25.11.24, 09:31
Ich erkenne eine schleichende Entlastung, wenn ich mich am Samstagmorgen in mein kleines Büro setze, und am Sonntagmorgen wieder, und dazwischen mich immer wieder ertappe, wenn das zwingend notwendig zu Erledigende abgeglitten ist in ein Thema, das ich aus Interesse verfolge. Oder wenn ich am Sonntag tatsächlich das arme, verdreckte Moped in die Sonne stelle und ein wenig dran herum wische und wasche, damit es den Rest des Winters zwar immer noch in einer Garage, aber mit weniger nach Vernachlässigung aussehendem Äußeren verbringen möge. Da sich das jährliche Auftanken kaum mehr lohnt, habe ich auch das unterlassen und hole es reuig nach. Und dann verwerfe ich den Gedanken an einen Verkauf mit der Erinnerung daran, welche Freiheit mir das erste richtige Moped einst bedeutet hatte, wie ich die kleine Maschine mit dem roten Tank mit Bedeutung beladen hatte, wie ich sie fuhr bei Wind und Wetter und durchs ganze Land. Wie ich immer träumte von einer Urlaubsreise und doch nie eine tat - ich hätte ja nicht gewusst, wohin und wozu. Ihre Nachfolgerin darf also wieder für ein Jahr bleiben, obwohl sie schon blitzblank und bereit in einer Ausstellung stand, als mir aufging, dass kein Geld der Welt undsoweiter und dann doch nicht.
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Nichts versäumt in der vergangenen Woche. Noch immer packt mich die Unruhe der Untätigkeit und reißt mich aus dem Fieberbett, stützt mich torkelnd auf den Wegen und hinterlässt mich schimpfend ob der eigenen Schwäche am einsamen Abendschreibtisch im Büro. Denn wer langsam ist, muss länger tun. Und ich erinnere mich - ich bin ja selten krank und niemals ernsthaft - ans Kranksein in der großen Stadt, wo es für einen Tag tatsächlich nicht mehr ging, kein Gehen möglich und kein Sitzen, wo ich lag und beschloss, nicht allein ins mit allerlei Krankheitstagen dräuende Alter zu gehen, ich denke also ein gutes Jahrzehnt zurück und muss gestehen, dass ich reichlich erfolglos darin war, oder doch erfolgreich darin, mir dieses große Versagen meines Lebens schönzureden. Und aus dem Nichts und Dunkel höre ich eine der Stimmen meiner Jugend singen: Doch ich muss mein Leben leben, meinen Weg alleine geh'n. Denn es sind vielleicht nicht die tiefsten Gedanken und die klügsten Worte, die mich begleiten, doch sind sie mit Herzblut geschrieben und im Takt dieses Herzens gesungen, dass sie mir mein Herz anregen und Worte geben, wo meine Gedanken keine eigenen finden mögen. Es fällt mir doch schwer, die eigenen Schmerzpunkte anzufassen.
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Tatsächlich nehme ich die Unsicherheit des nur Geplanten und noch nicht Erlebten als Bedrohung wahr. Ich werde allein stehen, allein sitzen und in Gesellschaft liegen müssen, so fürchte ich, und wäre ich nicht Mitorganisator und Betreuer, ich wäre wohl daheim geblieben. So aber sitze ich leicht fiebernd mit meinem Tee im Bus und wundere mich über einen orientierungslosen, wild schimpfenden Fahrer, der nebenbei allerhand Gerätschaften bedient, und hoffe, von den brüskiert Entgegenkommenden nicht gesehen zu werden. So laufe ich auf den vorgezeichneten Wegen, auf die der zerbrechliche Mensch in Industriehallen zurückgedrängt wird, und freue mich am Eindruck, den bewegter Stahl, aus dem der Menschenwille spricht, mir immer noch hinterlässt. Genauigkeit jenseits des Sichtbaren fasziniert mich, muss sie doch irgendwann mit Maschinen erstmals hergestellt worden sein, die selbst noch nicht derart genau waren. Eine Sache der Einstellung, denke ich.
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Es ist nicht so sehr die Müdigkeit, mehr ist es meine Einsamkeit in großen Mengen, die mich zum Rückzug drängt, und so liege ich dann ein Stündchen auf einem Stockbett und schaue an eine alte Holzdecke, während es draußen wundervoll schneit und ich mich frage, wie in aller Welt ich hierhin gekommen bin. Der irre Gedanke, dass ich das auch kann, fällt durch stete Wiederholung in Blitzlichtern auf meine Vergangenheit, und mit dem Gedanken, dass ich deshalb hier und heute bin, stehe ich halt wieder auf und setze mich zwischen bestrumpfte Halbwüchsige, die offenbar mit dem Begriff des Hüttenschuhs nichts anzufangen wussten, in die gute, warme Stube.
