24.04.15, 15:09 | 'Power to the Bauer'
Ich kann mein Auto ja putzen, wie ich will. Immer da, wo ich es abstelle, taucht aus dem Nichts eine riesige, staubende Baustelle auf, und sobald ich fahren möchte, scheint mir die Sonne auf die Scheibe und ich sehe nix. Ein Luxusproblem, beschließe ich, und von Wollen kann bei mir und Autoputzen ja auch nicht die Rede sein, vor allem wenn es über den schnellen Einsatz des Hochdruckreinigers hinausgeht, der zum Glück auf einem Bauernhof keinen Münzschlitz hat. Dafür ist meistens der Heizöltank leer, wenn ich mal putzen möchte, weil offenbar alle anderen lieber im kalten Nebel den Dreck um die Ohren fliegen haben, anstatt den gleichen Dreck wenigstens mit warmem Wasser begleiten zu können. Wie auch immer.
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Am Samstag werde ich vorgewarnt, am Montag noch einmal, und als am Mittwoch das Telefon klingelt, bin ich mir schon sicher, daß der Termin platzt. Nach fast einer Woche Planung kann es ja gar nicht funktionieren.
Tut es doch. Komm nach hause, heißt es, fahr uns die Gülle raus, und dann sind da noch Maisäcker vorzubereiten, auch wenn das bei uns "richten" heißt. Vielleicht, weil man auch das richtig machen muß, wer weiß das schon, aber trotzdem kommt es mir überaus schwäbisch vor, und ich mag das ja.
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Ich esse also schnell, was zu verderben droht, schaue mich um und schnappe mir den Rucksack. Es ist schon dunkel, und das ist normalerweise mein Richtwert für freie Straßen, aber es ist auch Bahnstreik, also klappe ich das Navi aus. Ich freue mich, auf die Gülle, auf einen Tag in der Sonne, auf die Maisäcker und das Richten. Ich habe ja auch nie behauptet, kein Schwabe zu sein. Und nachdem ich wie üblich die ersten Richtungsanweisungen des Navis missachte, erwarte ich eigentlich den üblichen Schmollmoment, gefolgt vom Na gut, dann eben über diese Seitenstraßen, aber ich hab es Dir ja gleich gesagt! oder vielleicht interpretiere ich in den Tonfall der Navidame auch ein wenig viel hinein. Heute ist alles etwas anders, ich stehe recht unerwartet schon am Tunneleingang, ich freue mich trotzdem vor mich hin, und das Navi scheint sich mit mir zu freuen.
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Auf dem Heimweg dann noch ein Esel in einem Lastenesel, mit Lichthupe und Warnblinker und wildem Gebremse, und ich denke kurz darüber nach, daß ich mir ja Kennzeichen ganz toll merken kann, und wo man sowas eigentlich meldet, ich weiß es ja nicht. Zeige ich halt den internationalen Idiotengruß, und mir ist schon klar, daß sich damit zwei auf einer Ebene verständigen, aber was will man auch immer Gandhi sein.
Dann ist, und das mindert den zeitlichen Vorteil der Nachtfahrt ja ganz erheblich, mal wieder einer der sieben Tunnels auf meinem Heimweg gesperrt, und ich flitze, jetzt etwas weniger gelassen als ein paar Minuten vorher, um die Stadtecken, was mein Navi aber nicht von seiner Ansicht abbringen kann. Nun ja.
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Dann also schnelles Klamottenwechseln. Wie gut sich Arbeitsschuhe anfühlen, denke ich immer, und dann muß ich das auch heute denken, obwohl ich einen lädierten Zeh habe, der ganz unangenehm klopft und die Enge der Stahlkappenschuhe so gar nicht mögen mag. Nun.
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Nachts lässt es dann auch nach mit dem Verkehr, selbst auf dieser wichtigen Achse des Bundes, und irgendwie freue ich mich ja schon, auf einer so wichtigen Strecke noch mitspielen zu dürfen mit meinem langsamen Fahrzeug.
Ab acht werden ja die Überholenden bekloppter, ab zehn sind bloß noch Selbstmörder unterwegs, ab zwölf wird gelassen überholt, und zwischen zwei und vier kam keiner, glaube ich. Und dann wird es ja schon wieder Tag.
