Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

30.01.12, 18:35 | 'buying in just like a bunch of fools'
Gegen Mittag leuchtet mich das Telefon an. Morgen wird es ersetzt, aufs Altenteil geschoben, das Gute. Nicht "Outdoor", sondern ein "edler Schiedsrichter-Look". Von den weißen Streifen ist nicht mehr viel übrig, vom schwarzen Lack auch nicht. Die Kameralinse ist so zerkratzt, daß alle vom Nebel auf meinen Bildern reden. Und es tut mir ein wenig leid, daß ich ein neues gekauft habe. Hauptsächlich der Karten wegen. Und des Schreibens wegen. Du schreibst so viel, und Du schreibst nicht mehr mir, seit Du ein Streicheltelefon hast. Und eine Bash werde ich haben, und vielleicht wieder in Java schreiben. Wo ich doch schon JavaME nicht recht verstehen wollte. Ach, denke ich, das Geld habe ich, und wohin damit, und dann bekomme ich eine Versandbestätigung und dann das Leuchten, es ist eben alles in a mess, wie der Amerikaner von gegenüber sagt.
Bier, steht da lapidar, und auf der Heimfahrt denke ich daran. Es ist kalt, und ich möchte nicht anhalten. Nicht noch mehr Tag verpassen, nicht an Kassen stehen, und nicht an Ampeln. Ich könnte über Schleichwege, denke ich. Da ist der Markt. Oder auf dem Heimweg, ganz einfach, wo es den riesigen Parkplatz hat. Ich fahre durch ein zerkurvtes Dorf, links rechts links, und da vorne ein kleiner Laden. Das Schaufenster ist grau und blind, der Parkplatz ist genau einer, denn der andere ist gleichzeitig die Zufahrt zur Werkstatt dahinter. Eine Schlosserei, "und Maschinenbau" haben sie ehrgeizig auf dem Schild stehen. Ich steige aus.
Ein älterer Herr hält mir die Tür auf und lacht, als ich mich bedanke. Nobel, nobel! sagt er. Der Laden ist klein, und als der Herr geht, bin ich alleine. Es liegt noch Geld auf der Ladentheke, und zwei Zeitschriften und einer dieser kleinen Blöcke, wie sie die Bedienungen immer haben, zwei Buchstaben, zwölf Striche, ein Tisch in lustiger Runde. Es türmen sich Kisten, ich finde das Bier, ich finde irgendwo ein Preisschild, rufe Hallo in den Raum und trage die Kiste zur Theke.
Eine alte Frau nähert sich langsam, schlurfend, und erst jetzt wird mir klar, daß es hier drin sehr duster ist. Und kalt. An der Kasse steht ein elektrischer Heizkörper, das Lämpchen am Schalter zittert recht hilflos. Die Frau ist klein und trägt einen Mantel, einen Schal, sie hat kleine, dicke Hände und kurze Finger. Sie scheint schlecht zu sehen, denn sie kneift die Augen zusammen, und auf der Theke sehe ich jetzt auch eine dicke, alte Brille liegen.
Kalt heute, sagt sie, und ich bejahe.
Was darfs denn sein, die Kiste Bier? Ja, sage ich, die Kiste.
Was macht es denn, fragt sie wieder. Zwölfneunundneuzig sage ich und deute nach hinten auf das Preisschild.
Und Pfand, sagt sie.
Ja, sage ich, und Pfand. Ich habe kein Leergut mitgebracht. Das Bier ist fürs Basketball, weil zur Zeit immer danach Kabinenfetz, und da will ich auch mal dran sein, und heute ist mal, und montags ist ja sowieso immer. Nun.
Dreizweiundvierzig, sagt sie und lächelt. Das Pfand weiß sie auswendig. Sechzehneinundvierzig zusammen, sage ich, und muß auch lächeln. Ich lege zwanzig Euro auf die Theke, und sie sucht mit kleinen Augen und ebenso kleinen Fingern das Wechselgeld aus der Kasse. Die ist die ganze Zeit offen gestanden. Und eingetippt haben wir auch nichts. Das geht schon so, das wird schon stimmen. Ich schaue durchs Schaufenster nach draußen auf die Straße. Ein Strom von Heimkehrern. Scheinwerfer ziehen vorbei, und ich frage mich, ob Scheiben vom vielen Durchschauen auch blind werden. Es sieht so aus, der Stuhl sieht so aus, die Frau sieht so aus, als hätten sie hier viel Zeit verbracht. Und nun fahren alle vorbei, kaufen eine Kiste Bier, für die sie dann mit schlechter Musik beschallt werden, während sie eine Ewigkeit anstehen und dann noch einen Kistenmarathon über den Parkplatz laufen müssen. Hier muß man nur geduldig sein.
Ich schiebe das Wechselgeld ein, doch die Frau hält mich zurück. Zählen Sie nach, junger Mann, daß ich Sie nicht am Ende noch beschissen habe! Ich gehorche, alles hat seine Richtigkeit. Dann trage ich die Kiste zum Auto und horche der Tür zu, die mit dem klassischen Kaufladenton ganz langsam zuschnarrt. Das Glöckchen. Die Frau winkt. Draußen ist es nur wenig kälter als drinnen. Und nur wenig heller.
Ich weiß jetzt, wo ich mein Bier kaufen kann. Und ich weiß jetzt noch ein Argument für dieses Büro, auch wenn das keines ist, und für mich ja doch, denn dann komme ich hier vorbei und werde sicher in einer Woche begrüßt, ob ich denn das alles allein getrunken hätte. Und darauf freue ich mich schon.

Rauchzeichen




ueblich   |   04.02.2012, 15:27   |  
Das ist der erste Schritt, sich mit einem Ort, einer Gegend zu verheiraten. Viel Erfolg.

texas-jim   |   09.02.2012, 21:50   |  
Ach, ich bin hier schon zu Hause.
Mitrauchen