Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Freitag, 26. 07 19

26.07.19, 10:24 | 'Was zu tun ist'
Oh it's healing bang bang bang
I can hear your canons call
You've been aiming at my land
Your hungry hammer's falling
And if you want me, I'm your country
Ich hatte dieses Lied nicht nur verdrängt, ich hatte es unter Wasser gehalten, um die Hammerschläge nicht mehr ertragen, dem Anprall des Sturms nicht mehr ertragen zu müssen. Ich habe es schlußendlich fast vergessen, um nicht umgeworfen zu werden.
Gestern dann, auf einem Handtuch am Steg sitzend, die Beine baumeln, die Luft fast körperwarm und leicht, der Sternenhimmel wie ein Schirm über uns, in der Ferne Stimmen und schwaches Licht, gestern abend also am Wasser erscholl das Lied vom Sturm von neuem.
I need some wind to get me sailing
So it's the storm that I believe in
You feel my heart you keep my breathing
'Cause you're the storm that I believe in
Worte, die im Sturm ankommen wollen, müssen aus voller Brust gesungen werden. Und ich habe gesungen und gehört und die Wellen gespürt, Gänsehaut im Wasser, überhaupt Wasser, das den Schall so gut trägt, den Kontakt herstellt, daß ich aus der Ferne einen zweiten Herzschlag zu spüren glaube. You're the storm that I believe in, klingt es in mir noch einmal, als ich mit geschlossenen Augen im Auto sitze. Ja, sage ich, und ich möchte auch Dein Sturm sein.
# |  Rauchfrei | Gas geben

Donnerstag, 25. 07 19

25.07.19, 07:09 | 'Night after night'
Er war der Sandlerkönig, er war wie der Wein,
ein Vagabondo del amor so echt und rein.
Er war der Sandlerkönig, er war wie der Wein,
doch wie bei Romeo und Julia - es hod net soll'n sein!
Lange her, und hätte man mich nach Liedern dieser Band gefragt, ich hätte den Sandlerkönig womöglich nicht einmal mehr nennen können. Nun stehe ich aber hier im Schloßhof, einen Plastikbecher in der Hand, der Himmel in allen Farben blau, auf der Bühne die ersten Takte nach einer längeren Einleitung, die so mäandernd daherkam, daß ich bis zur Musik nicht wußte, worauf man hinauswollte - und es hatte mich, ganz bräsig gut unterhaltener Gast, auch nicht gekümmert. Nun horche ich dem Echo der letzten Sätze in mir nach, bis die Musik sie wegspült. Diese traurige Geschichte, die abstruse Freude daran, sie immer wieder erzählt zu bekommen. Zehn Jahre her, daß wir das Lied vom Gevatter sangen, im Bus stehend, vom Trinken ebenso gefühlsduselig wie grob geworden, uns in den Armen hielten und wir ihm damit ein Lächeln abrangen. Lange Haare trug er, das Gesicht schon gezeichnet, einer von den Guten, von den ganz Guten und durch Glücklosigkeit, durch ein unbenanntes Fehlen von irgendwas auf einen Weg getrieben, den er die nächsten Jahre fortsetzen sollte, wer hätte das damals schon gewußt. Alle bis auf mich vermutlich, schelte ich mich. Ich sehe ja immer Himmel und nie Abgründe, nur Flügel und keine brennenden Triebwerke. Bis einer heult, wiederhole ich den alten Spruch, den ich so mag: man sieht es dann doch kommen, den Aufprall, die Tränen, seufzend, freut sich am Toben doch zu sehr, um alles abzuwenden. Gehört dazu, vielleicht, vielleicht auch nicht, aber lieber hoch und runter, als nie zu fliegen. Die Verführung trägt das Lied, die Verführung, die eine große Sache, fehl und vorbei, als einzige und größte zu bezeichnen, währenddessen vielleicht noch legitim, danach aber tödlich, unverzeihlich falsch, weil sie die Möglichkeit zu Größerem verneint, zu erneutem Aufstieg, weil sie die Anstrengung verunsinnt, weil sie das Aufrappeln allzu sehr beschwert und das Absaufen erleichtert. Wozu noch einmal, wenn man stattdessen Sandlerkönig sein kann, und diese Verführung spüren alle, hingeben dürfen wir uns nicht: Man is not made for defeat, nehme ich wieder meinen alten Mann her, Man can be destroyed but not defeated. Und wie die Strophen über das Gelände ziehen, wird mir der Becher schwer und das Bier schal, denn solang man sich die Unterscheidung zwischen dem zerbrochenen Großen und dem Größten noch selbst zutraut, solang ist alles vielleicht zerbrochen und zerstört, doch nicht besiegt. Und so sitze ich dann später in einem Cabrio, den Kopf im Nacken, die Bäume links und rechts als Schatten, die Sterne bleiben einfach stehen. Ein paar Meter noch zu Fuß, ein paar wenige Verrichtungen noch, dann schnelles Schlafen. Was den einen dann zum Sandlerkönig macht, frage ich mich noch. Vielleicht ist es die Hoffnung, denke ich, die uns auf- und antreibt, vielleicht die Suche nach Größe, Höhe, Weite, vielleicht der Blick nach vorne statt zurück, zu den Sternen statt zum Scherbenhaufen.
# |  Rauchfrei | Gas geben

Dienstag, 16. 07 19

16.07.19, 11:46 | 'Carry me Carrie'
Ich habe die stählerne Klammer um Dein Herz gespürt. Ich habe nicht bemerkt, wie stark ihr Druck war, wie diamanten Du darunter geworden bist. Ich habe sie nur wahrgenommen, wenn Du sie gelöst hast: beim angelehnten Einschlafen, wenn ich Deinen Herzschlag sehen kann, der Puls langsamer und weniger hart an Deinem Hals, der Griff Deiner Hände sanfter, die Augen weicher, bevor sie sich schließen, weniger Härte mit Dir selbst, weil niemand so mit sich sein kann, soll und darf, die sich lösenden Muskeln zucken nach, ein Seufzen entwischt den Lippen, aus dem Anlehnen wird Anschmiegen, zwischen uns fließt Wärme, sie trägt die Information des Daseins, der Gemeinsamkeit und der Sicherheit zum anderen, sie dämpft die Umgebung, als wären wir warm unter einer gemeinsamen Decke.
Nicht mit Gewalt. Du kannst die Klammer nicht sprengen, indem Du hart bist. Die Klammer ist ein Teil von Dir und wird mit Dir hart und härter, eng und enger. Weich werden, warm werden, gleiten, lösen. Mit dem Nachlassen Deiner Spannung weicht auch die Klammer auf, und irgendwann kann sie abfallen von Dir.
Ich freue mich, wenn ich spüre, wie der Druck nachlässt. Im Schlaf und in ganz wenigen besonderen Momenten. Daran freue ich mich. An Dir, wenn ich unter die Klammer sehen kann, und an mir, wenn ich Dich wärmen und erweichen kann. Druck aufnehmen, Druck abnehmen. Und ich schäme mich, daß ich die Stärke der Klammer nicht begreifen konnte, womöglich nicht einmal sehen wollte. Du bist gut, wenn Du diamanten bist. Du bist mir noch viel lieber, wenn Du weich wirst. Größer wirst Du dabei, stärker. Und das möchte ich sein, das sollst Du sein. Stark sein, indem wir weich werden.
# |  Rauchfrei | Gas geben