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Gruppenbildung. Ich erkenne alters-, geschlechts- und herkunftsbezogene Verhaltensweisen, aber vermutlich suche ich nur mich selbst als den verschämten Bauernkerl, der ich damals war. Eine Gruppe laut und schon mit roten Backen, und seufzend setze ich mich dazu. Niemals die Augen schließen, niemals weichen. So habe ich schon Bullen verladen, denke ich, und deshalb ist es auch mehr Glück als Verstand, hier sitzen zu können. Und so dämpft mein Sitzen auch heute den Furor. Wenn auch einer wütend, immer wütender mich blitzt, doch heute nicht. Ich schaue nach draussen in die Nacht, wo es hinterm Sprossenfenster dicke Flocken schneit, wo die Berge sind, wohin mein Herz mich zieht.
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Wer Hilfe braucht, muss direkt ansprechen, habe ich gelernt, und so tippe ich ein paar der Umstehenden an, sich die Schuhe anzuziehen und Kisten durch den Schnee zu tragen. Die Menge kommt in Bewegung, und ein Tross marschiert ins Tal, dass es mich ganz väterlich anmutet. Eine Unsicherheit, eine Unklarheit, ein Malheur und keine Lösung. So stehe ich dann da mit einem Autoschlüssel und Sommerreifen, und ich tätschle ein fremdes Armaturenbrett und murmle, dass wir schon gut herunterkommen werden von unserer Hütte, und dann los. Entscheidung, Verantwortung, Risiko. Ich laufe die steilsten Stücke vorher ab. Grenz- und wertig, sage ich kopfschüttelnd, und dann ist es doch wie immer, dass ich mein fliehendes Herz mir zwinge und den Moment umarme, in dem ich abspringe, um das Zaudern zu beenden. Ich liebe den Moment, in dem man fällt, summe ich den Text einer deutschen Band meiner Jugend, vorgetragen mit einer Piepsestimme, die einem das Herz eher noch als die Ohren brechen musste.
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Ich dachte, sagt eine der Vortragenden zu den Umstehenden und damit auch zu mir, Sie hätten drei Betreuer, und ich überlege kurz, ob ich nicht doch Hemden tragen sollte. Aber die Knöpfe, denke ich, und wer hat schon die Zeit, und so nicke ich nur stumm, während die anderen grienen.
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Auf der Heimfahrt über die Alb wieder Sommerreifen unterwegs, die zwischen schlechten Autofahrern aber kaum zu unterscheiden sind. Ich suche meinen Weg dazwischen und gehöre hie und da zu beiden Gruppen, wie es aussieht, und ganz zuletzt noch zu den Mutlosen, als ich in einen letzten Parkplatz vor der Steige einfahre. Kaum komme ich mehr hinaus auf die Straße, und je öfter ich dazu Anlauf nehmen muss, umso mehr will ich dann doch, weil ich. Es klappt dann, und ich verbringe den Rest des Abends daheim, damit nicht der Riesentopf mit meinem Glück doch noch zur Neige gehen könnte, wenn ich mir alle Stunden ein solches Quantum davon nehme.
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Ich finde dann doch meinen Küchentanz wieder, den ich lang verloren glaubte. Ich singe, koche, tanze, und ich freue mich, alles zu tun, was ich nicht kann.
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Nichts versäumt in der vergangenen Woche. Noch immer packt mich die Unruhe der Untätigkeit und reißt mich aus dem Fieberbett, stützt mich torkelnd auf den Wegen und hinterlässt mich schimpfend ob der eigenen Schwäche am einsamen Abendschreibtisch im Büro. Denn wer langsam ist, muss länger tun. Und ich erinnere mich - ich bin ja selten krank und niemals ernsthaft - ans Kranksein in der großen Stadt, wo es für einen Tag tatsächlich nicht mehr ging, kein Gehen möglich und kein Sitzen, wo ich lag und beschloss, nicht allein ins mit allerlei Krankheitstagen dräuende Alter zu gehen, ich denke also ein gutes Jahrzehnt zurück und muss gestehen, dass ich reichlich erfolglos darin war, oder doch erfolgreich darin, mir dieses große Versagen meines Lebens schönzureden. Und aus dem Nichts und Dunkel höre ich eine der Stimmen meiner Jugend singen: Doch ich muss mein Leben leben, meinen Weg alleine geh'n. Denn es sind vielleicht nicht die tiefsten Gedanken und die klügsten Worte, die mich begleiten, doch sind sie mit Herzblut geschrieben und im Takt dieses Herzens gesungen, dass sie mir mein Herz anregen und Worte geben, wo meine Gedanken keine eigenen finden mögen. Es fällt mir doch schwer, die eigenen Schmerzpunkte anzufassen.