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Und was für einer. Hui. Leider gehören die Felder alle jemand anderem, und leider können alle anderen hier nicht so recht miteinander, und deshalb sind sie handtuchgroß und von tausend Ecken und noch mehr Grenzen umgeben, sodaß sich ein Güllegespann kaum mehr drin rühren kann, denn die Grenzen sind heilig.
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Im Radio den Tag über die immergleichen Nachrichten von unseren Grenzen. Ich denke über Flüchtlinge nach, und über den Begriff des Einwanderers. Es gibt da noch keinen Konsens im Land, nicht einmal einen Kompromiss für alle scheint es zu geben. Und wenn man akzeptiert, daß es darum geht, mit einer begrenzten Geldmenge eine schier unbegrenzte Menge Leid zu lindern, warum dann nicht auch gleich annehmen, daß hiesiges Geld anderswo mehr wert ist, mehr kaufen kann, und dementsprechend vielleicht zu versuchen, das Leid anderswo schon zu lindern. Nebensatz: Das Leid ist ja schon gelitten, wenn das Geld hier zum Tragen kommt, und verhindert nichts mehr. Der Ansatz, Geld zu verschicken statt Menschen, scheint mir doppelt hilfreich zu sein, während Kriegsschiffe nur den Preis hochtreiben werden, und den Verdienst derer, denen ich ihn so gar nicht gönnen möchte.
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Mal die Perspektive wechseln, denke ich, als ich beinebaumelnd auf dem eiskalten, stählernen Trumm sitze, und ich würde ja gern rittlings sitzen, aber für einen Spagat reicht es dann doch noch nicht, und so gehe ich irgendwann in die Hocke, blinzle in die Sonne und lausche dem dünnen Plätschern des Gartenschlauches, weil es ja immer Flüssigkeit braucht, um Flüssigkeit anzusaugen.
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Fahrzeugwechsel, irgendwann, und von da an ist viel mehr Geholper und viel weniger Straße.
Die Schatten werden schon wieder länger, und mir fällt auf, daß ich ganz vergessen habe, die Stunden zu schätzen, die Ankunftszeiten, wie ich mir das einst angewöhnt hatte. Vielleicht ist das noch dieser Urlaub, denke ich, aber dort war doch alles Zeit - reichen uns drei Wochen für die Insel, reichen uns dort drei Tage in der Stadt, reichen uns drei Stunden für das Abendessen, reichen uns drei Minuten zum Bus? Zu allem nein, aber drei Wochen reichen mir trotzdem bei weitem, und das ist ja viel wichtiger, denke ich dann. Und ich erinnere mich an einen wohligen Nachmittag, bedürfnis- und bewegungslos verbracht, an dem ich mir überlegte, wo ich denn jetzt wohl am liebsten wäre, und von da aus kam ich dazu, mir auszurechnen, was mir selbst meine Zeit wert ist, indem ich mich fragte, was ich zahlen würde, könnte ich jetzt schon dort sein, wo ich gern wäre. Das Schwabentum hält den Preis niedrig und das Geld beisammen, aber trotzdem bin ich mir selbst stolz, daß meine Zeit nicht umsonst sein kann. Und vielleicht ist das ja etwas, das man aus einem solchen Urlaub mitnehmen kann.
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Wofür man so fährt, denke ich, um die Erde von braun eingefärbten Schollen zu einem feinen Saatbett zu "richten", und so begreife ich das Fahren zur Arbeit, als irgendwann eines der Mädchen auftaucht, mit ihrer besternten Sonnenbrille und einer Tüte mit Lebenserhaltendem, und irgendwann schließlich der Bauer, der das Saatbett lobt und die Arbeit, und ich begreife jetzt, daß einer fahren muß, weil genau er irgendwo anders gefragt ist, und daß ich fahren muß, weil das nur ich kann, hier, obwohl ich ganz woanders bin, und dann könnte man noch das Mittagessen - Gemüseeintopf! - gegen die Kantine aufwiegen, und vielleicht noch ein Stück Kuchen dazu und die Sonne, und dann lohnt sich das alles, und dann kann man morgens auch mit dem Rad auf Brücken stehen, unter denen sich die Autos schlängeln, scheinbar endlos in alle vier Richtungen, und verstehen, warum die das tun.
