Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Freitag, 24. 11 23

24.11.23, 09:41
Einmal modern sein wollte ich. Einmal ganz vorn dabei. Bio, öko, nachhaltig. Und so habe ich beim Grillanzünderkauf für den Kachelofen zum kindersicheren Biobrocken gegriffen. Nach dem Öffnen des Kartons, der so bunt bedruckt ist, daß man sicherheitshalber draufgeschrieben hat, man solle ihn aus Gründen der Giftigkeit lieber nicht mitverbrennen, ist alles nochmal in Plastik eingeschweißt. Wegen Bio, Öko und so, wissenschon. Kindersicher ist Plastik ja nie, aber ein Kind ist nicht zur Hand, also reiße ich das Plastik selbst auf. Das Plastik hilft mit und reißt weiter, und so liegt der ganze, staubige Bio-Öko-Grillanzünder erst mal auf dem Fußboden. Und staubt vor sich hin. So wie jedesmal, wenn ich seitdem ein kleines Stück davon abbrechen will, um den Kachelofen anzufeuern. Denn Holzfeuerung ist zwar irgendwie auch umweltschädlich, man denke an Kohlenmonoxide und Feinstäube, aber Gas ist putinfreundlich, man könnte es glatt wagenknechtesk nennen, wenn irgendwer das Wort lesen oder aussprechen könnte. Und lieber tot als Putinfreund, so will es der Zeitgeist, und ich bin ja immer etwas hintendran, aber daß einer meiner Lieblingsfilme, in dem einer der Protagonisten darauf besteht, lieber tot und cool als lebendig und uncool zu sein, schon aufgrund seines Titels heute mit einer Warnung beklebt sein müsste, die mehr als die Hälfte des Bildschirms einnimmt, ist selbst mir aufgefallen. Dabei rauche ich nicht einmal, was nichts mit dem Denken zu tun hat, sondern mit dem Filmtitel, in dem eine Zigarettenmarke vorkommt. Ich bin also ganz auf der Höhe der Zeit, und der einzige, der hier noch rauchen darf, ist der Kachelofen. Wegen Gas, wegen Putin, wissenschon. Nun raucht der Ofen aber nicht, dafür der Bio-Öko-Anzünder. Nach dem Abbrechen eines Stücks fege ich erst die Fetzen auf dem Boden zusammen und werfe sie durch die Ofentür. Sollen sie mitverbrennen, dafür sind sie schließlich gedacht. Dann halte ich den restlichen, reichlich zerfetzten Brocken zwischen Daumen und Zeigefinger und zünde ihn mit einem Feuerzeug an. Der Brocken geht in Flammen auf, als wäre der Teufel in ihm und hinter meinen Fingern her. Ich lasse ihn fallen, er verlöscht auf den Fliesen. Ich lege das Mistding also in den Ofen und zünde es erneut an. Nun brennt er nicht mehr. Kindersicher. Ich brauche das halbe Feuerzeuggas auf, ich hole das Ding mit spitzen und glühenden Fingern wieder aus dem Ofen und zünde es an. Es brennt sofort. Lichterloh. Und heiß. Ich erinnere mich an meine Finger und werfe es in den Ofen, wo es verlöscht. Kindersicher, bio, öko, und absolut unbrennbar. Dafür sieht der Boden vor lauter Fetzen Grillanzündern und Ofenstaub mittlerweile aus, als wäre Putin persönlich durchmarschiert. Denn wenn der eine Spur aus Flammen, Ruß und Asche hinterlassen könnte, er würde es sicher tun. Nun, das tut er ja schon. Ich werfe das ganze kindersichere Paket von Öko-Anzündern aus Wasweißichwolle in den Ofen und vor Verzweiflung fast das Feuerzeug hinterher. Das ist aber mein einziges, vor zig Jahren bei einem Dönerbesuch abgestaubt und immer noch gut. Das nenne ich mal nachhaltig, denn ich habe neulich mal nachgeschlagen und festgestellt, daß es weder den Dönerladen, noch das zugehörige Gebäude überhaupt noch gibt. Auf dem Satellitenbild steht ein Bagger in einer Baugrube, und ich werde somit wohl nie mehr an ein ähnlich gutes Feuerzeug gelangen. Hoffentlich werden die nicht verboten, denke ich und sinniere, wann ich zuletzt Feuer mit einem Reibestab angezündet habe. Gerade mal zehn Jahre dürfte das her sein, und ich erinnere mich, daß wir zuletzt den Reibestab in einen Akkuschrauber einspannen mussten, um schnell genug drehen zu können. Und es wurde danach auch nie ganz klar, ob der glühende Akkuschrauber oder der Reibestab denn letztendlich das Feuer entfacht hatte. Wie auch immer, das Wohnzimmer ist kalt, der Ofen ist aus. Wenn das nicht die große Politik im kleinen Wohnzimmer ist! Ich hole also aus dem Arbeitszimmer die ordnerfüllenden Berechnungen des Energieberaters, der einen Teil seines Honorars übrigens in Form von staatlicher Beihilfe erhalten hat. Noch keine zwei Jahre ist es her, daß man uns als Bio, Öko und Nachhaltig eine Gasheizung empfohlen hat. Jetzt ist sie halt da, hole ich seufzend die große Politik noch einmal ins kleine Wohnzimmer, und pflücke nacheinander die Blätter aus dem Ordner, zerknülle sie einzeln und liebevoll und werfe sie in den Ofen, bis er überquillt. Dann setze ich das Feuerzeug an, schließe das Türchen fest und sehe kniend den Flammen zu, die aus dem Alten, was vor Kurzem noch Neues war, wenigstens einen kleinen Nutzen ziehen können. Ein Scheit nach dem anderen fängt Feuer, und ich sehe fasziniert und untätig zu, nur durch ein Glastürchen davon getrennt. Wieder große Politik, denke ich noch, aber dann muß ich wirklich anfangen, zu arbeiten.
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