Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Dienstag, 23. 02 16

23.02.16, 23:12 | 'looking at the world over the rim of my tea cup'
Ich bin noch neu im Kampfsport, ich zupfe und zerre immer noch an meinem viel zu großen Anzug herum, der auch durchs Waschen nicht so schrumpfen mag, wie ich das gerne hätte. Und jede Woche gibt es Neues zu sehen im Training. Wie mich die Selbstverständlichkeit des Verletzens, des Verletztwerdens, die Realität der Kampfsituation erschreckt. Wie ich unwillkürlich auf Stock und Messer reagiere, und wie lange es dauert, bis die Übung die Reflexe verdrängt. Wie ich einerseits einen Hundert-Kilo-Mann als Partner habe, der dosiert und kräftig ist, und zum anderen einen, der sich an Unsauberkeit und Grobheit freut. Und heute erstmals eine junge Frau, klein und zierlich, und bei den Schrittechniken stehen wir uns gegenüber, die Unterarme gegeneinander gepreßt, und ich sehe den Haarreif aus bunten Plastikblümchen, der ihr glattes Haar aus der Stirn hält. Ihre kleine Hand verschwindet in meiner, und immer wieder runzelt sie die Stirn, wenn ich so gar nicht zupacken mag. Alles neu in diesem Sport, und ich mag dieses Lernen durch Üben, auch wenn ich eigentlich warten wollte mit diesen paar Sätzen, bis ich mehr weiß, bis ich einen der Griffe überhaupt benennen kann, bis ich mich eingefunden habe in dieser Welt.
Körperkontakt ist mir ungewohnt, und diese Art des Kontaktes erst recht, das Drehen in den Partner hinein oder um ihn herum, das Festhalten, die Aggression aus Schlagen, Halten und Ziehen, diese grenzüberschreitende Übergriffigkeit, und gerade deshalb ist dieses kontrollierte Umfeld hervorragend geeignet, um ebendas zu erleben. Der Körper, der, statt zu tippen, nun Rollen in Kampfposition tief und halbhoch ausführen soll, der nun einen Gürtel packt oder mit der Faust in eine Pratze drischt, bis die Hände lahm sind und der Bewegungsabdruck ganz langsam im Kopf Gestalt annimmt, und ich beschreibe die Bewegung hier noch nicht, ich würde es falsch machen, und das ist auch eine Eigenschaft, die mir neben der neuen Welt der handgreiflichen Körperlichkeit aufgefallen ist: der Bezug auf den Meister, auf die Bewegung, Erklärung und Korrektur. Da ist eine Frage ein Nachfragen statt des Infragestellens, da ist Aufmerksamkeit und gehorsames, freudiges Lernen. Lernen durch Schauen, durch Hören, durch Verstehen, Fühlen und Einüben. Und da ist natürlich das Spiel mit der eigenen Kraft, mit dem Zwang, der über blockierte Gelenke ausgeübt wird, und mit dem Ertragen der Stockspitze, die hinterm Kiefer in den Hals drückt und drückt, bis ich dann doch nachgeben muß, und dann noch mehr, bis mir einfällt, daß ich ja klopfen muß, und da ist es dann schon richtiger, tief schneidender Schmerz, der abrupt nachläßt, und aus der eben noch drückenden wird eine stützende Hand, geht schon, jetzt Du, Kampfposition einnehmen, den Stock abwehren, ein bißchen Magie mit den Händen, ein Schritt und ein, zwei Tippelschritte, und dann das Gefühl, wie sich der Körper des anderen verspannt, als ich ihn blockiere.
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