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An den Feldrändern, da zweifle ich dann doch immer wieder, da liegen Schuhe, Hosen und alles, was durch ein Autofenster passen mag, und das verstehe ich nicht, die verstehe ich nicht, die machen mich wütend mit ihrem Müll, den ich dann sammeln muß, weil ich ihn nicht liegenlassen mag. Mikroplastik im Meer, und Müllsäcke am Straßenrand, als sei alles zu schwer und zu unbequem und ein Mülleimer eine Zumutung für sich und für alle. Also manchmal, da findet man Sachen am Feldrand.
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Ich streichle also das Telefon nach dem Namen, ich schaue nicht recht hin, weil es so schaukelt und staubt, und dann erzählt mir ein Herr von einer Scheidung und einer Schwester, in der großen Stadt drunten, und da solle ich doch mal. Na klar, denke ich, Schwestern in großen Städten findet nicht mal das Internet, da brauchen wir die Amerikaner dazu. Die finden ja alles, und ich überlege, wo ich das "Immer. Alles. Jeden. Überall." schon einmal gelesen habe, als es plötzlich zur Neuigkeit wird, wann Immer ist, was Alles bedeuten kann, wer zu Jeden gehört und wo Überall ist. Und dann reden sie von einem wirtschaftlichen Schaden, als gebe es keinen anderen, einen persönlichen vielleicht, immer, alles, jeden und überall. Amerikanische Arschgeigen, denke ich, und deutsche Arschgeigen dazu, und dann streichle ich doch noch einmal das Telefon und rufe noch einmal an. Man notiert die Nummer, ich kann fast das wohlige Kratzen des Schreibers auf Papier hören, was natürlich ein Witz ist, unterm Motorenlärm und Geholper bin ich längst taub und erdrückt, aber ich hätte an so einem Tag gern noch was Gutes, bitte, danke, und das Gute mit dem internationalen Idiotengruß versehen, damit es vielleicht auch die verstehen, die alles hören und nichts lesen können.
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Es klingelt. Willst Du mich verarschen? Aber eher freudig als verärgert, und ich sage, daß es ja kaum geregnet hat in den letzten Wochen, und ich entschuldige mich, daß ich mich durch den Inhalt wühlen mußte. Sie finden mich schon, sage ich, denn ich fahre entlang einer Straße, mit einer Staubwolke im Gepäck, und ich bin grün und laut und werde alle Lichter einschalten.
Es dauert zehn Minuten, dann springe ich ab und denke, wie schmutzig meine Hände mittlerweile sind, und mein altes rotes Hemd, auf dem noch irgendwelche Firmen aufgedruckt sind, die uns alle mal so gemocht hatten, daß sie bezahlen woltlen, damit wir sie durch die Gegend tragen. Welche Zeit das war, denke ich noch, und die Frau bedankt sich aus dem Auto heraus, schiebt ihr Mordstrumm von Geldbeutel ein und mir ein Geschenk zu.
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Ausgerechnet heute ohne Korkenzieher, denke ich grinsend, aber eigentlich bin ich ja schon viel zu müde, und Wasser ist ja auch gesund, sagt man. Dann der Bauer wieder, Lass es gut sein, sagt er, und das passt mir ganz gut, denke ich, Nur das hier noch, damit die Gülle so zeitnah eingearbeitet wird, wie die Bürokratie das zurecht anmahnt.
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Mit der Nacht kommt die begrenzte Sicht, es kommt der feuchte Tau, und die Scheinwerfer erleuchten den Staubnebel, statt ihn zu durchdringen.
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Ich wackle ganz langsam über die Straßen, um keinen Dreck zu verlieren, ich lasse den Motor ruhig drehen, um ihn abzukühlen, ich stelle ihn dann irgendwann ab, die Lichter verlöschen, und ich bin schon sehr müde auf dem Heimweg zum einen Hof mit dem Bauernfahrzeug, in dem immer der Schlüssel steckt. Hände waschen, Gesicht entstauben, und ich kann mir meine kleinen Augen im bleichen Gesicht ganz gut vorstellen, da macht es nichts, daß es in der Waschküche keinen Spiegel gibt.
