Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Dienstag, 14. 05 24

14.05.24, 21:40
Wo anfangen? Mit der eigenen Angeschossenheit? Ich habe doch einige Treffer eingesteckt in letzter Zeit, und wenn ich taumle, reicht manchmal ein Augenblitz. Und nun taumle ich immer noch, doch fühlt es sich wie Tanzen an. Das trifft gut, denn ich kann nicht tanzen. Und manchmal tanze ich trotzdem, und dann ist immer alles falsch und alles richtig.

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Ich schmiede wilde Pläne, und dann sitze ich doch nur vor unergiebigen Suchergebnissen. Zum Glück, vermute ich, und doch sind es immer die aussichtslosen Versuche, die ich nicht auslassen kann.

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Something's burnin'
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Ich höre genau zu und lächle freundlich, und doch ist mir mit jeder meiner Antworten zum Haareraufen. Und was machst Du so, hätte ich entgegnen sollen, anstatt zu stammeln, was ich nicht erklären kann: daß ich vor gut fünfunddreißig Jahren auf einem Dieselroß zu sitzen kam und seitdem nie mehr absteigen will.

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Endlich Gras unter den Reifen. Wenig und kurz, und doch gehöre ich noch dazu.

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An einem Samstagnachmittag fahre ich mit einer Rüttelwalze über einen leeren, sonnenbeschienenen Parkplatz, und ich frage mich kurz, was all die wohl tun, die unter der Woche hier parken. Nach zwei Stunden klappern mir die Zähne, und für zwei Stunden ist immer alles schön.

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Ich gehe nicht nach Hause. Auf der Bühne eine Band aus drei Herren im Rentenalter, die schon gemeinsam musiziert haben, als ich noch eine Zeile eines Rocksongs war. Den spielen sie natürlich, und ich singe wieder einmal die alten Lieder.

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Dann auf dem Heimweg ein Zufall, eine Seitenstraße, zwei Gestalten, und es ist der zweite Augenblitz, der mich zu Fall bringt. Was man nicht alles aushalten muß, bis man endlich zu alt für alles ist.

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Ich mähe den Rasen dort, wo ich einst einziehen wollte. Ins Dachgeschoss, weil mein Wunsch der Heimat, der Familie und der gegenseitigen Hilfe galt. Es hat nicht lang gedauert, bis die Bibliothek dort stand, wo ich meinen Wunsch geäußert hatte. So zog ich in die Welt, und nun mähe ich doch. Mit sehenden Augen wird das Verderben nur deutlicher, und ich komme mir an diesem steilen Ranken mit einem Mal sehr beladen vor. Vielleicht zahlt man im Leben alles zurück, und vielleicht verreckt man am Zins.

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"Steig auf, hier sind die Bauernkriege."

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Immer wieder denke ich, daß was mich am meisten schmerzte und mir am meisten fehlt, wohl richtig ist. Nun fahre ich achthundert Kilometer, um zwischen Kühen zu stehen, und ich verachte den Touristen, der ich bin.

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Wenn mir das Herz flieht, dann werde ich mutig und führe aus, was ich ein Jahr nur gewünscht habe. Ein Marsch, eine Bus- und eine Bahnfahrt, und ich sitze am See auf einem Stein. Die Wellen der Fähre. Im Abendlicht springen Fische in die Luft, um Insekten zu fangen. Die Berge leuchten mit ihren Schneeschleiern. Ich lese, mache ein Bild. Und noch eines, wie so jemand, der sein Leben festhalten wollte. Was Du nicht in der Hand hast, kannst Du nicht halten, sage ich leise den Spruch eines Freundes vor mich hin und schiebe das Telefon wieder ein. Nur den Schwan, der sich direkt vor mir aufwendig das Brustgefieder putzt, fotografiere ich noch.

