... Vorwärts fahren
12.11.23, 00:55
Es ist kalt geworden heute, an Deinem Todestag.
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Wer das lesen soll, frage ich mich manchmal, und denke dann an mich selbst. Vielleicht bringt mir, was ich heute schreibe, einst einen Tag zurück.
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"Don't look back, You can never go back", hieß es einst, und ich mußte dann doch nachschlagen, wer das zuerst gesungen hat: Don Henley. Und gerade in der Musik lebe ich ja fast vollständig in der Vergangenheit. Ich werde die Sechziger, die ich im ersten Durchgang leider verpasst habe, vielleicht in diesem Jahrhundert noch erleben dürfen, und vielleicht kommt ja der Rock'n'Roll zurück. "I thought I knew what love was - what did I know", ging es schließlich weiter im Text.
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Überhaupt einen der wenigen Tage unter Normaldruck erlebt. Und schon lebe ich auf, fange zu blühen und zu singen an, schlurfe ein paar Tanzschritte über den Fliesenboden im Wohnzimmer, groß wie ein Tanzsaal. Das ist seltsam, wo die unbearbeiteten Aufgaben, die offenen und losen Enden doch überall an mir ziehen wollen - doch ich bin für einen Abend nicht da. Es muß der erste sein in diesem Jahr, denke ich, als wäre ich aufgetaucht, als wäre ich plötzlich in einer anderen Größenordnung, größer als die Sorgen und Pflichten, unterwegs.
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Dem Feuer im Ofen könnte ich ewig zusehen.
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Tatsächlich ein Trost, auch Wochen danach, diese eine Abfolge von Phasen in dieser sehr speziellen Arbeitswelt ist, deren erste schlicht "Überleben" heißt.
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Jeder Tag ist Deadline.
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Ich war schon einsamer, denke ich, aber selten war die Einsamkeit so betonhart. So bleibt das jetzt, denke ich dann. Du hast alles getan und alles versucht. Nur nicht das Richtige. Den Ofen hast Du, doch wird das Knistern nie übertönt vom Gelächter. Den Kalender hast Du vollbekommen, doch sind es Organisationen, die an Dir zerren. Die Menschen und ich, wir haben uns abgewandt.
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Im Traum rede ich mit den Kühen. In den guten Träumen reden sie mit mir.
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Es ist natürlich auch die Jahreszeit für Melancholie, und der glitzernde Schnee wird sie bedecken.
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Ich glaube nicht an eine große Katastrophe habe ich gesagt, und je mehr ich drüber nachdenke, umso mehr glaube ich mir selbst. Ich könnte nicht sein, würde ich an eine Katastrophe glauben. Sie nähme mir den Sinn, von dem ich immer behaupte, ich würde ihn nicht kennen. Das kann schon sein, sage ich mir, daß Du den nicht kennst, den Sinn, aber spüren kannst Du ihn wohl, und ihn in dem erfassen, das ihn Dir nehmen könnte. Das Wissen um eine Katastrophe - ich würde dann doch keinen Baum mehr pflanzen, mich nicht mehr auf die Bühne stellen, um in meiner eigenen Scham zu baden. Bestünde er nur daraus, wäre Sinn vielleicht die Knute, die uns treibt, die Karotte für den Esel, wäre Zuckerbrot und Peitsche in einem. Womöglich reicht mir das, und an anderen Orten hätte ich diesen Satz wohl in Klammern gestellt. Meine Ausdrucksform passt sich der Umgebung an, heißt das wohl, und vielleicht schaffe ich dieses Kunststück ja auch mit dem Sinn.
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Ich kann keine Musik mehr hören auf den langen Autofahrten. Sie lässt mich nicht so reglos verharren, wie ich muß, den Blick weit, die Hände ruhig. Das war einst anders, und heute noch kann ich ganze Alben auswendig mitsingen, die mich über viele Kilometer begleitet haben. Sie gingen mit dem roten Radio, das mir gestohlen wurde.
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"Und mein Herz, das poltert auch." Man müsste Gisbert zu Knyphausen ein Denkmal setzen.
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Ich werde einen Christbaum aufstellen und Geschenke darunterlegen. Einer muß ja, vielleicht die große Überschrift des Kapitels, das in diesem Jahr ein Ende findet. Es fügen sich Gegebenheiten, in die ich mich füge, und denke vielleicht zum ersten Mal in Lebenslängen. Ein Leben lang in diesen Ofen schauen, auch wenn ich mir zurufe, daß es nicht einmal mehr ein halbes Leben reichen wird. Ein Leben lang, solang ich kann. Eine Arbeit, die mir wohl einmal zuviel wird, aber die ich nicht mehr hergeben mag. Und wenn ich irgendwann eine Woche Socken ohne Löcher tragen kann, bin ich vielleicht auch erwachsen.
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Wie ich das Schreiben auf Papier vermisst habe. Wie ich noch immer dem einen, dem perfekten Füller nachtrauere.
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Einweichen, aufweichen. Jedenfalls, die Härte abschütteln.
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Den Tag gehenlassen, auch diesen. Die Gedanken freilassen, sie nicht festhalten. Ich schreibe sie Dir nicht mehr, weil Du sie nicht mehr hören willst. Als wärst Du tot, dachte ich eben, aber es ist doch verkehrt: Als wäre ich tot, als könnte ich Dir nicht mehr schreiben, nicht mehr denken für Dich. Ich hoffe, daß es Dir gutgeht, habe ich oft gesagt, und das denke ich dann doch noch. Ein bißchen Sprit ist noch im Tank, und ab und zu ein Funken, damit sich das alte Zylinderherz noch weiterdreht.
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Die Sterne blinken, winken, zittern. Die Luft frisch, klar, kalt.
