Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Dienstag, 20. 12 11

20.12.11, 21:11 | 'Dying to say this to you'
Wir haben ein Problem. Lebenswünsche. Irgendwann muß man ja Pläne machen. Ab und zu schaue ich Wohnungen an. Sträube mich gegen das Puppendorf. Ich will es echt, ich will es so, wie es war und ist, und nur zähneknirschend gebe ich Zentimeter frei. Dorf ist Dir nichts, ländlich nur eine Attitüde, mit der man winters teure Pullover mit Mustern anziehen kann. Du kennst das Holz nicht, vor dem Du posierst. Nicht die Mühe dahinter. Ich kann die Stadt nicht, ich kann nicht cool, ich kann Berater und Manschettenknöpfe nicht ernst nehmen. Die Vergnügungen der Stadt sind meine Qualen. Coole Menschen, teure Getränke, abschätzige Blicke. Ein Zoo statt eines Stalls. Kein Berg für mein Rad. Um mich nur Blech und Beton. Ich weiß nicht, wie und ob.
Und so zerren wir aneinander. Mühsam, scherzhaft. Und dann schaue ich Dich an und kann mir Deine Lücke gar nicht vorstellen. Keine Option. Ich weiß nicht viel von eurem Leben, und ich will es nicht. Ich saß gestern lange da und versuchte, in einer fremden Sprache zu erklären, daß doch nicht alle gehen können. Es muß doch jemand hierbleiben. Es muß doch jemand all das lernen, was uns an den Alten verlorengeht. Es muß doch einer dieses Bild in sich tragen, von einem Ort, der sich langsam verändert. Ich weiß schon, warum meine Belichtungszeiten immer zu lang sind.

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Ein Pärchen, Bekannte, hat sich getrennt, nachdem sie von hier fort gezogen sind. Studium, Abschluß, ein paar Jahre weg. Dort wollte sie bleiben, er wollte zurück. Ich kenne die beiden lange, und lange nur als Paar.

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Raclette, Feuerzangenbowle, schokolierte Früchte. Ein Fest für wenige. Unser kleines Weihnachten, und ich denke daran, daß ich die Gastgeber mal eben ein Jahr kenne. Wie verstockt ich da saß. Wie sie mich annahmen, aufnahmen. Aufbrachen, ganz behutsam, mit grobem Werkzeug.

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Ich möchte nicht krank werden, ich möchte nicht zum Doktor. Ich möchte nicht sitzen und warten und tue das doch den halben Tag.

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Unterfordert. Vielleicht muß man das mal so zugeben, ganz leise, und sich dann selber nicht gleich überheblich nennen. Ich kann etwas mehr, ich kann vor allem etwas anderes. Und was will ich?

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Mag sich einer finden, der den Wolf Haas mit seinem Brenner übersetzt.

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Wozu verdienst Du Geld, wenn Du es nicht ausgibst? Es nicht nutzt? Ein Kantenschleifer, gerade ein Arbeitstag. Eine Tankfüllung, ein paar Stunden. Aber das Alter! so fern, und allen anderen nicht näher. Kümmere Dich nicht, sorge Dich nicht, und doch -.

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Ich bin sehr froh, daß ich noch hierher kann.

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Ein Geschenk betonieren. Könnte Kunst sein, könnte das unbeholfene Geschenk eines lächerlichen Landeis sein. Katze und Schwanz, Sie verstehen schon.

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Freitagnacht lasse ich mich nach hause bringen. Ich kann die Musik noch hören und schlafe sofort. Samstagabend gehe ich nicht einmal aus dem Haus.

