Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

27.11.06, 02:32 | 'Dying to say this to you'
Du machst mich zweifeln. Machst mich unsicher. Ich senke den Blick, als ich Dich da sitzen sehe, auf dem Sofa. Du hast ein Bein angezogen und trägst nur einen Schuh. Durch die Socke dringt ein wenig Blut. Vor Dir liegt Dein Hund, Du hast den Kopf aufs Knie gelegt und durchdringst mich mit einem Blick, sodaß ich nicht weiß, ob Du in mich hineinsiehst, oder durch mich hindurch. Eine Frage der Intensität, zweifellos.
Ich starre auf meine Schuhe, und mir fällt plötzlich auf, wie viele Risse das Leder schon durchziehen. Wie eng die untersten Ösen beieinandersitzen, vom vielen Schnüren blank und verbogen. Meine Hände sind rauh vom Dachdecken, und so nach innen gekrümmt, daß sie fast von allein Fäuste bilden.
Der Hund streicht um meine Beine, und ich bücke mich, klopfe ihm auf den Rücken. Ein Kerl wie Kunstdünger. Nur nicht so staubig, sage ich leise. Phrasen, denke ich nur. Kann man nie genug von haben, sage ich, noch leiser.
"Hallo", sagst Du laut und klar. Lautstärke ist ja nur Mittel zum Zweck. Wahrgenommen werden, Nachdruck erzeugen, die Anzahl der Rezipienten variieren. Ich rede oft so leise, daß ich es nur selbst hören kann. Du redest laut, so daß mich Dein Gruß aufschauen lässt, und alle anderen auch, während ich noch immer in der Tür stehe.

Ich habe Dein Auto nicht gesehen, weil ich von der anderen Seite gekommen bin. Über die Wiese, vom Hof her. Von dort aus sehe ich immer das Licht an der Bar, wenn jemand da ist. Und dann laufe ich los, über die Wiese, über den schmalen Graben, und reiße die Tür auf. Oder ich fahre in der Nähe, sehe Autos ankommen und losfahren, sehe die Funken aus dem Kamin stieben und verglimmen. Und werde dann immer furchtbar wehmütig, weil ich so gerne da sitze, weil ich dort nichts vermisse. Nichts zu vermissen, das ist wie Vakuum, nichts drückt. Kein Druck. Ich weiß, daß ab und an jemand aus dem Fenster schaut, den Kreis aus Scheinwerferlicht um mich beobachtet und sich vielleicht fragt, ob ich das bin.

Du schaust mich an, und ich um Dich herum. Als wärst Du ein gleißender Lichtbogen, der mich blendete. Anstatt eines Schweißschildes habe ich eine Flasche in der Hand, die ich langsam hin und her drehe. Wenn Dein Blick mich fängt, werde ich blind. Solange ich durch Glas starre, bin ich sicher.
Phrasen, denke ich, und beteilige mich mechanisch am Gespräch. Wie wenig doch notwendig ist, um nach außen zu funktionieren. In einem alten Computerspiel mußte man die Energie, die einem zur Verfügung stand, zwischen Antrieb, Schilden und Waffen aufteilen.

Schweigend lasse ich mich treiben. Schwabenblut, höre ich. Beim Aufstehen am Licht gespart und an den Türrahmen gestoßen. Was ist heute, was ist morgen? Dreiachs-Drehschemellenkung. Phrasen.
"Schläfst Du?" Und mit einem Wink bin ich schutzlos.
- Nein, sage ich. Ich bin müde.
- "Wo warst Du am Donnerstag?"
- Du hast ja nichts gesagt, sage ich. Warum, frage ich nicht. Du machst mich zweifeln. Machst mich unsicher.

Rauchzeichen