... Vorwärts fahren
Deutschland Direttissima II
18.09.18, 13:25 | 'Single Trails'
Als mich der Wecker aufschreckt von meiner Matte, scheint bereits die Sonne. Ich stehe am Fenster und schaue hinunter auf den Reitplatz und den Bodden. Der Sommer war sehr groß, denke ich.
Nach dem Frühstück fahre ich los. Die Route hat mir keine Ruhe gelassen. Für das Nachfahren der vorgefertigten Tour sprechen die Einfachheit des Folgens und die eingezeichneten Schlafmöglichkeiten. Aber direkt wäre ich schneller, würde ich mich mit jedem Meter der Heimat nähern. Dieser Gedanke siegt, und außerdem wartet noch ein wenig Mais auf mich. Aber zuerst ans Meer.
Ich zeichne die Heimat als Punkt auf der Karte ein und lasse mich einfach von der geraden Linie dorthin leiten. Und immer freue ich mich, wenn ein Weg zufällig genau in meine Richtung führt. Homeward bound, denke ich, und ich würde das auch irgendjemandem erzählen, auch wenn niemand hier von meiner Heimat jemals etwas gehört haben dürfte - allein, es ist niemand hier. Es freut mich, daß noch Bäume gepflanzt werden entlang der Alleen. Oft sind es Obstbäume, und ich rieche die Äpfel und Zwetschgen, wenn ich sie zu Matsch fahre mit meinen breiten Reifen. "Mit dem Reifen durch Deutschland," erinnere ich mich an den kopfschüttelnden Herrn im Zug, und beruhige mich, daß ich ja auf direktem Weg nach Hause radle.
Verfallene Gebäude, sehr leere Dörfer. Vielleicht liegt es am Wochenende, doch die Tafeln mit den Bekanntmachungen sind sehr leer. Einmal sehe ich einen Brief, in dem der Bürgermeister erfährt, daß sich nicht einmal mehr die Anfahrt durch die mobile Sparkasse mehr lohnt. Mit freundlichen Grüßen, vielen Dank.
Ich habe Gegenwind, ich habe Sonne, ich finde doch immer wieder Wasser und etwas zu essen. Heute habe ich noch Kraft und Reserven, trete die kleinen Hügel einfach hoch. Und zwischendurch überlege ich, ob es Kunst sein könnte, tatsächlich alle fünf Kilometer auf dem Weg ein Bild zu schießen. Zu sehr Methode, zu wenig Idee, beschließe ich, und ich möchte auch nicht nach Plan anhalten müssen.
Am Kanal entlang wird es frischer, und ab und zu sehe ich Enten und einen Schwan. Ruhe.
Die einsamen alten Bäume auf den Weiden, und die Sorgsamkeit, mit der sie eingehegt werden, freuen mich sehr.
Ich weiß nicht mehr, ob mich am ersten Tag die Kraft noch den ganzen Tag hindurch trägt. Ich weiß es schon nicht mehr, so ist der Mensch. Es ist jedenfalls, und das wird sich in den nächsten Tagen verstärken, ein einsames Gefühl, ein so weit entferntes Ziel zu haben, kein Heim, keine Tür, und ich singe "Freedom's just another word" vor mich hin, als ich an einem großen Bauernhof vorbei radle und mich entsinne, daß man auf Sportplätzen schauen könnte. In der offenen Verkaufsbude hängt ein Spielplan der Saison 2016/17, der Rasen ist lang nicht gemäht, die Zuschauerbänke hängen durch, die Markierungen kann ich kaum mehr finden, selbst in den Mülleimern ist Leere.
Ich stelle mich in die Mitte des Sportplatzes, sehe die beiden Tore, längst ohne Netze, und dahinter die Bäume ringsum. Stelle mir vor, wie ich einen Anstoß durchführe, das gegnerische Tor als Ziel, wie mir ein Ball die Welt bedeutet auf diesem Sportplatz im Nirgendwo. Zum Glück habe ich kurz zuvor eine Tankstelle gefunden, trinke also auf der Bank mein Bier und esse mein Vesper. Brötchen, Käse, Wurst, ein Apfel. Viel Plastik, denke ich, und dann wasche ich mich und ziehe mich um. Ich bin müde, laufe mit der Bierdose in der Hand noch um den Platz zu dem kleinen Weiher und durch das Wäldchen.
Gerade recht zum Sonnenuntergang komme ich aus dem Gebüsch an einem Weidezaun an. Weit entfernt stehen Kühe.
