Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Montag, 16. 01 17

16.01.17, 09:27 | 'Zerdrueckt'
In Deiner Küche ein Blatt Papier, von Hand mit feiner Schrift beschrieben und an einen der Schränke geklebt, mit dem Gebet eines Menschen, der aus einem Weltkrieg kaum mehr als das eigene Leben retten konnte.
# |  Rauchfrei | Gas geben

Freitag, 13. 01 17

13.01.17, 08:38 | 'Zerdrueckt'
Daß mein Senior mir diese Woche schon die Hand auf die Schulter legte, so kurz, daß man es für ein beiläufiges Schulterklopfen halten könnte, während ich am Sterbebett meiner Oma, seiner Mutter, mit den Tränen rang, mit dem ganzen Rest an Gewalt, die mein gequälter Geist meinem störrischen Körper noch antun kann, mich starr und aufrecht hielt, um eben Haltung zu bewahren, daß er selbst sich die Gewalt antun kann, im Moment seiner Trauer mir noch Trost spenden zu können, und daß ich deshalb oder trotzdem noch Ingrimm genug besaß, um es stumm bis auf meine Bettkante zu schaffen, das mag für diese Tage, diese Wochen vielleicht genügen, in denen es mir so scheint, als könne ich nie wieder einen Schritt gehen, aber auch niemals aufhören, zu greifen und zu kriechen.
# |  1 RauchzeichenGas geben

Dienstag, 3. 01 17

03.01.17, 21:31
Wie klein Du gewesen bist, in Deinem Anzug auf dem Bett liegend, als wir eingetreten sind, nach Bier und Rauch und Tränen riechend, und wie die Lampe auf dem Nachttisch automatisch angegangen ist, wie wir Deine Hand gehalten haben, wie wir uns von Dir verabschiedet haben.
Die Eingebung irgendwann - Du hast mich zum Bauern gemacht. Hast mir das Mähen mit der Sense beigebracht. Das Wetzen und Dengeln. Melken und Schlepperfahren. Das Säen mit der Hand. Und hundert, tausend andere Dinge - vor allen anderen: Haltung. Du hast mich zum Bauern gemacht.

Hab es gut, Opa Anton.
'S ist Feierabend.
* am 8. April 1922, † am 11.November 2016, 16:55 Uhr
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03.01.17, 18:46 | 'Das Auge des Betrachters'
Zugenommen oder abgenommen?
Ab und zu. Ich sitze zuviel auf Stühlen und zu wenig auf Sätteln.

Haare länger oder kürzer?
Auch dieser Mob war zwischendurch kurz eine Frisur.

Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
Dank neuer Brille bin ich mir überhaupt nicht mehr sicher.

Mehr ausgegeben oder weniger?
Alles und einiges, das ich gar nicht besaß.

Der hirnrissigste Plan?
Das Ding schreib' ich im Sommer? Da kann man schon mal kaufen? Sportwagenjobs sind mir zu schnell? Wird schon wieder werden? Am Bodensee ist man doch gleich? Alle irre hier, und ich scheine unbedingt vorn mit dabei sein zu wollen.

Mehr bewegt oder weniger?
Mehr, mehr, mehr - und jetzt nur noch die Fingerspitzen.

Die gefährlichste Unternehmung?
Kaufen und dann nach dem Geld schauen.

Der beste Sex?
Bank.

Die teuerste Anschaffung?
Knapp hundert Quadratmeter.

Das leckerste Essen?
Salade Niçoise.

Das beeindruckendste Buch?
Das Schreiben meines eigenen.

Der ergreifendste Film?
Colonia Dignidad.

Die beste CD?
Cäthe, wegen "Tiger Lilly." Keimzeit, wegen "So."

Das schönste Konzert?
Keimzeit, Tivoli Freiberg, ohne eine Mark in der Tasche, Bier aus Freundeshand, Dein Atem an meinem Hals.

Die meiste Zeit verbracht mit...?
Der Dissertation.

Die schönste Zeit verbracht mit...?
Doktoren und Traktoren.

Vorherrschendes Gefühl 2016?
Ach nee, doch nicht.

2016 zum ersten Mal getan?
Arbeits- und kuhlos gewesen.

2016 nach langer Zeit wieder getan?
Tisch und Bett geteilt.

3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Das Sterben von Weitem, von Nahem und sich langsam entfernend.

Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Dich von mir.

Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Ein Puzzle.

Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Verständnis und festen Stand.

Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
Alles wird gut.

Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
Alles wird gut.

2016 war mit einem Wort...?
Staubig.

Listen gibt es hier und da und dort. 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008.
# |  Rauchfrei | Gas geben


03.01.17, 18:27 | 'Warten aufs Christkind'
Auf dem Heimweg durch den frischen Schnee, der sich auf den Gummikappen der Arbeitsschuhe zu spitzen Häubchen ballt und die Furchen der Arbeit im Leder verschließt, die Hände in den Taschen, ein Finger spielt gedankenverloren an dem Loch in der Jacke, rundum verschmort und verbrannt, die Mütze hält die wilden Haare im Zaum, die gute Mütze, denke ich noch, aber die schlechte finde ich nicht mehr, ich werde wohl eine neue gute brauchen. Oder vielleicht waschen, spare ich in Gedanken, und um mich her flattert das Licht der Straßenlaternen im Schneefall, und still ist es hier. Ich komme vom Bau, habe schon ein Bier getrunken mit dem Vetter, dem Bauherrn. Neulich erst haben wir das Dach gedeckt, mit einem halben Dutzend Männer, von denen ich sogar die Eltern kenne, die Autonummern, die Freundinnen kann ich aufsagen, wie man sich eben so kennt, ein halbes Durchschnittsleben lang. Ich bin angenehm müde und angenehm ungespannt, man könnte mich zusammenfalten und in eine Kiste packen. Hinter einem Garagentor ein Licht. Ich klopfe, ein kleiner Bub scheut, ein großer freut sich. Es ist ein großes, ruhiges Lächeln zwischen uns, und dann stehen wir draußen, ein kleiner Motor knattert durch den Schnee mit dem neuen Schild, der kleine Bub und ich räumen die Ecken frei. Alleine, alleine, sagt er, und ich halte die große Schaufel nur ganz leicht, während die Mutter den Straßenrand beobachtet, denn im Spiel ist uns beiden zuzutrauen, daß wir dann doch noch in ein Auto laufen. Wir trinken Bier und stoßen an, und ich fühle die Geborgenheit dieses Dorfes, dieser Heimat, dieses Lebens, und solange ich bei Freunden in der Garage stehen kann, mit kalten Händen und Flaschenbier, denke ich dann. Auf dem Heimweg ein Haus, in dessen Mitte das Licht fehlt. Doch der Schmerz lässt nach wie alles nachlässt, und ich winke nach oben und frage leise, ob Du das gesehen hast und ob Du stolz auf mich bist, und dann wird mir klar, daß ich das gar nicht fragen muß. Die Zehen bleiben kalt, das Herz wird warm, eine Träne zittert sich die Wange hinab, bis ein Schniefen sie ein winziges Loch in den Schnee schmelzen lässt.
# |  Rauchfrei | Gas geben