Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

Deutschland Direttissima I
14.09.18, 22:32 | 'Single Trails'
Nach dem Tag Null, der Anreise in die große Stadt, die ich im Dunkeln und von mehreren Wolkenbrüchen völlig durchnäßt erreiche, starte ich am Tag Eins zum Bahnhof, schließe dort mein Rad an einen Halter und marschiere durch den ganzen Zug zu meinem Platz in der Ersten Klasse. Wenn man reichlich spontan bucht, kann die nämlich sogar billiger sein als die zweite. Lang ist es leise im Abteil, und meine Nebensitzerin spricht auch nicht. Ich döse, lese im Telefon, spare aber am Akku, denn zuerst finde ich die Steckdose neben dem Sitz nicht, dann stelle ich fest, daß mein Ladekabel noch am Rad hängt. Irgendwann mache ich mich dorthin auf, werde von einer Frauengruppe zum Sekt und von einem Kegelclub zum Bier eingeladen. Es ist laut und voll und herzlich, und es ist auf dem Weg bei Weitem nicht so langweilig wie mit den Erstklässlern. Werde ich mir merken, denke ich, während ich mit Bier und Sekt im Kopf zurückstolpere über die Beine derer, die zwischen den Abteilen an den Türen auf dem Boden sitzen. Ich komme dann doch noch mit meiner Nebensitzerin ins Gespräch, erzähle von Gleichströmen in Batterien und erfahre etwas über energetische Heilung, und daß mit Löwen alles etwas schwieriger ist. Dann setzt sie sich auf die andere Seite, auf der ein Platz freigeworden ist. Ich marschiere irgendwann noch einmal durch den Zug zu meinem Rad, ziehe mich dort um und werde, ein Bein in der Hose, das andere frisch und frei in der Luft haltend, angesprochen. Mit dem Reifen, deutet er auf mein Rad, durch Deutschland. Respekt. Er redet immer von seiner Frau, als sei sie nicht da, und ich komme erst gegen Ende drauf, daß sie neben ihm sitzt, als wir uns verabschieden. Wieder was gelernt, denke ich, und mit Löwen ist es ja eh schwierig, tröste ich die Frau im Stillen. Dann steige ich aus und stehe doof da mit meiner Radhose, weil ich ja gleich mit der Pritsche abgeholt werde. Sofort wieder drin, wenige Worte, wir sind ja nicht umsonst schon so lange Zeit Freunde geblieben über die Entfernung. Ich lade eine Theke mitsamt ihrer ganzen tragischen Geschichte ab, und als sich der Staub verzieht, sitzen wir bei Pizza und Bier und überlegen, wie man im ökologischen Rapsanbau auf den Pflug verzichten kann. Es ist ein sehr trauriger Humor, der uns darauf bringt, daß man in solchen Sommern auch einfach auf den Raps verzichten kann. Ich schaue noch einmal nach den vielen Spinnen in dem lang ungenutzten Zimmer unterm Dach, schaue durchs Fenster auf den Bodden hinaus und schlafe ein.


Der Trecker bereit, die Blumen gegossen, und Spinnweben am Liegestuhl. Symbolbild meiner Bauern.

Rauchzeichen




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