Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

02.09.13, 15:07 | 'buying in just like a bunch of fools'
Ich bin ja zu doof, um Hosen zu kaufen. Deshalb bekomme ich meistens die abgelegten Hosen meines Vaters geschenkt. Das funktionierte bisher ganz passabel, aber seit der alte Herr nicht mehr raucht, hat er ein wenig zugenommen, und jetzt muß ich also eine Hand in der Tasche halten oder einen Gürtel tragen. Mag ich beides nicht so recht, laufe also des öfteren mit zerschlissenen oder auf Halbmast rutschenden Hosen herum.
Dabei wäre alles so einfach! Ich habe Urlaub - dieser Teil der Geschichte ist schon einige Tage her - und verbringe einen Regentag in der Stadt, um Hosen zu kaufen. Dann noch in einer anderen Stadt, weil es für mich keine Hosen gibt. Denn ich hätte gern eine Hose, bei der sich die Beine abnehmen lassen. Lachen Sie nur, ich habe sowas auch an meinen Arbeitshosen und genieße es sehr, gegen Mittag die Hosenbeine abnehmen und abends wieder anbringen zu können. Das führt dazu, daß nur die Hosenbeine einigermaßen sauber bleiben und sich alle wundern, wie ich denn das wieder geschafft habe. In der Umkleide gelassen, sage ich dann, und alle denken sich ihren Teil.
Diese Hosen möchte ich jetzt umso dringender, als ich demnächst eine Flugreise unternehmen werde. Das Gepäck ist begrenzt, und mit Neoprenanzug und Kletterbedarf komme ich schon dicht genug an die Gewichtsbeschränkung, daß ich selbst an den Unterhosen sparen werde. Oder an den Socken, wie auch immer. Außerdem wird es tagsüber heiß und abends kalt werden, außer der Herr Obama schießt ein paar dutzend Kilometer daneben. Dann wird es generell eher brenzlig werden. Da sieht man mal, was alles passieren kann, wenn ich anfange, Urlaub zu machen und zu fliegen. Aber das soll nicht unser Thema sein, sondern Hosen.
Ich hätte jedenfalls gern ein paar dieser Hosen. Die gefielen mir im Laden, die waren auch in den Läden nicht so furchtbar teuer wie alle anderen, die haben einen Reißverschlüsse an den Hosenbeinen, eine schmutzverzeihende Farbe, was will ich mehr?
Ich probierte also brav in allen Läden die von den Verkaufsdamen abgeschätzte Größe sechsundvierzig an, die sich keine Sekunde an meinen Hüften halten wollte, und auch auf Nachfrage wollte ich keinen Gürtel dazu kaufen, sondern hätte gern eine passende Hose gehabt. Vierundvierzig also, und auch die glitt an mir sanft und fast geräuschlos zu Boden. Immerhin schaffe ich es mit der Größe, meinen Geldbeutel in der Hose zu verstauen, bevor sie den Abgang macht. Dabei ist der nicht besonders schwer, so viel Geld habe ich nicht. Aber die Richtung stimmt, und die Länge auch einigermaßen. Außerdem ist meine Frau Mama ihres Zeichens Schneiderin und mit einer Familie voller unpassender Herren gesegnet, Länge ist also relativ. Relativ egal, womit das dann auch mal abschließend definiert wäre.
Meine Frage nach einer kleineren Größe wird ebenso lachend wie abschlägig beschieden. In jedem einzelnen Laden. Jedem. Einzelnen. Laden. Und jedesmal fangen wir bei sechsundvierzig von vorne an. Ich fange schon an, meine Daten auswendig zu können, so oft bin ich vermessen worden. Außerdem glaube ich, daß nur Menschen solche Hosen kaufen, die doppelt so viel Mensch sind wie ich. Denn in den Größen oberhalb gibt es alles und in allen Farben. Weiße Wanderhosen! Ich habe die Anzahl weißer Socken erfolgreich auf null gesetzt, indem ich anfing, die auch im Stall zu tragen. Innerhalb weniger Wochen waren nur noch schwarze Socken im Schrank, und das war noch zu Zeiten, als meine Mutter sich noch um mein Äußeres sorgte. Ich werde also definitiv keine weißen Hosen kaufen. Keine weißen Hemden. Nicht, solange kein weißer Dreck erfunden wird oder ich auf Maler umschulen muß.
Ich brach also ab, nach zwei Städten und fast zehn Läden, in denen ich mich mit heruntergelassenen Hosen präsentiert hatte, ohne rauszufliegen. Im Gegenteil, die Anwesenden waren stets amüsiert und interessiert. Nur leider wenig hilfreich.
Als Mann der Tat, als Mann des Internets tat ich natürlich erst einmal nichts. Das heißt, ich las die Größentabelle nach. Diese reicht von achtundzwanzig bis vierundvierzig. Und ich hatte sechsundvierzig probiert. Da stimmt doch was nicht. Ich las mich also ein, europäische, amerikanische und französische Größen, und stierte in Statistiken über das Leibeswachstum der Generationen.
Vierundvierzig ist also vierunddreißig, und vierundvierzig war ja schon mal nicht schlecht gewesen. Also suchte ich hin, suchte ich her, und entschied mich dann für zweiunddreißig. Weil kleiner vierundvierzig, und weil vierundvierzig gleich vierunddreißig. Sie verstehen? Ich verstand jedenfalls die Welt nicht mehr, und anprobieren konnte ich ja auch nichts. Außerdem passte weder der Hüftumfang noch die Taille, auch wenn ich mir beim Messen größte Mühe gab. Stellen Sie sich einen Verzweifelten in Unterwäsche vor, der vor dem Schreibtisch steht und ein Maßband hält, die einschlägigen Suchmaschinen um bebilderte Anweisungen befragt und lange Listen voller Zahlen auf einen Zettel kritzelt: Das bin ich. Etwas passendes gibt es also nicht zu kaufen. Daß es sowas auch nur seltenst zu bestellen gibt, gab mir schon zu denken, aber beim großen Auktionshaus wurde ich fündig. Und bekam den Zuschlag. Bezahlt, geliefert, angezogen.
Selbstausziehend.
Ich prüfte die Größe im Einnäher. Ich zog die Hose wieder hoch. Stellte mich ein wenig breitbeinig in Positur. Die Hose glitt an mir ab, als wäre ich teflonbeschichtet. Sauber.
Ich nahm die Hose also mit zu meinen Eltern und erklärte meinem Senior, daß er unbedingt genau diese Hose braucht. Und ich? Ich habe immer noch keine Hose und werde wohl nackt in den Urlaub fliegen müssen. Oder ich kaufe noch einige Sätze dieser billigen Arbeitshosen und lebe damit. Ich könnte auch durchdrehen. Ganz unpassend.

Rauchzeichen




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