum mit Beamtenpension, erklärt dem Enkel, wohnhaft auf dreißig Quadratmetern zur Miete mit Vollerwerb, Minijob und Kleingewerbe, daß man sich im Alter eben einschränken müsse, und schließt ihre Ansprache damit, den Eltern müsse eben ständig geholfen werden, das hätten sie früher schon so gemacht, ihre zwölf Geschwister und sie im Verhältnis zu den zwei Eltern, alle im Ort, und das am Tisch versammelte Verhältnis von einem zu dreien sei schließlich die eigene Schuld, wie auch der Arbeitsweg von einhundert Kilometern einfach, der dann eben ständig zu unternehmen sei und so schulterzuckend abgetan wird. Der Enkel nickt ergeben und beschließt zum Einen, sich selbst für die zur Schau getragene Gelassenheit auf die innere Schulter zu klopfen und zum Anderen, sein Geld vor allem über die Feiertage in Zukunft dafür auszugeben, nicht bei der Familie, sondern beim Spaß sein zu können.
08.12.15, 11:18 | '19th nervous breakdown'
Zerrissen, bangend, hoffend. Zittern. Es ist wohl mal wieder Zeit dafür, denn der Krug und der Brunnen und so. Durchatmen. Mich selbst weiterhin gernhaben, ergebnisunabhängig, bedingungslos. Und weitermachen, immer weiter. Ich rede mir das ja auch nur ein.
29.11.15, 12:59 | '19th nervous breakdown'
Es gibt Menschen, die mir gern etwas schenken. Und da gibt es mich, der ich eine Abneigung gegen Verschwendung habe, daß es mir bei unerwünschten, unnützen, untreffenden Geschenken die Sprache und den Verstand verschlägt, daß ich keine Dankbarkeit mehr zu heucheln imstande bin. Nun bin ich speziell gegenüber meiner Mutter nicht in der Lage, ausreichend deutlich zu machen, daß ich keine Geschenke wünsche. Das heißt, ich bin durchaus in der Lage, das überaus deutlich zu machen. Allerdings ist meine Mutter noch besser darin, mit einem Jaja all meinen Unwillen wegzuwischen, bis ich wieder sprachlos vor Zorn über der Bescherung sitze.
Bücher fallen mir immer ein. Und Musik. Leider kennen meine Eltern meinen Geschmack nicht. Und wenn ich noch eine vierte Ausgabe von "Gut gegen Nordwind" bekomme, dann fange ich zum ersten Mal bei dieser Schnulze ernsthaft zu heulen an. Oder bei noch einer CD von Silbermond. Und das nicht vor Rührung. Nein, Bücher und Musik funktionieren nicht: das kaufe ich mir selbst, und bevor ich meinen Eltern einen solchen Wunsch aufschreiben würde, den sie dann erst umständlich in irgendwelchen Läden bestellen müssten, da kaufe ich mir das alles lieber selbst. Ich kann das.
Stattdessen sammle ich Notwendigkeiten. Klettere seit September mit Schuhen, durch deren Löcher mein großer Zeh passt. Ja, ich habe schon neue Schuhe, trotz meiner schwäbischen Genetik. Aber ich kann sie nicht nutzen, sie sollen schließlich ein Geschenk werden. Und ich werde mich sehr darüber freuen. Schließlich hören dann vielleicht die blutenden Zehen auf. Das wäre doch mal was.
Ein weiterer Teil der Geschenkegeschichte besteht im Preis. Ich mag keine Geschenke, weil sie mich üblicherweise nicht treffen. Ich mag meine kleine Wunschliste von Amazon, aber die nutze ich weitgehend selbst als Erinnerung an Dinge, die ich irgendwann mal brauche oder möchte und fülle damit Bestellungen auf, um über den Mindestbestellwert zu kommen. Für meine Eltern müsste ich die Liste ausdrucken, das Zeug dann selbst bestellen, zu ihnen bringen und mir Geld geben lassen. Ich bin sehr müde, merkt man das? Nun, der Preis. Kletterschuhe sind teuer. Und in Läden schaffe ich es gerade nicht - gelobt sei der Lebensmitteleinzelhandel bis zweiundzwanzig Uhr - also bestelle ich die Schlappen. Und da ich es nicht in Läden schaffe, weil ich schlicht nicht zu hause und so auch für Paketdienste nicht erreichbar bin und mit der Packstation so meine diversen Problemchen hatte, bestelle ich sie zu meinen Eltern. Bleibt also nur noch, das Paket mit der Begründung, ich müsse die Schuhe anprobieren, zu öffnen. Natürlich probiere ich die Schuhe an. Es sind immerhin die dritten, und immerhin immer die gleichen. Allerdings tatsächlich eine Nummer größer dieses Jahr, nachdem ich im Herbst in einer Mehrseillänge tatsächlich ein Tränchen vergießen musste, weil nicht nur der hervorstehende Zeh, sondern auch noch die gequetschte Ferse blutig waren. Dabei entferne ich geflissentlich die Rechnung, denn die Dinger sind sündhaft teuer, und ich möchte das nicht geschenkt bekommen. Ich. Mag. Nicht. Und alle ignorieren das.
