Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Mittwoch, 29. 12 21

29.12.21, 11:42 | 'Strippen und so'
Solar nun also, oder besser Photovoltaik. Vor ewigen Zeiten, laut Aufdruck vor etwa acht Jahren, habe ich mir ein Solar-Ladegerät mit USB-Anschluss gekauft. Angegeben waren fünf Watt, und wenn ich so drüber nachdenke, scheint es auch bei den Ladeleistungen eine Art Inflation zu geben. Das war immerhin jenseits der damaligen USB-Spezifikation, an die sich aber auch damals schon kein Mensch mehr hielt. Und wie fast alles habe ich auch dieses Gerät irgendwann zerlegt und zum Bastelmaterial gepackt. Eine Idee für einen solarbetriebenen Springbrunnen hat sich bis heute nicht verwirklicht, ist aber auch noch nicht ganz gestorben. Ein Miniaturbachlauf soll es werden, der auf eine Fensterbank passt - aber das ist ein anderes Thema, eine andere Bastelei.

Gestern also die beiden Zellen. Zunächst interessierte mich die Kennlinie. Die FH Bielefeld stellt ein schönes Dokument zur Verfügung, in dem das Ersatzschaubild schön erklärt wird. Eine ideale Stromquelle, der eine Diode parallel angeschlossen wird. Warum das so ist, habe ich noch nicht verstanden - vielleicht kann das verwendete Material einfach nicht mehr Spannung aufbauen, also mehr Ladung trennen, und die überschüssige Ladung "springt" quasi zurück. Doch damit greife ich der Funktion vor - die idealisierte Kennlinie der Solarzelle (jaja, Photozelle, meine Güte) ist quasi ein Rechteck. Der Strom bleibt also unabhängig von der Spannung konstant bis zur Grenzspannung. Dort bricht er dann zusammen, die Stromquelle liefert keinen Strom mehr, hält nur noch die Spannung aufrecht. Nun rundet die Realität diese idealisierte Idee einer Kennlinie ein wenig ab, und auch hier sind mir die Effekte bislang nicht ganz klar. Ich vermute einen Grundeffekt, und zwar, daß ein fließender Strom stets einen Widerstand und damit eine absinkende Spannung erzeugt. Jedoch gibt es zwei bestimmende Kennwerte: Die Spannung bei unendlichem Widerstand, also keinem Stromfluss, oder die sogenannte Open Circuit Voltage OCV. Das ist die sogenannte Leerlaufspannung. Diese wird unter fast allen Umgebungsbedingungen erreicht, denn dafür ist in der Zelle nicht allzuviel nötig - lediglich eine geringe Ladungsmenge muß getrennt werden. Der zweite Kennwert ist der Kurzschlussstrom, also die Ladungsmenge, die die Zelle im Kurzschlussfall bewegen kann. Dieser Strom ist ein gutes Maß für den Innenwiderstand der Zelle, denn bei geringem Innenwiderstand kann mit gleicher Leistung mehr Strom fließen, da die nötige Spannung geringer ist. Nun habe ich aus oben verlinktem Dokument auch gelernt, daß der Kurzschlussstrom von den Lichtverhältnissen abhängt, also ein gutes Maß für die auftreffende Lichtmenge (anschaulicher Begriff, für den vermutlich ein Physiker leiden muß) und die Verwertung durch die Zelle, also die gewandelte elektrische Leistung. Und die interessiert mich, hängt sie doch vom Licht ebenso ab wie von der Aufstellung der Solarzelle.

Ich versuche mich also an der Erstellung einer Kennlinie meiner kleinen Zelle, ihres Zeichens 5 Volt und 3,5 Watt stark - aber nur in Kombination mit ihrem Zwilling. Nun ja, Kennwerte. Leider glaube ich fälschlicherweise, kein Potentiometer im Haus zu haben, mit dem ich verschiedene Widerstände und damit Spannungen und Ströme darstellen könnte. Ich nutze daher verschiedene Widerstände aus dem Bereich "unsortiert", klemme sie an und messe jeweils die am Widerstand abfallende Spannung und den Widerstandswert selbst. Denn aus der "Schweizergleichung" oder dem URI-Dreieck kann ich für Gleichströme wie aus der Solarzelle sehr schön den fließenden Strom berechnen. Daß mein Multimeter einigermaßen tauglich wäre, Ströme direkt zu messen, fällt mir leider erst jetzt ein. Es hilft ja nix, man bleibt eben Maschinenbauer, auch wenn man mit dem Strom zum Spielen geht. Als Beleuchtung habe ich meine alte Schreibtischlampe verwendet, denn neben tröstlichem Halogenlicht sorgt sie auch noch für warme Finger an kalten Tagen und ersetzt mir somit den Gang zur Heizung, die an Werktagen eher eine Kaltung ist. Woher soll sie auch vom Urlaub wissen! Nach vielem An und Aus der Lampe und An- und Abklemmen diverser Widerstände, begleitet von sehr wechselhaftem Sonnenschein und strömendem Regen durchs beziehungsweise am Südostfenster, erhalte ich also so etwas wie eine Kennlinie. An dieser Kennlinie kann man vor allem die Unzulänglichkeit meiner Messumgebung ablesen. Realität kann auch tröstlich sein, wenn sie schon so hart sein muß.


