Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

23.09.12, 18:42 | 'foire aux questions'
Mein Plädoyer für die Mehrgenerationenfamilie. Was treibt euch so weg von euren Eltern?

Rauchzeichen




berenike   |   24.09.2012, 18:57   |  
Die Eltern.

texas-jim   |   25.09.2012, 11:54   |  
Ich mag meine Eltern. Ich könnte sie nicht den ganzen Tag ertragen, aber das muß ich ja nicht - schließlich sind wir alle beschäftigt.
Ein Punkt ist für mich die Arbeitsteilung. Was meine Eltern lange Zeit für mich getan haben, muß ich irgendwann für sie tun. Den Garten werden sie nicht ewig versorgen können, und irgendwann vielleicht nicht mehr das Haus. Dafür kann ich frühmorgens aus dem Haus gehen, ohne mir Sorgen um Kinderbetreuung machen zu müssen. Ich glaube, daß eine Großfamilie für alle Vorteile haben kann. Ich vergebe mir nichts daran, meine Weißwäsche zu der meiner Eltern dazuzuwerfen. Ich vergebe mir auch nichts daran, für den Kamin fünf Meter Holz zu machen und die Bäume zu schneiden. Den Rasenmäher zu richten. Einen Kuchen von meiner Mutter zu probieren.
Mein Stolz ist schlicht nicht so groß. Ich kann backen, aber nicht so gut wie meine Mutter. Ich brauche ab und zu irgendein Adapterkabel von meinem Vater. In Küche und Esszimmer meiner Eltern habe ich die neuen Lampen montiert und die Wände gestrichen. Ich habe am Sonntagabend einen ganzen Arm eigener Äpfel mitgenommen.
Ich habe das Gefühl, daß derzeit überall eine Abneigung gegen dieses Tauschen verbreitet wird. Es muß alles selbst geschafft werden und selbst besessen werden. Dafür wird gekämpft, als könnte man sich damit einen Ablass gegen die Eltern erkaufen. Als könnte man verhindern, daß die Eltern alt und gebrechlich werden. Und vor allem, als könnte man die eigene Verantwortung für die Eltern dadurch verneinen, daß man sagt, man habe ja schließlich auch alles selbst geschafft. Wir stehen auf den Schultern von Riesen. Das heißt aber nicht, daß wir nichts tragen müssen. Und, daß wir uns nicht helfen lassen dürfen.

Meine Mutter versorgt derzeit ihren Vater. In einem Alter, in dem andere vielleicht schon an ihr eigenes Alter denken müssen. Das erspart ihm vielleicht nicht für alle Zeit die stationäre Pflege, aber doch für eine gewisse Zeit. Und danach, wie schnell Menschen meiner Meinung nach in stationärer Pflege abbauen, verlängert sie vielleicht auch sein Leben.

Es geht nicht um die Rechte der Eltern an den Kindern. Ich denke, es geht um gegenseitige Verpflichtung. Ich bin nicht ganz alleine auf der Welt. Und das finde ich gut.

mark793   |   25.09.2012, 12:08   |  
Der Arbeitsmarkt?

Für mein freischwebendes Brotlosen-Dasein hätte es ja keinen nennenswerten Unterschied gemacht, wenn ich in Hometown geblieben wäre, aber für meine Frau als Hauptverdienerin war in der Region vor sechs Jahren beruflich Ende der Fahnenstange. Ich wäre mit meiner Kleinfamilie gerne näher dran an der Oma, andererseits beneiden mich meine älteren Brüder manchmal um die größere Distanz. Alles nicht so einfach.

texas-jim   |   25.09.2012, 12:23   |  
Das lasse ich freilich gelten. Darauf bin ich nicht gekommen. Ich kann mir sowieso immer jede Arbeit irgendwie vorstellen, und außerdem ist der klassische Maschinenbau gut verstreut. Ob das auch noch für den hoffentlich irgendwann promovierten Maschinenbauer gilt, weiß ich noch nicht. Aber ich kann mir ja immer alles vorstellen.

mark793   |   25.09.2012, 12:49   |  
Von vier Brüdern arbeitet nur noch einer in Hometown (genaugenommen als Angestellter eines Tochterunternehmens von Hometown), ansonsten Frankfurt, Wiesbaden und meiner einer am Niederrhein. Abgesehen vom Jüngsten, der explizit raus wollte, um etwas Global-Player- und Vielflieger-Luft zu schnuppern, hat sich keiner drum gerissen, wirklich weit wegzukommen. Der eine pendelt täglich von der Bergstraße nach Wiesbaden, der andere vom Landkreis DA nach MA, weil seine Frau im Taunus arbeitet. Besser gesagt, sie hat dort einen Schreibtisch, wenn sie nicht gerade homeoffice macht oder die meiste Zeit irgendwo auf Montage in der Weltgeschichte unterwegs ist (und daher auch die Nähe zu FRA als Standortvorteil sieht). So sieht das bei uns aus.

berenike   |   25.09.2012, 12:59   |  
Was Sie sagen ist alles richtig, texas-jim, und ich wünschte, ich hätte die Möglichkeit, meine Eltern in die baldige Kinderbetreuung einbeziehen zu können und zu dürfen. Erstmal leben sie 250km weit von mir weg, alle Überlegungen sind also sowieso müßig. Aber wenn ich dennoch den gleichen Wohnort hätten, würden sie es schlicht nicht machen, weil sie dazu nicht in der Lage sind, weil sie schon nicht in der Lage waren, sich um ihre eigenen Kinder zu kümmern.
Es gab solche Fälle in der Vergangenheit, wo meine alleinerziehende Schwester dringend für Prüfungen lernen musste, dafür für eine Woche zu meinen Eltern zog und dann halt abends gelernt hat, als das Kind schlief, weil meine Eltern einfach nur hilflos vor dem Kind saßen.

Aber das ist meine Geschichte, grundsätzlich haben Sie Recht und grundsätzlich finde ich einen intensiven Großelternkontakt auch wichtig und möchte ich trotzallem fördern.

texas-jim   |   25.09.2012, 14:34   |  
Meine Familie ist im Dorf (und in den umliegenden) noch wesentlich umfangreicher als nur meine Eltern. Ich sehe das auch als Standortvorteil. Die Arbeit lasse ich gerne gelten, ich lebe selbst als Pendler, trotz meiner guten Möglichkeiten in der Region. Auch Ihren besonderen Hintergrund, Frau Berenike, lasse ich selbstverständlich gelten.

Ich stelle fest, daß meine Freunde vom Dorf mit mir ganz oft ähnlicher Meinung sind. Und dann komme ich hier in die Stadt unter junge Leute und stelle eben das fest: Die wollen das nicht. Sie finden es falsch und schlecht und fühlen sich eingeengt. Und so wird mit aller Gewalt das Weite gesucht und jede Hilfe ausgeschlagen. Nur, um sich nicht fesseln zu lassen. Meine provokante Frage, ob man sich lieber an Kitagebühren, Pflegekosten und Vermieter fessle als an die Eltern, konnte keiner beantworten. Stattdessen wirft man mir Unselbständigkeit und Bequemlichkeit vor. Ich frage, wie sie denn einst die Versorgung der Eltern regeln wollen und höre, daß die das selber können.
Ich wüsste gern, woher eine solche Einstellung kommt.
Mitrauchen
 


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