Nun beginnt der psychologische Teil. Ich klettere weitere vier Wochen mit blutenden Zehen und deutlich schlechter, als ich es eigentlich könnte, während daheim die neuen Schuhe warten. Irre. Und ich erfinde meinen Eltern einen Preis, den sie mir noch glauben, aber bei dem sie noch nicht auf die Idee kommen, mir noch etwas schenken zu müssen. Irrer. Damit wären wir nämlich wieder beim Ausgangspunkt angelangt. Und das kann nun wirklich keiner wollen. Bleibt also nur noch, das gleiche Spiel mit allen weiteren Personen durchzuspielen, die mir etwas schenken wollen. Denn seit wir dieses Spiel spielen, wird meine Teilnahme daran aktiv eingefordert. Am Irrsten.
Habe ich schon erwähnt, daß mich Weihnachten sehr müde macht? Daß es mir dieses verzweifelte Gefühl gibt, daß ich mich vor lauter hilflosem Lachen nicht einmal mehr ärgern kann?
Bücher fallen mir immer ein. Und Musik. Leider kennen meine Eltern meinen Geschmack nicht. Und wenn ich noch eine vierte Ausgabe von "Gut gegen Nordwind" bekomme, dann fange ich zum ersten Mal bei dieser Schnulze ernsthaft zu heulen an. Oder bei noch einer CD von Silbermond. Und das nicht vor Rührung. Nein, Bücher und Musik funktionieren nicht: das kaufe ich mir selbst, und bevor ich meinen Eltern einen solchen Wunsch aufschreiben würde, den sie dann erst umständlich in irgendwelchen Läden bestellen müssten, da kaufe ich mir das alles lieber selbst. Ich kann das.
Stattdessen sammle ich Notwendigkeiten. Klettere seit September mit Schuhen, durch deren Löcher mein großer Zeh passt. Ja, ich habe schon neue Schuhe, trotz meiner schwäbischen Genetik. Aber ich kann sie nicht nutzen, sie sollen schließlich ein Geschenk werden. Und ich werde mich sehr darüber freuen. Schließlich hören dann vielleicht die blutenden Zehen auf. Das wäre doch mal was.
Ein weiterer Teil der Geschenkegeschichte besteht im Preis. Ich mag keine Geschenke, weil sie mich üblicherweise nicht treffen. Ich mag meine kleine Wunschliste von Amazon, aber die nutze ich weitgehend selbst als Erinnerung an Dinge, die ich irgendwann mal brauche oder möchte und fülle damit Bestellungen auf, um über den Mindestbestellwert zu kommen. Für meine Eltern müsste ich die Liste ausdrucken, das Zeug dann selbst bestellen, zu ihnen bringen und mir Geld geben lassen. Ich bin sehr müde, merkt man das? Nun, der Preis. Kletterschuhe sind teuer. Und in Läden schaffe ich es gerade nicht - gelobt sei der Lebensmitteleinzelhandel bis zweiundzwanzig Uhr - also bestelle ich die Schlappen. Und da ich es nicht in Läden schaffe, weil ich schlicht nicht zu hause und so auch für Paketdienste nicht erreichbar bin und mit der Packstation so meine diversen Problemchen hatte, bestelle ich sie zu meinen Eltern. Bleibt also nur noch, das Paket mit der Begründung, ich müsse die Schuhe anprobieren, zu öffnen. Natürlich probiere ich die Schuhe an. Es sind immerhin die dritten, und immerhin immer die gleichen. Allerdings tatsächlich eine Nummer größer dieses Jahr, nachdem ich im Herbst in einer Mehrseillänge tatsächlich ein Tränchen vergießen musste, weil nicht nur der hervorstehende Zeh, sondern auch noch die gequetschte Ferse blutig waren. Dabei entferne ich geflissentlich die Rechnung, denn die Dinger sind sündhaft teuer, und ich möchte das nicht geschenkt bekommen. Ich. Mag. Nicht. Und alle ignorieren das.
Nun beginnt der psychologische Teil. Ich klettere weitere vier Wochen mit blutenden Zehen und deutlich schlechter, als ich es eigentlich könnte, während daheim die neuen Schuhe warten. Irre. Und ich erfinde meinen Eltern einen Preis, den sie mir noch glauben, aber bei dem sie noch nicht auf die Idee kommen, mir noch etwas schenken zu müssen. Irrer. Damit wären wir nämlich wieder beim Ausgangspunkt angelangt. Und das kann nun wirklich keiner wollen. Bleibt also nur noch, das gleiche Spiel mit allen weiteren Personen durchzuspielen, die mir etwas schenken wollen. Denn seit wir dieses Spiel spielen, wird meine Teilnahme daran aktiv eingefordert. Am Irrsten.