Blau mit wenig, orange mit viel Licht. Und Excel, ja. Als Notizbuch für händische Messungen akzeptiere ich das, und die dynamische Änderung der Grafik begrüße ich sogar, denn so kann ich völlig absurde Messungen gleich wiederholen. Oder löschen, wir sind ja in einer Realität, in der Daten "angepasst" werden, bis sie passen. Wir sind also nicht nur hier und jetzt, sondern gleichzeitig weit, weit entfernt von der idealisierten Kennlinie, was einfach an allem liegt. Die Lichtverhältnisse sind nicht gleichmäßig, die Widerstände nur krokodilisch angeschlossen, und das Multimeter war jetzt nicht vom Jahrmarkt, ist aber auch kein Tausend-Euro-Gerät. Und mehrfach über die Zelle zu wischen, weil dann doch ein Kaffeefleck auf ihr gelandet ist, hilft der präzisen Messung auch nicht unbedingt. Kaffee allerdings hilft meiner Ausdauer, und so produziere ich noch weitere Bildchen. Zuvor möchte ich noch anmerken, daß die Kurve bei wenig Licht durchaus Ähnlichkeit mit der idealisierten Kennlinie aufweist, und einen schönen Knick bei etwa 4V. Mehr scheint die Zelle nicht herzugeben bei dieser halben Götterdämmerung in meinem Arbeitsbastelzimmer. Bei vollem Licht jedoch erreicht sie ihre nominale offene Klemmenspannung. Nur der Strom bei niedrigen Widerständen - herrjeh. Die ganz niedrigen Widerstände scheinen mir nicht recht zu gelingen, auch wenn sie - immer wieder per Zunge getestet - keinesfalls warm werden. Wie denn auch, sind doch die Ströme viel zu gering, als dass wir jemals in die Nähe einer Erwärmung kämen. Auch das sehr wunderlich, hätte ich doch eher mit 500 bis 1000 mW gerechnet als mit mageren 16. Aber dazu in den folgenden Bildchen:


Die Spannung immerhin steigt recht schick über den angelegten Widerstand an, bis sie in Sättigung geht. Bei wenig Licht (blaue Kurve) messe ich noch höhere Widerstände, aber bis auf meine Messwackeligkeit bleibt die Spannung konstant bei 4 Volt. Auch bei mehr Licht (orangefarbene Kurve) geht die Spannung nicht wirklich zurück, nur Excel möchte die Kurven biegen, und ich weiß nicht, wie ich Excel verbiegen muß, damit es das bitte bleiben lässt. Nicht meine Welt. Jedenfalls habe ich nun die Gewissheit, daß entweder meine Schreibtischlampe keine wirkliche Leuchtkraft hat, oder daß aufgedruckte Kennwerte bei Billigstgeräten eben nur aufgedruckt statt eingeprägt sind. Das macht aber alles nichts, ich bleibe von den ganz niedrigen Widerständen einfach ein wenig entfernt. Auch wegen der Erwärmung, falls sich die Zelle dann doch zur Lieferung eines Watts verpflichtet fühlen könnte. Denn kleine Widerstände mit hohen Leistungen habe ich nicht zur Verfügung, und ganz günstig sind sie auch wieder nicht. Ich sortiere mich also im Bereich um 700 Ohm ein, denn 470 und 220 sind Standardwiderstände, die aus allen Ecken meiner Bastelkisten kriechen. Die Spannungen unterscheiden sich auch hier ausreichend zwischen wenig und viel Licht. Und ich komme selbst bei allem, was meine Lampe zu leuchtleisten vermag, nicht in die Nähe der oberen Spannungsgrenze, bleibe also in dem Teil der Kennlinie, der idealisiert waagerecht ist, und der mir sehr schön die Intensität der Beleuchtung und die dazugehörige Wandlerfähigkeit der Zelle anzeigen kann. Zuletzt verpasse ich zur Spannungsglättung dem Widerstand noch einen dicken Kondensator, denn am Kondensator der Strom eilt vor. Einen weiteren Vorteil habe ich noch: An diesem Spannungsteiler vom Verhältnis etwa zwei zu eins entstehen Spannungen in einem Bereich, den ein Arduino sehr schick messen kann. Doch dafür gibt es einen zweiten Teil.

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