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Christbäume am Sonntag. Romane hätte ich früher geschrieben. Tausend Geschichten. Der Mann mit der Stange, der einen Baum suchte, stangenhoch, stangendünn. Die Frau, die zwei Stunden suchte und dann sogar noch einen privaten Blumentopf kaufen wollte. Ihren Ständer hatte sie dabei, und stolz verließ sie den Hof mit einem schräg eingepassten Baum. Der Ehemann, der sich vor seinem Hofstaat samt Baum um sich selbst drehte. Die verehrenswerten jungen Mütter in ihren hohen Stiefeln, und die verabscheuenswert vorbereiteten in ihren dicken Handschuhen. Zig mal verliebt und verloren. Grüne Wathosen getragen, schwere Stiefel, die signalfarbene Forstjacke, eine über die Ohren hochgekrempelte Mütze. Und wie wohl ich mich so fühlte. Gegen Mittag lange im Stall stehend. Den Stall als Routine begriff. Als Ruhezone. Arbeit, die sich nicht beschleunigen lässt. Die erledigt sein will. Gewissenhaftigkeit einfordert. Ich rufen den Mädels, als ich ihnen das Futter an den Trog schiebe, und ich weiß, daß mich die Einkäufer auf dem Hof hören können, daß sie die Köpfe drehen und sich an ihrem Landleben freuen, bevor sie die Türe wieder vom Wetter trennt und der Fernseher sie wieder in die Welt trägt. Es ist dunkel, als wir die letzte Fuhre bringen, und es sind die ersten Bäume, die ich nicht komplett vom Wagen herab verkaufe. Ich begreife diesen kleinen Markt mit seinen verschwitzten, nassen Helfern und den gewienerten Kunden, ich begreife die Idylle, die Ehrlichkeit, die sie mit ihren Bäumen mit nach hause nehmen, frisch aus dem Wald, und würden wir Touren anbieten, wir könnten uns nicht mehr retten. Auch so kommt die Bärbeißigkeit an, die gute Laune des Naturburschen, der die Jungverheirateten schräg anschwatzt und den hohen Herrn übers Maul fährt. Ich bin ein Gaukler, ich bin Hofnarr, und am Ende des Tages habe ich zwei schöne Bäume verdient, ich vogelfreier Geselle, und mehr als einmal meine ich Neid gesehen zu haben, von den Gewärmten, den Verwöhnten, denn die Hände und die Augen, den schweren Tritt, den bekommt ihr nicht aus euren Fitnessräumen, und vielleicht, denke ich, als ich die nassen Kleider abwerfe und die Stiefel auf den Boden poltern lasse, vielleicht war es doch nur der Punsch, und ihr seid schon recht so.

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Ich mag sie. Sie ist nicht schön. Sie ist ein bißchen hübsch. Ein bißchen bissig. Ein bißchen anschmiegsam. Sie riecht ein wenig nach Möglichkeiten, und das stößt mich dann ab.

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Ich grüble über einer Konstruktion. Ich grüble über Technischer Mechanik. Ins Grübeln, ins Studieren komme ich ja gerne. Man sollte sich das abgewöhnen. Die Strecke von der Erde zum Mond annehmen, und bis zur Rente zurücklegen, in den Hasenstall, in dem sie Büro spielen, und den ich manchmal nicht so recht ernst nehmen kann, bis ich mich dann wieder aufrege, weil einer zieht und zieht, was schon zu lang ist, und mir das auch noch erklären will.

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Mittwochs spielen wir Brettspiele. Montags Basketball. Donnerstags schwingen wir Reden, und dienstags füttere ich oder bastle. Das habe ich mir gewünscht. Will ich das wieder hergeben, noch einmal drei Jahre verschwinden, zurückkehren und nicht aufholen können, was passiert ist? All die Abende, das Lachen, das Jaulen der Motoren, die Sorglosen, die Verbrauchenden, die etwas tatsächlich zu Bruch gebrauchen, für zwei Buchstaben, die mich dann womöglich nie wieder hierher lassen können? Mich fremd machen?

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Das Thema springt mir ins Auge. Der Betreuer. Ich erinnere mich an seine Arbeit, als ich dort studierte. Er vielleicht, aber natürlich muß es so weit weg sein, daß auch die tolle WG der Dörfler nicht zustandekommen wird.

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Mundharmonika. Blues.

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Und dann zwei Tage Skifahren. Ich fahre mit einer, in deren Bilder ich mich schon gewünscht habe. Wäre ich dabeigewesen! dachte ich, und nun fragt sie. Und ich schärfe meine Kanten, wachse die Beläge. Ich freue mich aufs Gleiten, auf das prügelnde Zittern der Knie in den Kurven. Auf das Federn, das mich in die Gerade treibt. Zwei Tage, und ich weigere mich, das in Arbeitszeit umzurechnen.
# |  7 RauchzeichenGas geben