Dann laufe ich zurück durch die Dämmerung, horche den Geräuschen und steige in meinen Schlafsack. Ich wünsche mir eine gute Nacht, und wach werde ich erst, als ein neugieriger Fuchs dicht vor mir steht.
Nach dem Frühstück fahre ich los. Die Route hat mir keine Ruhe gelassen. Für das Nachfahren der vorgefertigten Tour sprechen die Einfachheit des Folgens und die eingezeichneten Schlafmöglichkeiten. Aber direkt wäre ich schneller, würde ich mich mit jedem Meter der Heimat nähern. Dieser Gedanke siegt, und außerdem wartet noch ein wenig Mais auf mich. Aber zuerst ans Meer.
Ich zeichne die Heimat als Punkt auf der Karte ein und lasse mich einfach von der geraden Linie dorthin leiten. Und immer freue ich mich, wenn ein Weg zufällig genau in meine Richtung führt. Homeward bound, denke ich, und ich würde das auch irgendjemandem erzählen, auch wenn niemand hier von meiner Heimat jemals etwas gehört haben dürfte - allein, es ist niemand hier. Es freut mich, daß noch Bäume gepflanzt werden entlang der Alleen. Oft sind es Obstbäume, und ich rieche die Äpfel und Zwetschgen, wenn ich sie zu Matsch fahre mit meinen breiten Reifen. "Mit dem Reifen durch Deutschland," erinnere ich mich an den kopfschüttelnden Herrn im Zug, und beruhige mich, daß ich ja auf direktem Weg nach Hause radle.
Verfallene Gebäude, sehr leere Dörfer. Vielleicht liegt es am Wochenende, doch die Tafeln mit den Bekanntmachungen sind sehr leer. Einmal sehe ich einen Brief, in dem der Bürgermeister erfährt, daß sich nicht einmal mehr die Anfahrt durch die mobile Sparkasse mehr lohnt. Mit freundlichen Grüßen, vielen Dank.
Ich habe Gegenwind, ich habe Sonne, ich finde doch immer wieder Wasser und etwas zu essen. Heute habe ich noch Kraft und Reserven, trete die kleinen Hügel einfach hoch. Und zwischendurch überlege ich, ob es Kunst sein könnte, tatsächlich alle fünf Kilometer auf dem Weg ein Bild zu schießen. Zu sehr Methode, zu wenig Idee, beschließe ich, und ich möchte auch nicht nach Plan anhalten müssen.
Am Kanal entlang wird es frischer, und ab und zu sehe ich Enten und einen Schwan. Ruhe.
Die einsamen alten Bäume auf den Weiden, und die Sorgsamkeit, mit der sie eingehegt werden, freuen mich sehr.
Ich weiß nicht mehr, ob mich am ersten Tag die Kraft noch den ganzen Tag hindurch trägt. Ich weiß es schon nicht mehr, so ist der Mensch. Es ist jedenfalls, und das wird sich in den nächsten Tagen verstärken, ein einsames Gefühl, ein so weit entferntes Ziel zu haben, kein Heim, keine Tür, und ich singe "Freedom's just another word" vor mich hin, als ich an einem großen Bauernhof vorbei radle und mich entsinne, daß man auf Sportplätzen schauen könnte. In der offenen Verkaufsbude hängt ein Spielplan der Saison 2016/17, der Rasen ist lang nicht gemäht, die Zuschauerbänke hängen durch, die Markierungen kann ich kaum mehr finden, selbst in den Mülleimern ist Leere.
Ich stelle mich in die Mitte des Sportplatzes, sehe die beiden Tore, längst ohne Netze, und dahinter die Bäume ringsum. Stelle mir vor, wie ich einen Anstoß durchführe, das gegnerische Tor als Ziel, wie mir ein Ball die Welt bedeutet auf diesem Sportplatz im Nirgendwo. Zum Glück habe ich kurz zuvor eine Tankstelle gefunden, trinke also auf der Bank mein Bier und esse mein Vesper. Brötchen, Käse, Wurst, ein Apfel. Viel Plastik, denke ich, und dann wasche ich mich und ziehe mich um. Ich bin müde, laufe mit der Bierdose in der Hand noch um den Platz zu dem kleinen Weiher und durch das Wäldchen.
Gerade recht zum Sonnenuntergang komme ich aus dem Gebüsch an einem Weidezaun an. Weit entfernt stehen Kühe.
Dann laufe ich zurück durch die Dämmerung, horche den Geräuschen und steige in meinen Schlafsack. Ich wünsche mir eine gute Nacht, und wach werde ich erst, als ein neugieriger Fuchs dicht vor mir steht.
... Rückwärts fahren