Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

02.08.22, 18:20 | '10000 lightyears from home'
Neulich war ich radeln. Das ist bei mir nun nicht ungewöhnlich, auch wenn der Arbeitsweg derzeit eher mit dem Auto zusammenhängt. Denn der hat sich ja in diesem Jahr geändert - um ein Gebäude nur, doch leider ist mir dadurch der Spind verlorengegangen, und all mein notwendiges Zeug, als da wären Plastikschüsseln und Computerhardware und Büroklamotten, kriege ich kaum in den Rucksack gestopft, wenn dazu auch noch Duschzeug mit muß. Ich kenne mich außerdem recht gut und weiß jetzt schon, daß ich alle paar Tage ohne Hosen dastehen werde. Oder ohne Duschgel. Und das wären nur die leicht lösbaren Probleme.

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Ein älterer Mann, betrunken nuschelnd, der ganz dringend noch ein Bier haben muß und dazu mit seinem Bon wedelnd an der Warteschlange entlanggeht, mit der Sicherheit des erfahrenen Trinkers schnurgerade, weil er ja doch eine Verabredung zum Fußball habe in wenigen Minuten, und dazu muß er unbedingt dieses Bier getrunken haben, ganz hektisch wird er nun und nuschelt Fußball- und Bierworte. Die Wartenden schauen, ich schaue, und nur der Mann scheint die Absurdität der Situation nicht zu begreifen. Zum Glück bedient ihn jemand anderes, der ihn besser zu kennen scheint.

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Bei diesem Radeln von neulich, da bin ich nun verhungert. Das ist nun nichts neues, und störend daran ist nur, daß es nicht besser wird. Den Berg stört das nicht, und das stört wiederum den Menschen, und vermutlich ist das ein wesentlicher Grund, warum alle Welt auf Berge steigt und radelt. In meinem Fall, versuche ich mich an einer Entschuldigung, liegt der Berg nun mal vor der Haustür und im Weg. Das stört ihn wiederum wenig, und so kann ich mich zwar in Rage radeln, kippe aber zuletzt doch fast vom Rad. Und es hat nur wenige Jahre gedauert, bis ich mir eingestehe, daß eine andere Kassette meinen Anstieg sehr viel angenehmer machen könnte. Das wird hier so langsam eine Einkaufsliste.

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Ich bekomme sehr erheiternde Geschichten erzählt darüber, wie zwei Menschen ihre Leben gestalten, und so füllen sich die dunklen Stellen in meinen Bildern von ihnen mit diesen leuchtenden Geschichten, die mit Güte und Witz erzählt werden. Ich habe, so siedet mich mein schlechtes Gewissen, nie nach diesen Stellen gefragt. Ich habe immer geglaubt, in anderen sei das Nichts die Normalität. Oder nicht einmal das, ich habe das Nichts als Nichtwissen und Nichttun einfach hingenommen. Ich komme mir sehr engstirnig vor dabei und horche umso aufmerksamer. Was sie nicht alles erlebt haben müssen zwischen ihren Geschichten, und was sie nicht alles getan haben müssen, um bis hier zu gelangen. Wir teilen nur einen Berührpunkt, einen Angelpunkt gar, vielleicht erklärt das mein Nichtwissen. Ganz sicher entschuldigt es nicht, ihnen das Nichts vorzuhalten, das nur in meinem Bild ist.

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Ich sitze auf dem Balkon in der Sonne, eine knappe Stunde habe ich dafür. Ein neues, altes Buch liegt auf meinen Beinen und strahlt aus weißen Seiten. In der Ferne höre ich eine Großpackenpresse und den Schlepper brummen, ganz sanft wirkt es durch die Entfernung. Sehen kann ich das Gespann nicht, und vielleicht höre ich irgendwann auf, es zu spüren. Entfernung im Raum, Entfernung in der Zeit. Und das mir, der sich doch nie entfernen wollte.

Rauchzeichen




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