Habe ich schon erwähnt, daß mich Weihnachten sehr müde macht? Daß es mir dieses verzweifelte Gefühl gibt, daß ich mich vor lauter hilflosem Lachen nicht einmal mehr ärgern kann?
25.11.15, 12:12 | '19th nervous breakdown'
Wegen der gesparten Zeit, wegen des mitgebrachten Kuchens, wegen des empfindlichen Ohrs war ich mit der Bahn da, und als ich auf den Fahrplan schaue, singt sie: "Ich geh' mit Dir, wohin Du willst", und nie hat ein Engel schöner gesungen.
Das ist ziemlich weit weg, sage ich, und dann Schweigen.
Das ist ziemlich weit weg, sage ich, und dann Schweigen.
21.11.15, 06:06 | '19th nervous breakdown'
"Die haben Angst vor Dir, siehst Du das nicht?" (Nein.)
"Und es ist egal, daß Du ihnen nichts getan hast, merkst Du das nicht?" (Nein.)
Flucht.
"Und es ist egal, daß Du ihnen nichts getan hast, merkst Du das nicht?" (Nein.)
Flucht.
19.08.15, 20:52 | '19th nervous breakdown'
Dieses Interview im Stern dreht sich, wie so vieles in dieser Zeit, um Flucht. Der Gesprächspartner vertritt die Ansicht, daß offene Grenzen sinnvoll sind. Konkret spricht er von der Erlaubnis, Flugzeuge und Fähren zu benutzen, damit niemand im Meer ertrinken muß.
Nun. Meine Gedanken drehen sich hier vor allem um den Menschenschmuggel. Das ist ein bestialisches Geschäft, und wenn wir von Menschenrechten und Menschenwürde reden, dann denke ich zuerst daran, daß mit Menschen Handel getrieben wird. Daß einem Menschen ein Wert zugewiesen wird, und zwar ganz simpel und brutal der Wert, der für den Transport verlangt wird. Die Menschen, die solchen Handel treiben, halte ich im Prinzip für derart skrupellos, daß sie zu allem bereit sind. Daß für sie ein Menschenleben tatsächlich nur den Wert seiner Überfahrt hat. Und daraus schließe ich, daß wir da ein Geschäftsmodell sehen, das schon ziemlich alt ist: Der Krieg ernährt den Krieg. Denn nur wo Menschen durch Gewalt zur Flucht gezwungen werden, wird an der Flucht verdient. Vielleicht profitieren die Schmuggler nur, vielleicht sind sie aktiv an den Konflikten beteiligt, vielleicht ist das sogar ein überaus lukratives Geschäftsmodell. Überfalle ein Dorf, lass diejenigen bezahlen, die es können, töte den Rest, um mehr Angst und mehr Schrecken zu verbreiten. Ich halte es für möglich, daß so direkt der Konflikt weiter gefördert wird, und womöglich sogar direkt finanziert. Man verlangt von Menschen Geld dafür, sie nicht umzubringen, und mit diesem Geld kauft man sich Waffen, um den nächsten Menschen vor die gleiche Wahl zu stellen. Jetzt lassen sich diese Menschen sicher ihr Geschäftsmodell nicht einfach wegnehmen. Was tun sie also?
Ich glaube nicht daran, daß aus einem Kriegsgebiet zu Fuß wegmarschiert werden kann. Der Krieg ist schnell und schneller, er ist motorisiert. Außerdem zerstört er die Infrastruktur, oder er kontrolliert sie zumindest. Ich kenne mich in Syrien nicht aus, aber ich glaube nicht, daß man dort einfach noch so als Flüchtender eine Fahrkarte kaufen kann. Weder für einen Zug, noch einen Bus, oder gar ein Schiff. Das heißt, daß Flüchtende dort trotzdem in Geiselhaft sind, ganz unabhängig von unseren Grenzen. Ich glaube sogar, daß mit offenen Grenzen dieses Geschäftsmodell noch einfacher wird. Man spart sich ja dann sogar den Transport, man spart sich die Heimlichkeit, man spart sich alles, und warum nicht einfach im Mittelmeer damit drohen, das eigene Schiff zu versenken, wenn nicht von anderer Seite noch einmal bezahlt wird?
