Dieseldunst
Geschichten von Pferd und Pferdestärken.

08.09.25, 17:40
Im Wahlprogramm, mit dem sie einst antrat, war noch von "weniger Autos in der Stadt" und einer neuen "Mobilität mit der Bahn, dem Rad, zu Fuß oder mit emissionsfreien Autos" die Rede. Und "den To-go-Mehrwegbecher machen wir bis 2025 zum Standard", schrieb man dort. Heute fährt man in der Großstadt lieber klassisch mit dem Taxi und holt sich morgens den Kaffee im Einwegbecher, lässt sich dabei filmen und feiert sich dabei. Moderne Zeiten, wohin man blickt.

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Im Radio ein Bericht über das Problem der Feuchttücher im Abwasser, die sich durch den Kunststoffanteil nicht schnell genug zersetzen und stattdessen Rohre, Pumpen und Kläranlagen verstopfen. Mehr als einhunderttausend Tonnen davon werden jährlich in diesem Land verkauft, und aus Wickelgründen bin ich derzeit Intensivtäter, was den Kauf von Feuchttüchern anbelangt. Doch in der Toilette ist davon noch keines gelandet. Sogar von einem nötigen Verbot ist im Beitrag die Rede, und man scheint uns nicht mehr zumuten zu können, uns einfach und mit Verlaub den Arsch trocken abzuwischen oder das Feuchttuch in den Müll zu werfen. Einst hat man uns für die Mülltrennung ausgelacht, doch moderne Zeiten, wohin man blickt.

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"Geh doch mal arbeiten!" fordert eine Organisation in Großbuchstaben, und untertitelt mit "Schluss mit faul Rumliegen und von der Arbeit anderer leben". Nun kann man über Rechtschreibung auf Plakaten trefflich diskutieren, doch viel spannender ist die Frage, welche Hintergrundfarbe die Wahlplakate mit diesen Sprüchen wohl erwarten lassen. Tatsächlich ist die Kachel eher lila als blau, und gemeint sind Menschen, wie man hinterm Sternchen ausführt, die nicht arbeiten müssen. Doch auch dort wird nochmal differenziert, denn gemeint sind von denen, die nicht arbeiten müssen, nur die, die von "Vermögen und Kapitalerträgen" leben, also davon, und auch das steht auf dem Plakat zu lesen, "von anderen Menschen, die arbeiten". Das ist ein bißchen seltsam, wo Vermögen und Kapitalerträge durchaus aus eigener Arbeit stammen können, während für andere Formen des arbeitslosen Lebens jede Forderung, arbeiten zu müssen, mit Zeter und Mordio abgelehnt wird. Moderne Zeiten, wohin man blickt.

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Daß der Staat daran verdiene, wenn Menschen Nahrung brauchen, kritisiert ein Ökonom in Staatsdiensten in einem Zeitungsbeitrag. Gemeint ist damit aber nicht die Produktion von Nahrungsmitteln, sondern der Konsum. Die Herstellung soll, wir erinnern uns an den Agrardiesel, doch lieber hoch besteuert werden, und der Konsum verbilligt. Moderne Zeiten, wohin man blickt.

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Auch ein anderer Ökonom fordert eine Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel im Gespräch mit einem Journalisten. Dies würden den Empfängern staatlicher Leistungen eine höhere Kaufkraft bringen, und der Wirtschaft einen Schub, so die Argumentation. Nun sind laut Warenkorb die Ausgaben für Lebensmittel bei den Betroffenen schon sehr gering, und wenn Alkoholika und Tabakwaren von der gewünschten Steuersenkung ausgenommen werden - was allerdings nicht besprochen wurde-, dann bleibt an zusätzlicher Kaufkraft vermutlich nicht viel übrig. Ob das reichen mag, um in Zeiten, in denen die Bestellsoftware für chinesischen Einwegkram die meist heruntergeladene ist, um der inländischen Rezession die Stirn zu bieten, werden wohl erst die nachmodernen Zeiten zeigen.

Rauchzeichen




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