"Er sah ihn stürzen, trinken
Und sinken tief ins Meer"
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Wer das lesen soll, frage ich mich manchmal, und denke dann an mich selbst. Vielleicht bringt mir, was ich heute schreibe, einst einen Tag zurück.
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"Don't look back, You can never go back", hieß es einst, und ich mußte dann doch nachschlagen, wer das zuerst gesungen hat: Don Henley. Und gerade in der Musik lebe ich ja fast vollständig in der Vergangenheit. Ich werde die Sechziger, die ich im ersten Durchgang leider verpasst habe, vielleicht in diesem Jahrhundert noch erleben dürfen, und vielleicht kommt ja der Rock'n'Roll zurück. "I thought I knew what love was - what did I know", ging es schließlich weiter im Text.
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Überhaupt einen der wenigen Tage unter Normaldruck erlebt. Und schon lebe ich auf, fange zu blühen und zu singen an, schlurfe ein paar Tanzschritte über den Fliesenboden im Wohnzimmer, groß wie ein Tanzsaal. Das ist seltsam, wo die unbearbeiteten Aufgaben, die offenen und losen Enden doch überall an mir ziehen wollen - doch ich bin für einen Abend nicht da. Es muß der erste sein in diesem Jahr, denke ich, als wäre ich aufgetaucht, als wäre ich plötzlich in einer anderen Größenordnung, größer als die Sorgen und Pflichten, unterwegs.
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Dem Feuer im Ofen könnte ich ewig zusehen.
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Tatsächlich ein Trost, auch Wochen danach, diese eine Abfolge von Phasen in dieser sehr speziellen Arbeitswelt ist, deren erste schlicht "Überleben" heißt.
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Jeder Tag ist Deadline.
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Ich war schon einsamer, denke ich, aber selten war die Einsamkeit so betonhart. So bleibt das jetzt, denke ich dann. Du hast alles getan und alles versucht. Nur nicht das Richtige. Den Ofen hast Du, doch wird das Knistern nie übertönt vom Gelächter. Den Kalender hast Du vollbekommen, doch sind es Organisationen, die an Dir zerren. Die Menschen und ich, wir haben uns abgewandt.
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Im Traum rede ich mit den Kühen. In den guten Träumen reden sie mit mir.
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Es ist natürlich auch die Jahreszeit für Melancholie, und der glitzernde Schnee wird sie bedecken.
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Ich glaube nicht an eine große Katastrophe habe ich gesagt, und je mehr ich drüber nachdenke, umso mehr glaube ich mir selbst. Ich könnte nicht sein, würde ich an eine Katastrophe glauben. Sie nähme mir den Sinn, von dem ich immer behaupte, ich würde ihn nicht kennen. Das kann schon sein, sage ich mir, daß Du den nicht kennst, den Sinn, aber spüren kannst Du ihn wohl, und ihn in dem erfassen, das ihn Dir nehmen könnte. Das Wissen um eine Katastrophe - ich würde dann doch keinen Baum mehr pflanzen, mich nicht mehr auf die Bühne stellen, um in meiner eigenen Scham zu baden. Bestünde er nur daraus, wäre Sinn vielleicht die Knute, die uns treibt, die Karotte für den Esel, wäre Zuckerbrot und Peitsche in einem. Womöglich reicht mir das, und an anderen Orten hätte ich diesen Satz wohl in Klammern gestellt. Meine Ausdrucksform passt sich der Umgebung an, heißt das wohl, und vielleicht schaffe ich dieses Kunststück ja auch mit dem Sinn.
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Ich kann keine Musik mehr hören auf den langen Autofahrten. Sie lässt mich nicht so reglos verharren, wie ich muß, den Blick weit, die Hände ruhig. Das war einst anders, und heute noch kann ich ganze Alben auswendig mitsingen, die mich über viele Kilometer begleitet haben. Sie gingen mit dem roten Radio, das mir gestohlen wurde.
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"Und mein Herz, das poltert auch." Man müsste Gisbert zu Knyphausen ein Denkmal setzen.
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Ich werde einen Christbaum aufstellen und Geschenke darunterlegen. Einer muß ja, vielleicht die große Überschrift des Kapitels, das in diesem Jahr ein Ende findet. Es fügen sich Gegebenheiten, in die ich mich füge, und denke vielleicht zum ersten Mal in Lebenslängen. Ein Leben lang in diesen Ofen schauen, auch wenn ich mir zurufe, daß es nicht einmal mehr ein halbes Leben reichen wird. Ein Leben lang, solang ich kann. Eine Arbeit, die mir wohl einmal zuviel wird, aber die ich nicht mehr hergeben mag. Und wenn ich irgendwann eine Woche Socken ohne Löcher tragen kann, bin ich vielleicht auch erwachsen.
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Wie ich das Schreiben auf Papier vermisst habe. Wie ich noch immer dem einen, dem perfekten Füller nachtrauere.
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Einweichen, aufweichen. Jedenfalls, die Härte abschütteln.
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Den Tag gehenlassen, auch diesen. Die Gedanken freilassen, sie nicht festhalten. Ich schreibe sie Dir nicht mehr, weil Du sie nicht mehr hören willst. Als wärst Du tot, dachte ich eben, aber es ist doch verkehrt: Als wäre ich tot, als könnte ich Dir nicht mehr schreiben, nicht mehr denken für Dich. Ich hoffe, daß es Dir gutgeht, habe ich oft gesagt, und das denke ich dann doch noch. Ein bißchen Sprit ist noch im Tank, und ab und zu ein Funken, damit sich das alte Zylinderherz noch weiterdreht.
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Die Sterne blinken, winken, zittern. Die Luft frisch, klar, kalt.
"Er sah ihn stürzen, trinken
Und sinken tief ins Meer"
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