Einen Gruppenchat haben wir auch, und in dem melde ich, daß der Schlüssel nun nicht mehr steckt, sondern versteckt ist, und dann brennt da noch Licht gegenüber, und ich setze mich zu meinen Freunden und lasse die müden Beine baumeln, während mich das Feuer wärmt.
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Ein Aufraffen noch, als wir zusammenbrechen, und der Hüpfer in die große Stadt. In dieser Nacht sind sogar zwei der sieben Tunnels gesperrt, und mein Kopf weigert sich schon, einen vernünftigen Weg zu suchen, also fahre ich einfach in die Richtung, die mir das einsame Umleitungsschild weist. Bloß keinen Blitzer mehr abstauben, denke ich müde, und dann überholt mich ein ganz Sportlicher, und das muß er an drei Ampeln tun, weil er kann nur Gas, aber Kupplung kann er wohl noch nicht. Und dann eine Baustelle, die Spuren werden getrennt, ich blicke nicht mehr durch, habe grün, fahre vor und muß dann doch böse grinsen, wie er da rechts von mir stehenbleiben muß, von einem kleinen roten Licht gefesselt. Dann kommt er doch, und ich bewundere das Ansteigen der weißen Scheinwerfer, wenn sich die Momente addieren und der Vorderwagen sich leicht hebt. Ein kurzes, großes rotes Licht noch, und von da an bleibt er hinter mir und tut mir ganz furchtbar leid. Den kannte ich auch noch nicht, will ich ihm durch die Scheiben sagen, irgendwie, und verlegen die Schultern zucken, weil es mich nicht getroffen hat, das Licht, als wäre das ein unbeherrschbarer Schlag und nicht verwandt mit den Anzeigen im Armaturenbrett.
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Den Rechner noch aufklappen, den Strom einstecken, und die Steckerleiste vergesse ich dann einzuschalten, sodaß sich in kurzer Zeit das Lüfterrauschen schlafen legt, aber das bekomme ich längst nicht mehr mit, denn ich schwebe schon längst und rotiere, wie immer, wenn ich lange wach war und langsam in den Schlaf gleite, denn Einschlafen ist immer auch das langsame Abwerfen des Wachseins, und mit langem Wachen lädt man sich ja eine ganze Menge Wachsein auf.
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Am Samstag werde ich vorgewarnt, am Montag noch einmal, und als am Mittwoch das Telefon klingelt, bin ich mir schon sicher, daß der Termin platzt. Nach fast einer Woche Planung kann es ja gar nicht funktionieren.
Tut es doch. Komm nach hause, heißt es, fahr uns die Gülle raus, und dann sind da noch Maisäcker vorzubereiten, auch wenn das bei uns "richten" heißt. Vielleicht, weil man auch das richtig machen muß, wer weiß das schon, aber trotzdem kommt es mir überaus schwäbisch vor, und ich mag das ja.
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Ich esse also schnell, was zu verderben droht, schaue mich um und schnappe mir den Rucksack. Es ist schon dunkel, und das ist normalerweise mein Richtwert für freie Straßen, aber es ist auch Bahnstreik, also klappe ich das Navi aus. Ich freue mich, auf die Gülle, auf einen Tag in der Sonne, auf die Maisäcker und das Richten. Ich habe ja auch nie behauptet, kein Schwabe zu sein. Und nachdem ich wie üblich die ersten Richtungsanweisungen des Navis missachte, erwarte ich eigentlich den üblichen Schmollmoment, gefolgt vom Na gut, dann eben über diese Seitenstraßen, aber ich hab es Dir ja gleich gesagt! oder vielleicht interpretiere ich in den Tonfall der Navidame auch ein wenig viel hinein. Heute ist alles etwas anders, ich stehe recht unerwartet schon am Tunneleingang, ich freue mich trotzdem vor mich hin, und das Navi scheint sich mit mir zu freuen.
