23.01.20, 10:55 | 'Harrjah!'
So ein ganz klein wenig freue ich mich an der Verwirrung, die ich in allen Köpfen erzeuge, wenn die Zuordnungseinheiten ins Rattern kommen, weil irgendwas nicht ordnungsgemäß durchs Raster fallen will. Oder eben so geformt ist, und dabei denke ich lächelnd an die bekannten Kinderspiele, daß es durch alle Löcher passt - auch hier ohne eindeutige Zuordnung. Und so sagt die Notwendigkeit des Ordnens etwas aus über uns und unser aller Beschränktheit, da wir ohne Ordnung ganz offensichtlich nicht leben können, und gleichzeitig über die Unvollkommenheit unserer Muster und Raster, da sich jederzeit und mit einfachsten Mitteln konstruieren lässt, was überall und nirgends hinein und -durch passen mag. So antworte ich auf die oft gestellte Frage, was denn am Abend zu tun sei, die ich eigentlich so gar nicht beantworten mag, denn meine innere Ordnung befiehlt mir die Trennung von Beruflichem und des Privaten, daß ich kochen werde. Kein Geheimnis für jeden, der mich tagtäglich die Kantine verweigernd aus Plastikkübeln essen sieht, statt von richtigen Tellern, auch wenn die aus irgendeinem Kunststoff sein mögen, damit sie der industriellen Spülmaschine und dem rabaukenhaften Umgang durch Personal und Gäste standhalten. Dafür muß ich nicht eingepfercht auf sechzig Zentimetern sitzen und mich nicht an Pläne und anderer Leute Mengenvorgaben halten, und irgendwas ist ja immer, das uns auf dem Weg zum Humanisten aufhält, auch wenn es nur aus Plastik ist. Oder gerade weil.
Wie auch immer, ich beantworte die Frage, und die vereinzelte Überraschung, daß ein Mann, ein Ingenieur gar und damit ein Gutverdiener, selbst zu kochen hat an einem Werktag, ja hat der denn keine Frau daheim, die Überraschung freut mich schon, und besonders noch an den Tagen, an denen ich überhaupt nicht zu kochen vorhabe. Ich garstiger Verschleierer der wahren Umstände, und kein Wunder, daß die Totalüberwachung nun endlich in der Welt ankommt, um solche wie mich zu enttarnen und zu züchtigen, ich garstiger jedenfalls lasse es dabei noch nicht einmal bewenden. Habe ich einmal angefangen, antworte ich weiter, erweitere die Antwort ungefragt, und sage, selbstverständlich ohne Fleisch. Aha, leuchtet die Erkenntnis in den einen, einer dieser neumodischen Vegetarier, oder bewahre, Veganer gar, doch bevor das Raster sich zurechtrattern und -rütteln kann, lege ich nach, daß es Fleisch bei uns nur sonntags gibt. Oho, nun die anderen, wie damals in der guten alten Zeit, und daß sie selbst es längst nicht mehr so halten erhebt mich nur noch mehr, denn Traditionen gelten doch vor allem denen etwas, die sich selbst nicht mehr drum scheren, und alte Zeiten sind nur dann gut, wenn sie erst überwunden sind und keiner mehr in Holzschuhen durch den Schnee marschieren muß, auf dem Weg zum Wasserloch und verfolgt von Wölfen. Derweil mache ich mir im Geiste schon eine Notiz, doch vielleicht einmal die Mengen an Hackfleisch zu erwähnen, die in meiner Truhe vor sich hin frosten, denn Hackfleisch ist das Böse, da ist ja alles drin, und billig ist es auch noch, und vielleicht sage ich dann dazu, daß ich das zugehörige Rind gefüttert und zum Metzger gefahren habe, das Fleisch im heimischen Wolf verarbeitet, abgepackt und eingefroren habe, aber vielleicht spare ich mir das auch noch ein Jahr auf oder zwei, damit noch ein Rest Verwirrung bleibt und mir den wahren Schleier lässt. Denn wirklich unbekannt ist nur der, über den sie alles zu wissen glauben.
