Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Dienstag, 7. 04 20

07.04.20, 18:00 | 'was von den Jahren uebrigbleibt'
Im Dorfkalender diesen Monat ein Bild meines Großvaters, die kräftigen Hände fest am Lenkrad des Dieselrosses. Dessen Haube geschmückt mit Blumengirlanden, ein Festumzug. Der Opa trägt wie immer Hosenträger, eines der guten Arbeitshemden, und trotz des unscharfen Fotos kann ich sehen, wie er verschmitzt unter seinem Strohhut hervor in die Sonne blinzelt. Am Schlepper angehängt ein alter Kartoffelroder mit stählernen Rädern, aus dem Bild heraus kann ich ihr Klappern auf dem Asphalt hören. Ein Vorderreifen ist abgefahren bis auf das Drahtgeflecht, und beim ach so historischen Umzug zeigte er ein Gespann, das noch im Einsatz war, das Dieselross ebenso wie der Roder, den die Landlustigen schon damals mit einem Heuwender verwechselt haben. Er hat das sicher gewusst, dieser kleine Mann mit der großen Arbeit, daß sie ihn da für einen Vorführer hielten, wo er doch Bauer war, und vielleicht hat ihn das so typisch in sich hineinlachen lassen, wie ich es von ihm geerbt habe. Morgen wäre mein Opa achtundneunzig geworden.
# |  Rauchfrei | Gas geben


07.04.20, 11:54 | '10000 lightyears from home'
Und dann ein stiller Moment am späten Abend, als der Freund erzählt, wie er die Menschen um sich neu entdeckt, anders erkennt. Zwischen denen, die ihre Häuser zu Festungen machen und denen, die anderen das Lachen auf der Straße nicht mehr gönnen. Ich frage mich, ob sich alle für so viel klüger halten als die jeweils anderen? Ob wir andere erziehen wollen oder gängeln, oder nur dafür sorgen, daß auch sicher niemand ein wenig besser durch die Zeit kommt als man selbst?

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Völlige Frustration zuvor im Büro. In dieser Form noch nie erlebt. Ich spüre meinen Herzschlag im Hals klopfen, als ich zum hundertsten Mal ein Dialogfenster verfolge, das zu nichts führt. Ein Dokument verschicke, das niemand liest. Ordnung in einem Prozess halte, der dafür überhaupt nicht geeignet ist. Über Mittag sitze ich auf dem leeren Parkplatz in der Sonne und lese, übe Handstand.

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Wir treffen uns in der Dorfmitte zum Radeln. Immer wieder die Freude an der eigenen Tätigkeit und am Messen mit anderen. Bergan, bergab, ein lachender Überschlag. Nur Schürfwunden. In rasender Fahrt durchs Dorf, den anderen unserer beiden Hausberge hinan. Noch ein Freund und dessen Sohn. Abstand. Freude, ich kann mich kaum zügeln, als wäre ich ein junger Hund, der nur mit Mühe davon abgehalten werden kann, an allem und jedem hochzuspringen vor Freude. Gen Osten, den Berg entlang, dann den steilen Stich aus groben Steinbrocken, glatt von den Fuhrleuten vor hundert Jahren. Der Jüngste kämpft, und ich traue mich nicht, zu schieben. Ich bin der, der nebenher fährt, statt voraus. Der Freund lässt den Jüngsten den Weg aussuchen, fragt ein Warum und gibt sich zufrieden. So sieht es aus, wahr- und ernst genommen zu werden. Sogar im besten Fall bin ich davon noch zehn Jahre entfernt. Ich hoffe, daß wir dann immer noch Freunde sind. Und hier. Der Jüngste wird dann volljährig sein. Man muß der Zeit nicht alles glauben, aber sie lässt sich dann doch nicht abhalten von unseren Mätzchen. Wir sinnieren über die Feste in der Hütte, damals, und was am Lagerfeuer geschah. Still treten wir in die Pedale, juchzend stieben wir dann den schmalen Weg hinunter. Der Jüngste vor mir, es lupft ihn einige Male, aber immer fängt er sich wieder. Bald wird er uns überholen, denke ich und freue mich darauf. Das Altern kann auch bittersüß werden, hoffe ich. Allein durchs Dorf, wundere ich mich, und justiere mich dann, daß ich mit sechs Jahren nichts dabei fand, allein durchs Dorf zu radeln.

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Ein viel zu großer Kreis, eine viel zu kleine Gesellschaft. Verrückte Zeit, verrückte Welt.
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Sonntag, 5. 04 20

05.04.20, 10:45 | ''S isch wia bei de Maedle au'
Am Anfang war's zäh, und hintenraus hat es sich gezogen.
# |  3 RauchzeichenGas geben

Freitag, 3. 04 20

03.04.20, 12:23 | 'In Fetzen gerissen'
Es ist etwas zerbrochen. Und zwar der Glaube an das eigene Biegen. Es entlockt mir kaum mehr ein Lächeln, ein Zeichen mehr für den Bruch. Ein Auto kommt mir entgegen auf der ansonsten leeren, ruhigen Straße, auf der ich so vor mich hin radle. Wie früher, dachte ich noch einen Moment zuvor. Wie früher, als diese winzige Nebenstrecke geeignet für Radfahrer erschien. Bis der Verkehr wuchs und wuchs und sich staute und staute, bis sich der Verkehrsfluss überlaufend auf die kleinen Nebensträßchen ergoß. Kein Mittelstreifen. Viele, enge Kurven. Keine Bankette. Motoren heulen, Schotter spritzt. Im Graben alle Meter blitzend die Splitter von Spiegelgläsern. Es schien vorbei zu sein, die Ruhe war ja wieder da. Und vielleicht kämen auch die Radfahrer bald zurück. Mir kommt ein Auto entgegen. Der Fahrer trägt weiße Handschuhe, ich kann sehen, wie sie sich über den Knöcheln am Lenkrad spannen, als hielte er das Lenkrad sehr fest. Er trägt einen ebenfalls weißen Mundschutz, der seine Ohren ein wenig abstehen lässt. Und sein Gesicht verbirgt. Ich kann seine Augen sehen und wundere mich über die Fähigkeit, zu wissen, wann einen jemand ansieht. Taxiert. Dann, als könnte ich meine Sinne nur noch sequentiell erfassen, höre ich den Motor heulen. Den Schotter spritzen. Die Räder ziehen den Wagen aus dem Bankett, hin zur Straßenmitte. Das Kraftdreieck am Reifenlatsch meine ich sehen zu können. Der Wagen hält auf mich zu, während ich ins Bankett lenke. Der Motor heult. Was sich bog, bricht. Es gibt kein richtiges Leben im Falschen, denke ich. Es gewinnt das Prinzip der Effektivität. Das höhere Ergebnis. Denn der Einsatz, der kümmert niemanden, der Gewinn rechtfertigt ihn im Nachhinein immer. Wer Schutz meint, muß ein großes Auto fahren, ein hohes, ein starkes, und er muß Handschuhe tragen und Mundschutz heutzutage. Schnell muß er fahren, um dahin zu kommen, wo er sein muß. Sein Ziel, seine Effektivität. Ich umkurve einen Leitpfosten. Da muß man Opfer bringen, zuckt die Effektivität die Achseln und meint dabei die Opfer der anderen. Man hat ja Ziele, die man erreichen muß.
# |  3 RauchzeichenGas geben