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Auf dem Heimweg dann noch ein Esel in einem Lastenesel, mit Lichthupe und Warnblinker und wildem Gebremse, und ich denke kurz darüber nach, daß ich mir ja Kennzeichen ganz toll merken kann, und wo man sowas eigentlich meldet, ich weiß es ja nicht. Zeige ich halt den internationalen Idiotengruß, und mir ist schon klar, daß sich damit zwei auf einer Ebene verständigen, aber was will man auch immer Gandhi sein.
Dann ist, und das mindert den zeitlichen Vorteil der Nachtfahrt ja ganz erheblich, mal wieder einer der sieben Tunnels auf meinem Heimweg gesperrt, und ich flitze, jetzt etwas weniger gelassen als ein paar Minuten vorher, um die Stadtecken, was mein Navi aber nicht von seiner Ansicht abbringen kann. Nun ja.
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Dann also schnelles Klamottenwechseln. Wie gut sich Arbeitsschuhe anfühlen, denke ich immer, und dann muß ich das auch heute denken, obwohl ich einen lädierten Zeh habe, der ganz unangenehm klopft und die Enge der Stahlkappenschuhe so gar nicht mögen mag. Nun.
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Nachts lässt es dann auch nach mit dem Verkehr, selbst auf dieser wichtigen Achse des Bundes, und irgendwie freue ich mich ja schon, auf einer so wichtigen Strecke noch mitspielen zu dürfen mit meinem langsamen Fahrzeug.
Ab acht werden ja die Überholenden bekloppter, ab zehn sind bloß noch Selbstmörder unterwegs, ab zwölf wird gelassen überholt, und zwischen zwei und vier kam keiner, glaube ich. Und dann wird es ja schon wieder Tag.
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Und was für einer. Hui. Leider gehören die Felder alle jemand anderem, und leider können alle anderen hier nicht so recht miteinander, und deshalb sind sie handtuchgroß und von tausend Ecken und noch mehr Grenzen umgeben, sodaß sich ein Güllegespann kaum mehr drin rühren kann, denn die Grenzen sind heilig.
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Im Radio den Tag über die immergleichen Nachrichten von unseren Grenzen. Ich denke über Flüchtlinge nach, und über den Begriff des Einwanderers. Es gibt da noch keinen Konsens im Land, nicht einmal einen Kompromiss für alle scheint es zu geben. Und wenn man akzeptiert, daß es darum geht, mit einer begrenzten Geldmenge eine schier unbegrenzte Menge Leid zu lindern, warum dann nicht auch gleich annehmen, daß hiesiges Geld anderswo mehr wert ist, mehr kaufen kann, und dementsprechend vielleicht zu versuchen, das Leid anderswo schon zu lindern. Nebensatz: Das Leid ist ja schon gelitten, wenn das Geld hier zum Tragen kommt, und verhindert nichts mehr. Der Ansatz, Geld zu verschicken statt Menschen, scheint mir doppelt hilfreich zu sein, während Kriegsschiffe nur den Preis hochtreiben werden, und den Verdienst derer, denen ich ihn so gar nicht gönnen möchte.
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Mal die Perspektive wechseln, denke ich, als ich beinebaumelnd auf dem eiskalten, stählernen Trumm sitze, und ich würde ja gern rittlings sitzen, aber für einen Spagat reicht es dann doch noch nicht, und so gehe ich irgendwann in die Hocke, blinzle in die Sonne und lausche dem dünnen Plätschern des Gartenschlauches, weil es ja immer Flüssigkeit braucht, um Flüssigkeit anzusaugen.
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Fahrzeugwechsel, irgendwann, und von da an ist viel mehr Geholper und viel weniger Straße.