Wie auch immer, ich beantworte die Frage, und die vereinzelte Überraschung, daß ein Mann, ein Ingenieur gar und damit ein Gutverdiener, selbst zu kochen hat an einem Werktag, ja hat der denn keine Frau daheim, die Überraschung freut mich schon, und besonders noch an den Tagen, an denen ich überhaupt nicht zu kochen vorhabe. Ich garstiger Verschleierer der wahren Umstände, und kein Wunder, daß die Totalüberwachung nun endlich in der Welt ankommt, um solche wie mich zu enttarnen und zu züchtigen, ich garstiger jedenfalls lasse es dabei noch nicht einmal bewenden. Habe ich einmal angefangen, antworte ich weiter, erweitere die Antwort ungefragt, und sage, selbstverständlich ohne Fleisch. Aha, leuchtet die Erkenntnis in den einen, einer dieser neumodischen Vegetarier, oder bewahre, Veganer gar, doch bevor das Raster sich zurechtrattern und -rütteln kann, lege ich nach, daß es Fleisch bei uns nur sonntags gibt. Oho, nun die anderen, wie damals in der guten alten Zeit, und daß sie selbst es längst nicht mehr so halten erhebt mich nur noch mehr, denn Traditionen gelten doch vor allem denen etwas, die sich selbst nicht mehr drum scheren, und alte Zeiten sind nur dann gut, wenn sie erst überwunden sind und keiner mehr in Holzschuhen durch den Schnee marschieren muß, auf dem Weg zum Wasserloch und verfolgt von Wölfen. Derweil mache ich mir im Geiste schon eine Notiz, doch vielleicht einmal die Mengen an Hackfleisch zu erwähnen, die in meiner Truhe vor sich hin frosten, denn Hackfleisch ist das Böse, da ist ja alles drin, und billig ist es auch noch, und vielleicht sage ich dann dazu, daß ich das zugehörige Rind gefüttert und zum Metzger gefahren habe, das Fleisch im heimischen Wolf verarbeitet, abgepackt und eingefroren habe, aber vielleicht spare ich mir das auch noch ein Jahr auf oder zwei, damit noch ein Rest Verwirrung bleibt und mir den wahren Schleier lässt. Denn wirklich unbekannt ist nur der, über den sie alles zu wissen glauben.
wartet.nicht.mehr   |  
23.01.2020, 15:43   |  
Moin!
Je mehr, je unterschiedlichere Menschen ich kennenlernt habe und je häufiger somit die Verwirrung in meinem Kopf, „wenn die Zuordnungseinheiten ins Rattern kommen, weil irgendwas nicht ordnungsgemäß durchs Raster fallen will“ stattgefunden hat, umso geringer wird sie.
Wenn das Gebaren des Gesprächspartners nicht in die eigenen Raster passt, zieht sich Mensch zurück – oder wird neugierig auf die Eigenheiten des Gegenüber und das mit immer größerer Unabhängigkeit von Rollenmustern, so meine Erfahrung.
Bei mir hat letzteres stattgefunden. Mittlerweile empfinde ich das Rattern der Zuordnungseinheiten in meinem Kopf wie einen Kick. – Sollte ich vielleicht mal zum Arzt gehen? 😀
Bei Deinem Satz, dass „Muster und Raster, da sich jederzeit und mit einfachsten Mitteln konstruieren“ lassen, muss ich an die Sex-Gender-Differenz denken, über die wir im Unterricht gesprochen haben. Die Dozentin hat über stark konstruierte kulturelle Geschlechterprägungen referiert, die sich kaum mit naturgegebenen Konstitutionen erklären lassen.
Die Gewohnheit, eine kochende Frau zu Hause zu haben, ist bei uns in der Stadt nicht mehr sehr verbreitet. (Wobei ich mir wünsche, dass IRGENDWER dem zu Hause wieder mehr Zeit widmen würde - aber das ist ein anderes Thema.)
Letztens habe ich mich mit einer deutschen Akademikerin, die in der Innenstadt lebt und deren Hauptaugenmerk auf ihrem politischen Engagement in der Freizeit liegt, über die Rollenverteilung der ihr bekannten „deutschen Stadtmenschen“ unterhalten. (Ich lebe zum einen am Stadtrand, abseits des großen Trubels und zum anderen war ich die letzten Jahren kaum mit Deutschen zusammen. Insofern habe ich „keinen wirklichen Einblick“ mehr. 😀)
„Das mit dem Kochen“ scheint bei den Männern „zu funktionieren“. Ansonsten gibt es jedoch scheinbar einen Trend zur Rückkehr zu den klassischen Rollenverteilungen im Umfeld meiner Gesprächspartnerin. Bis auf eine (wie ich finde sehr anstrengende) Aufmerksamkeit auf weibliche Benennungsformen in Wort und Schrift, scheinen viele in ihrem emanzipativen Denken nicht weit gekommen zu sein.