Sogar wenn die Menschenschinder und die Menschenschmuggler nichts miteinander zu tun haben: es bleibt Geiselhaft, und die Geisel bezahlt. Und ich glaube, daß dieses Geschäft noch attraktiver wird, wenn man nur noch Schinder sein muß und auf den Schmuggel dann verzichten kann. Ich glaube einfach nicht, daß wir dieses Elend so verbessern können. Im Gegenteil, ich fürchte, wir würden es dadurch verschlimmern. Denn in meinem Kopf sind das die gleichen, die Schinder und die Schmuggler, und sie brauchen Geld, um ihren Krieg weiter zu führen. Hätten sie tatsächlich nur alle umbringen wollen, hätten sie das doch schon längst geschafft. Nein, sie bringen nur gerade so viele um, daß mit den anderen noch Geld zu verdienen ist.
Und nein, was zu tun ist, weiß ich nicht. Aber daß in den letzten Jahrzehnten oft das Gute gewollt und das Schlechteste daraus geworden ist, das muß ja vielleicht immer so bleiben.
Nun. Meine Gedanken drehen sich hier vor allem um den Menschenschmuggel. Das ist ein bestialisches Geschäft, und wenn wir von Menschenrechten und Menschenwürde reden, dann denke ich zuerst daran, daß mit Menschen Handel getrieben wird. Daß einem Menschen ein Wert zugewiesen wird, und zwar ganz simpel und brutal der Wert, der für den Transport verlangt wird. Die Menschen, die solchen Handel treiben, halte ich im Prinzip für derart skrupellos, daß sie zu allem bereit sind. Daß für sie ein Menschenleben tatsächlich nur den Wert seiner Überfahrt hat. Und daraus schließe ich, daß wir da ein Geschäftsmodell sehen, das schon ziemlich alt ist: Der Krieg ernährt den Krieg. Denn nur wo Menschen durch Gewalt zur Flucht gezwungen werden, wird an der Flucht verdient. Vielleicht profitieren die Schmuggler nur, vielleicht sind sie aktiv an den Konflikten beteiligt, vielleicht ist das sogar ein überaus lukratives Geschäftsmodell. Überfalle ein Dorf, lass diejenigen bezahlen, die es können, töte den Rest, um mehr Angst und mehr Schrecken zu verbreiten. Ich halte es für möglich, daß so direkt der Konflikt weiter gefördert wird, und womöglich sogar direkt finanziert. Man verlangt von Menschen Geld dafür, sie nicht umzubringen, und mit diesem Geld kauft man sich Waffen, um den nächsten Menschen vor die gleiche Wahl zu stellen. Jetzt lassen sich diese Menschen sicher ihr Geschäftsmodell nicht einfach wegnehmen. Was tun sie also?
Ich glaube nicht daran, daß aus einem Kriegsgebiet zu Fuß wegmarschiert werden kann. Der Krieg ist schnell und schneller, er ist motorisiert. Außerdem zerstört er die Infrastruktur, oder er kontrolliert sie zumindest. Ich kenne mich in Syrien nicht aus, aber ich glaube nicht, daß man dort einfach noch so als Flüchtender eine Fahrkarte kaufen kann. Weder für einen Zug, noch einen Bus, oder gar ein Schiff. Das heißt, daß Flüchtende dort trotzdem in Geiselhaft sind, ganz unabhängig von unseren Grenzen. Ich glaube sogar, daß mit offenen Grenzen dieses Geschäftsmodell noch einfacher wird. Man spart sich ja dann sogar den Transport, man spart sich die Heimlichkeit, man spart sich alles, und warum nicht einfach im Mittelmeer damit drohen, das eigene Schiff zu versenken, wenn nicht von anderer Seite noch einmal bezahlt wird?
Sogar wenn die Menschenschinder und die Menschenschmuggler nichts miteinander zu tun haben: es bleibt Geiselhaft, und die Geisel bezahlt. Und ich glaube, daß dieses Geschäft noch attraktiver wird, wenn man nur noch Schinder sein muß und auf den Schmuggel dann verzichten kann. Ich glaube einfach nicht, daß wir dieses Elend so verbessern können. Im Gegenteil, ich fürchte, wir würden es dadurch verschlimmern. Denn in meinem Kopf sind das die gleichen, die Schinder und die Schmuggler, und sie brauchen Geld, um ihren Krieg weiter zu führen. Hätten sie tatsächlich nur alle umbringen wollen, hätten sie das doch schon längst geschafft. Nein, sie bringen nur gerade so viele um, daß mit den anderen noch Geld zu verdienen ist.
Und nein, was zu tun ist, weiß ich nicht. Aber daß in den letzten Jahrzehnten oft das Gute gewollt und das Schlechteste daraus geworden ist, das muß ja vielleicht immer so bleiben.
30.06.15, 01:36 | '19th nervous breakdown'
Und an eben diesem heutigen Montag kam kurz nach vier mein Chef zu mir mit der Mitteilung, dass ich ab Mittwoch keinen Zutritt mehr habe. Du verstehst sicher. Das war also dieses.
... Rückwärts fahren