Die Schatten werden schon wieder länger, und mir fällt auf, daß ich ganz vergessen habe, die Stunden zu schätzen, die Ankunftszeiten, wie ich mir das einst angewöhnt hatte. Vielleicht ist das noch dieser Urlaub, denke ich, aber dort war doch alles Zeit - reichen uns drei Wochen für die Insel, reichen uns dort drei Tage in der Stadt, reichen uns drei Stunden für das Abendessen, reichen uns drei Minuten zum Bus? Zu allem nein, aber drei Wochen reichen mir trotzdem bei weitem, und das ist ja viel wichtiger, denke ich dann. Und ich erinnere mich an einen wohligen Nachmittag, bedürfnis- und bewegungslos verbracht, an dem ich mir überlegte, wo ich denn jetzt wohl am liebsten wäre, und von da aus kam ich dazu, mir auszurechnen, was mir selbst meine Zeit wert ist, indem ich mich fragte, was ich zahlen würde, könnte ich jetzt schon dort sein, wo ich gern wäre. Das Schwabentum hält den Preis niedrig und das Geld beisammen, aber trotzdem bin ich mir selbst stolz, daß meine Zeit nicht umsonst sein kann. Und vielleicht ist das ja etwas, das man aus einem solchen Urlaub mitnehmen kann.
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Wofür man so fährt, denke ich, um die Erde von braun eingefärbten Schollen zu einem feinen Saatbett zu "richten", und so begreife ich das Fahren zur Arbeit, als irgendwann eines der Mädchen auftaucht, mit ihrer besternten Sonnenbrille und einer Tüte mit Lebenserhaltendem, und irgendwann schließlich der Bauer, der das Saatbett lobt und die Arbeit, und ich begreife jetzt, daß einer fahren muß, weil genau er irgendwo anders gefragt ist, und daß ich fahren muß, weil das nur ich kann, hier, obwohl ich ganz woanders bin, und dann könnte man noch das Mittagessen - Gemüseeintopf! - gegen die Kantine aufwiegen, und vielleicht noch ein Stück Kuchen dazu und die Sonne, und dann lohnt sich das alles, und dann kann man morgens auch mit dem Rad auf Brücken stehen, unter denen sich die Autos schlängeln, scheinbar endlos in alle vier Richtungen, und verstehen, warum die das tun.
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An den Feldrändern, da zweifle ich dann doch immer wieder, da liegen Schuhe, Hosen und alles, was durch ein Autofenster passen mag, und das verstehe ich nicht, die verstehe ich nicht, die machen mich wütend mit ihrem Müll, den ich dann sammeln muß, weil ich ihn nicht liegenlassen mag. Mikroplastik im Meer, und Müllsäcke am Straßenrand, als sei alles zu schwer und zu unbequem und ein Mülleimer eine Zumutung für sich und für alle. Also manchmal, da findet man Sachen am Feldrand.
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Ich streichle also das Telefon nach dem Namen, ich schaue nicht recht hin, weil es so schaukelt und staubt, und dann erzählt mir ein Herr von einer Scheidung und einer Schwester, in der großen Stadt drunten, und da solle ich doch mal. Na klar, denke ich, Schwestern in großen Städten findet nicht mal das Internet, da brauchen wir die Amerikaner dazu. Die finden ja alles, und ich überlege, wo ich das "Immer. Alles. Jeden. Überall." schon einmal gelesen habe, als es plötzlich zur Neuigkeit wird, wann Immer ist, was Alles bedeuten kann, wer zu Jeden gehört und wo Überall ist. Und dann reden sie von einem wirtschaftlichen Schaden, als gebe es keinen anderen, einen persönlichen vielleicht, immer, alles, jeden und überall. Amerikanische Arschgeigen, denke ich, und deutsche Arschgeigen dazu, und dann streichle ich doch noch einmal das Telefon und rufe noch einmal an. Man notiert die Nummer, ich kann fast das wohlige Kratzen des Schreibers auf Papier hören, was natürlich ein Witz ist, unterm Motorenlärm und Geholper bin ich längst taub und erdrückt, aber ich hätte an so einem Tag gern noch was Gutes, bitte, danke, und das Gute mit dem internationalen Idiotengruß versehen, damit es vielleicht auch die verstehen, die alles hören und nichts lesen können.
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Es klingelt. Willst Du mich verarschen? Aber eher freudig als verärgert, und ich sage, daß es ja kaum geregnet hat in den letzten Wochen, und ich entschuldige mich, daß ich mich durch den Inhalt wühlen mußte. Sie finden mich schon, sage ich, denn ich fahre entlang einer Straße, mit einer Staubwolke im Gepäck, und ich bin grün und laut und werde alle Lichter einschalten.