Vegetarier, oder „noch besser“ Veganer zu sein, ist bei uns „total angesagt“. Alleine der Vergleich der Unterschiedlichkeit der Maßstäbe in verschiedenen Gegenden unseres Landes sollte uns bewusst machen, dass keiner von ihnen „das Evangelium“ sein kann, sondern alle konstruiert sind.
Viele Grüße
wartet.nicht.mehr
Je mehr, je unterschiedlichere Menschen ich kennenlernt habe und je häufiger somit die Verwirrung in meinem Kopf, „wenn die Zuordnungseinheiten ins Rattern kommen, weil irgendwas nicht ordnungsgemäß durchs Raster fallen will“ stattgefunden hat, umso geringer wird sie.
Wenn das Gebaren des Gesprächspartners nicht in die eigenen Raster passt, zieht sich Mensch zurück – oder wird neugierig auf die Eigenheiten des Gegenüber und das mit immer größerer Unabhängigkeit von Rollenmustern, so meine Erfahrung.
Bei mir hat letzteres stattgefunden. Mittlerweile empfinde ich das Rattern der Zuordnungseinheiten in meinem Kopf wie einen Kick. – Sollte ich vielleicht mal zum Arzt gehen? 😀
Bei Deinem Satz, dass „Muster und Raster, da sich jederzeit und mit einfachsten Mitteln konstruieren“ lassen, muss ich an die Sex-Gender-Differenz denken, über die wir im Unterricht gesprochen haben. Die Dozentin hat über stark konstruierte kulturelle Geschlechterprägungen referiert, die sich kaum mit naturgegebenen Konstitutionen erklären lassen.
Die Gewohnheit, eine kochende Frau zu Hause zu haben, ist bei uns in der Stadt nicht mehr sehr verbreitet. (Wobei ich mir wünsche, dass IRGENDWER dem zu Hause wieder mehr Zeit widmen würde - aber das ist ein anderes Thema.)
Letztens habe ich mich mit einer deutschen Akademikerin, die in der Innenstadt lebt und deren Hauptaugenmerk auf ihrem politischen Engagement in der Freizeit liegt, über die Rollenverteilung der ihr bekannten „deutschen Stadtmenschen“ unterhalten. (Ich lebe zum einen am Stadtrand, abseits des großen Trubels und zum anderen war ich die letzten Jahren kaum mit Deutschen zusammen. Insofern habe ich „keinen wirklichen Einblick“ mehr. 😀)
„Das mit dem Kochen“ scheint bei den Männern „zu funktionieren“. Ansonsten gibt es jedoch scheinbar einen Trend zur Rückkehr zu den klassischen Rollenverteilungen im Umfeld meiner Gesprächspartnerin. Bis auf eine (wie ich finde sehr anstrengende) Aufmerksamkeit auf weibliche Benennungsformen in Wort und Schrift, scheinen viele in ihrem emanzipativen Denken nicht weit gekommen zu sein.
Vegetarier, oder „noch besser“ Veganer zu sein, ist bei uns „total angesagt“. Alleine der Vergleich der Unterschiedlichkeit der Maßstäbe in verschiedenen Gegenden unseres Landes sollte uns bewusst machen, dass keiner von ihnen „das Evangelium“ sein kann, sondern alle konstruiert sind.
Viele Grüße
wartet.nicht.mehr
texas-jim   |  
25.01.2020, 10:39   |  
Gut herausgearbeitet, daß es neben dem Mißverstandenwerdenwollen auch das Mißverstehenwollen gibt. Haben Sie Dank.
wartet.nicht.mehr   |  
29.01.2020, 16:48   |  
Danke für den für mich interessanten Einstiegsbeitrag.
Jetzt müssen Sie mir "auf die Sprünge helfen":
Inwiefern "Mißverstandenwerdenwollen" und "Mißverstehenwollen"?
Viele Grüße
wartet.nicht.mehr
Jetzt müssen Sie mir "auf die Sprünge helfen":
Inwiefern "Mißverstandenwerdenwollen" und "Mißverstehenwollen"?
Viele Grüße
wartet.nicht.mehr
wartet.nicht.mehr   |  
29.01.2020, 17:35   |  
Ich habe nochmal eine andere Frage;
Wo muss ich welchen Befehl eingeben, um Silbentrennung auch in die Kommentarfunktion einzubauen?
Viele Grüße
Wo muss ich welchen Befehl eingeben, um Silbentrennung auch in die Kommentarfunktion einzubauen?
Viele Grüße