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Tatsächlich nehme ich die Unsicherheit des nur Geplanten und noch nicht Erlebten als Bedrohung wahr. Ich werde allein stehen, allein sitzen und in Gesellschaft liegen müssen, so fürchte ich, und wäre ich nicht Mitorganisator und Betreuer, ich wäre wohl daheim geblieben. So aber sitze ich leicht fiebernd mit meinem Tee im Bus und wundere mich über einen orientierungslosen, wild schimpfenden Fahrer, der nebenbei allerhand Gerätschaften bedient, und hoffe, von den brüskiert Entgegenkommenden nicht gesehen zu werden. So laufe ich auf den vorgezeichneten Wegen, auf die der zerbrechliche Mensch in Industriehallen zurückgedrängt wird, und freue mich am Eindruck, den bewegter Stahl, aus dem der Menschenwille spricht, mir immer noch hinterlässt. Genauigkeit jenseits des Sichtbaren fasziniert mich, muss sie doch irgendwann mit Maschinen erstmals hergestellt worden sein, die selbst noch nicht derart genau waren. Eine Sache der Einstellung, denke ich.
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Es ist nicht so sehr die Müdigkeit, mehr ist es meine Einsamkeit in großen Mengen, die mich zum Rückzug drängt, und so liege ich dann ein Stündchen auf einem Stockbett und schaue an eine alte Holzdecke, während es draußen wundervoll schneit und ich mich frage, wie in aller Welt ich hierhin gekommen bin. Der irre Gedanke, dass ich das auch kann, fällt durch stete Wiederholung in Blitzlichtern auf meine Vergangenheit, und mit dem Gedanken, dass ich deshalb hier und heute bin, stehe ich halt wieder auf und setze mich zwischen bestrumpfte Halbwüchsige, die offenbar mit dem Begriff des Hüttenschuhs nichts anzufangen wussten, in die gute, warme Stube.
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Gruppenbildung. Ich erkenne alters-, geschlechts- und herkunftsbezogene Verhaltensweisen, aber vermutlich suche ich nur mich selbst als den verschämten Bauernkerl, der ich damals war. Eine Gruppe laut und schon mit roten Backen, und seufzend setze ich mich dazu. Niemals die Augen schließen, niemals weichen. So habe ich schon Bullen verladen, denke ich, und deshalb ist es auch mehr Glück als Verstand, hier sitzen zu können. Und so dämpft mein Sitzen auch heute den Furor. Wenn auch einer wütend, immer wütender mich blitzt, doch heute nicht. Ich schaue nach draussen in die Nacht, wo es hinterm Sprossenfenster dicke Flocken schneit, wo die Berge sind, wohin mein Herz mich zieht.
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Wer Hilfe braucht, muss direkt ansprechen, habe ich gelernt, und so tippe ich ein paar der Umstehenden an, sich die Schuhe anzuziehen und Kisten durch den Schnee zu tragen. Die Menge kommt in Bewegung, und ein Tross marschiert ins Tal, dass es mich ganz väterlich anmutet. Eine Unsicherheit, eine Unklarheit, ein Malheur und keine Lösung. So stehe ich dann da mit einem Autoschlüssel und Sommerreifen, und ich tätschle ein fremdes Armaturenbrett und murmle, dass wir schon gut herunterkommen werden von unserer Hütte, und dann los. Entscheidung, Verantwortung, Risiko. Ich laufe die steilsten Stücke vorher ab. Grenz- und wertig, sage ich kopfschüttelnd, und dann ist es doch wie immer, dass ich mein fliehendes Herz mir zwinge und den Moment umarme, in dem ich abspringe, um das Zaudern zu beenden. Ich liebe den Moment, in dem man fällt, summe ich den Text einer deutschen Band meiner Jugend, vorgetragen mit einer Piepsestimme, die einem das Herz eher noch als die Ohren brechen musste.
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Ich dachte, sagt eine der Vortragenden zu den Umstehenden und damit auch zu mir, Sie hätten drei Betreuer, und ich überlege kurz, ob ich nicht doch Hemden tragen sollte. Aber die Knöpfe, denke ich, und wer hat schon die Zeit, und so nicke ich nur stumm, während die anderen grienen.
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Auf der Heimfahrt über die Alb wieder Sommerreifen unterwegs, die zwischen schlechten Autofahrern aber kaum zu unterscheiden sind. Ich suche meinen Weg dazwischen und gehöre hie und da zu beiden Gruppen, wie es aussieht, und ganz zuletzt noch zu den Mutlosen, als ich in einen letzten Parkplatz vor der Steige einfahre. Kaum komme ich mehr hinaus auf die Straße, und je öfter ich dazu Anlauf nehmen muss, umso mehr will ich dann doch, weil ich. Es klappt dann, und ich verbringe den Rest des Abends daheim, damit nicht der Riesentopf mit meinem Glück doch noch zur Neige gehen könnte, wenn ich mir alle Stunden ein solches Quantum davon nehme.
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Ich finde dann doch meinen Küchentanz wieder, den ich lang verloren glaubte. Ich singe, koche, tanze, und ich freue mich, alles zu tun, was ich nicht kann.