Es dauert zehn Minuten, dann springe ich ab und denke, wie schmutzig meine Hände mittlerweile sind, und mein altes rotes Hemd, auf dem noch irgendwelche Firmen aufgedruckt sind, die uns alle mal so gemocht hatten, daß sie bezahlen woltlen, damit wir sie durch die Gegend tragen. Welche Zeit das war, denke ich noch, und die Frau bedankt sich aus dem Auto heraus, schiebt ihr Mordstrumm von Geldbeutel ein und mir ein Geschenk zu.
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Ausgerechnet heute ohne Korkenzieher, denke ich grinsend, aber eigentlich bin ich ja schon viel zu müde, und Wasser ist ja auch gesund, sagt man. Dann der Bauer wieder, Lass es gut sein, sagt er, und das passt mir ganz gut, denke ich, Nur das hier noch, damit die Gülle so zeitnah eingearbeitet wird, wie die Bürokratie das zurecht anmahnt.
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Mit der Nacht kommt die begrenzte Sicht, es kommt der feuchte Tau, und die Scheinwerfer erleuchten den Staubnebel, statt ihn zu durchdringen.
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Ich wackle ganz langsam über die Straßen, um keinen Dreck zu verlieren, ich lasse den Motor ruhig drehen, um ihn abzukühlen, ich stelle ihn dann irgendwann ab, die Lichter verlöschen, und ich bin schon sehr müde auf dem Heimweg zum einen Hof mit dem Bauernfahrzeug, in dem immer der Schlüssel steckt. Hände waschen, Gesicht entstauben, und ich kann mir meine kleinen Augen im bleichen Gesicht ganz gut vorstellen, da macht es nichts, daß es in der Waschküche keinen Spiegel gibt.
Einen Gruppenchat haben wir auch, und in dem melde ich, daß der Schlüssel nun nicht mehr steckt, sondern versteckt ist, und dann brennt da noch Licht gegenüber, und ich setze mich zu meinen Freunden und lasse die müden Beine baumeln, während mich das Feuer wärmt.
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Ein Aufraffen noch, als wir zusammenbrechen, und der Hüpfer in die große Stadt. In dieser Nacht sind sogar zwei der sieben Tunnels gesperrt, und mein Kopf weigert sich schon, einen vernünftigen Weg zu suchen, also fahre ich einfach in die Richtung, die mir das einsame Umleitungsschild weist. Bloß keinen Blitzer mehr abstauben, denke ich müde, und dann überholt mich ein ganz Sportlicher, und das muß er an drei Ampeln tun, weil er kann nur Gas, aber Kupplung kann er wohl noch nicht. Und dann eine Baustelle, die Spuren werden getrennt, ich blicke nicht mehr durch, habe grün, fahre vor und muß dann doch böse grinsen, wie er da rechts von mir stehenbleiben muß, von einem kleinen roten Licht gefesselt. Dann kommt er doch, und ich bewundere das Ansteigen der weißen Scheinwerfer, wenn sich die Momente addieren und der Vorderwagen sich leicht hebt. Ein kurzes, großes rotes Licht noch, und von da an bleibt er hinter mir und tut mir ganz furchtbar leid. Den kannte ich auch noch nicht, will ich ihm durch die Scheiben sagen, irgendwie, und verlegen die Schultern zucken, weil es mich nicht getroffen hat, das Licht, als wäre das ein unbeherrschbarer Schlag und nicht verwandt mit den Anzeigen im Armaturenbrett.
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Den Rechner noch aufklappen, den Strom einstecken, und die Steckerleiste vergesse ich dann einzuschalten, sodaß sich in kurzer Zeit das Lüfterrauschen schlafen legt, aber das bekomme ich längst nicht mehr mit, denn ich schwebe schon längst und rotiere, wie immer, wenn ich lange wach war und langsam in den Schlaf gleite, denn Einschlafen ist immer auch das langsame Abwerfen des Wachseins, und mit langem Wachen lädt man sich ja eine ganze Menge Wachsein auf.
nuss   |  
24.04.2015, 18:01   |  
Wie schön, hier wieder zu lesen.