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Ich schaue auf ein Bild vom Vortag. In der Mitte eine leuchtende Säule aus Bierkästen, darauf ein jubelndes Kind. Ein Seil weist nach oben aus dem Bild und kommt an anderer Stelle schräg zurück zu einer unteren Bildecke. Dort stehe ich in meinen kurzen Arbeitshosen, in einem dieser graumelierten Hemden, mit Gurt und Gerümpel, und schaue nach oben, die Hände am Seil. Man sieht mich von hinten, die raspelkurzen Haare und den immer roten Nacken. Meine Schultern, denke ich, können sich dann doch sehen lassen für mein Alter. Das muß also diese Künstliche Intelligenz sein, die Bilder verbessert, um uns Dumme hinters Licht zu führen. Ich würde das Bild ja verschicken, um mich in diesem Licht zu zeigen, doch ein Glück, ich wüßte nicht, wohin. Ich singe das Lob der Unerreichbarkeit.

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Ich habe ein neues Telefon gekauft, für mich ein neues, das jemand anderes gern abgibt. Das alte hat nun bald ausgelitten nach fünf Jahren bei mir. Auch mir werden die Zyklen kürzer, auch ich rutsche in diesen verhassten Überfluss, wehre mich immer seltener. Das neue Telefon lässt sich noch Zeit, und ich lache mich während der gesamten Wartezeit selbst aus, wofür ich ein Telefon brauche, wenn mich doch niemand jemals ruft. Das stimmt natürlich nicht, doch manche Löcher muß ich in die Tiefe graben.

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Überfluss. Ich habe einen Arbeitsrechner und einen privaten. Ich habe noch einen alten Rechner, der mit seinen zwölf Jahren immer noch tut, aber keine rechte Aufgabe mehr findet. Ich habe ein Schreibgerät und ein Lesegerät. Ich lebe im Überfluss der Geräte, der Zimmer, der Fahrräder. Ich schlafe fast ein Jahr schon auf dem Boden. Es ist vielleicht noch nicht alles verloren. Aber bald, ich habe an meiner Schwäche keine Zweifel.

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Knapp die Hälfte des Estrichs ist geschliffen. Die letzten Bahnen des Tages ohne den röchelnden Staubsauger, der mehr mit seinen Beuteln als mit dem Schleifstaub kämpft. Irgendwann hilft alles Klopfen nicht mehr, sage ich und tätschle ihn, und vielleicht tätschelt man mich einst ebenso. Ich knie im Staub, ich sehe den Winkelschleifer nicht mehr auf dem Boden. Meine dümmste Idee des Tages, denke ich, doch der Tag ist ja noch nicht vorbei. Ich öffne ein Fenster, in Schwaden zieht der Staub ab. Ich lasse den Schleifer liegen und das Stück alten Teppich fallen, das ich als Hitzeschutz an den Fingern hatte. Als hätte mir keine Woche Tage genug. Die Rolläden sind zumindest vermessen, und so kann ich die Motoren bestellen. Als würde ich je einen von ihnen schließen. Doch vielleicht auch das noch, irgendwann.

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Ein Kaffee auf meinem Balkon, auf meinem hölzernen Klappstuhl, den ich einst kaufte, damals, nach der Bibliothek, auf meinem Weg in die Welt. Ich höre den Vögeln zu und lese ein paar Minuten von jemandem, der mit einem Schlaganfall bremste und genug Glück hatte, um später drüber schreiben zu können. Immer wieder erzählt er von den Besuchen seiner Kinder, und ich klappe das vermaledeite Buch zu, aus dem ich mir durch Weglassen meine Zukunftsmusik schreibe.

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Die neue Federgabel am alten Rad hat ihre Luft verloren, von einem Tag auf den anderen, und das Internet und seine Käufe, die machen überhaupt nicht alles besser. Ich möchte keine Garantieansprüche über Auktionshäuser geltend machen, meine Güte, diese Nerven habe ich nicht. Ich werde es wohl demnächst mit einem neuen Ventileinsatz versuchen, und sowieso habe ich schon allzu lange keine Federgabel mehr zerlegt. Es wird auch dazu Tage geben.

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Im Auto an einem der Tage, die mich hierher bringen, der absurde Gedanke, jemanden anzurufen. Ich wußte dann doch nicht, wen.

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Live by the river, work by the sea, schreibe ich, und nach knapp einer Minute lösche ich das wieder. Klang ist nicht alles, und near the Swabian see ist selbst mir zu theatralisch. Ich denke kurz über eine Postkarte nach, und vielleicht sollte ich weniger von dem Kleberstaub einatmen, den ich so fleißig vom Boden schleife.
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