Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

05.08.25, 14:12
Termin zur U3. Natürlich müssen wir knapp zwanzig Kilometer fahren bis zu einer Kinderärztin, aber das Riesenglück einer Riesenverwandtschaft beschert mir einen Zettel mit einer Telefonnummer.

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Überhaupt sind alle, die sich beruflich um Kinder kümmern, sehr fürsorglich, zugewandt und frohen Mutes. Und mir bleibt die Frage, ob man so wird mit diesem Beruf, oder ob man so sein muß für diesen Beruf?

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Ein langer Marsch mit dem Plastikkorb, der fürs Auto vorgesehen ist, und mir fällt fast der Arm ab dabei. Im Radio übrigens die neueste Erhebung einer Krankenversicherung mit steigenden Zeiten des reinen Sitzens bei Erwachsenen und der überwältigend niedrigen Zahl von zwei Prozent der Menschen, die hierzulande gesund leben. Krafttraining wurde empfohlen, und da stehe ich nun mit meinem Crosstrainer. Doch im Keller ruht noch das Rudergerät, und wenn erst die Fliesen im Bad sind, trage ich auch das wieder nach oben.

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Ein richtiger Tisch, eine kleine Arbeitsplatte nur, oder sogar etwas zum Hochklappen? Ich mache mir mehr Gedanken um die kleine Wohnung, als ich Zeit dort verbringe. Und ich fürchte bereits den Tag, an dem die Renovierung abgeschlossen sein wird. Vielleicht kaufe ich nochmal etwas Baufälliges, wo ich doch jetzt so gut dabei bin. Oder es ist so, wie mir ein Freund am Wochenende sagte, daß es schade sei, mit irgendwas fertig zu sein, weil man es erst dann richtig könne. Etwas können, in einer Arbeit daheim sein. Wir sind vielleicht etwas anders als andere Menschen, denke ich, und schaue den Freund von der Seite an, den Allkunn, von dem keiner mehr weder sagen kann, was er denn eigentlich gelernt hat, noch was er nicht kann.

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Als ich in der Nacht Deiner Geburt nach Hause kam, trank ich ein Bier und nippte an einem zweiten. Ich lese das gern als mein letztes, auch wenn ich zwei Tage danach noch eins vorgesetzt bekam. Seitdem möchte ich jede Minute wach verbringen, um mein Glück zu verkosten. Vielleicht ändert sich alles wieder, vielleicht werde ich einst wieder normal, auch wenn mir das ein Zustand ist, der unbekannt und wenig erstrebenswert erscheint. Gut ein Monat alkoholfrei nun, und immer noch keine Wunderkräfte.

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Um zu den zwei Prozent der Gesunden zu gehören, müsste ich vielleicht weniger Staub einatmen. Zwar trage ich auf dem Bau die Maske, setze sie jedoch stets zu spät auf, und die Spuren auf dem Nasenrücken und aus dem Naseninneren lassen durchaus erwarten, daß meine Trageweise nicht staubdicht ist. Ich gieße den Estrich und schwabble ihn mit der Wasserwaage ab. Das funktioniert für die kleinen Flächen ganz gut, auch wenn mir der Anschluss an die Altbestände schwer fällt. Dann Aufräumen, ein Abschluss mit diesem Arbeitsteil. Den Rest macht der Maler, sagt der Gipser, auch wenn dieser in meinem Fall Fliesenleger ist. Ich bin sehr gespannt, denn mit den modernen, großen Fliesen ist mir das ein neues Gewerk. Und mir fällt spontan ein fünfundzwanzig Jahre altes Bad ein, das beim nächsten Mieterwechsel unter den Hammer kommen könnte. Es ist eben doch nicht aller Baustellen Abend.

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Mit dem Tragekorb in der Hand laufe ich ungelenk, weil ich das schwere Ding von mir abzuhalten versuche, ohne allzu sehr zu schaukeln. Dann trage ich ihn wieder ein Stück vor der Brust, komme mir aber wie ein Helikoptervater vor. Auf dem breiten Gehsteig eine Menschentraube. Alle sprechen sie in ihre Telefone, ohne daß ich ein Wort verstehen könnte. Sie rauchen, haben Flaschen und Dosen dabei, aus denen sie Zuckerwasser trinken. Da niemand Anstalten macht, uns durchzulassen, weichen wir auf die Straße aus. Ein Ausflug vielleicht, denke ich, doch finde ich weder ein akustisches noch ein optisches Element, das sie als Gruppe verbinden könnte. Als ich einige Meter weiter zurück auf den Gehsteig trete, sehe ich mich kurz um. An der Wand, hoch über der Menschentraube, das Schild des Tafelladens, der wohl bald öffnen wird. Das ist also die Armut in diesem Land, denke ich. Und damit noch eines der Themen, zu denen ich keine Meinung entwickeln kann, mich aus der Ambivalenz nicht herauswinden. Mit dem Kind im Korb spüre ich umso mehr, was ich alles tun würde für seine Mahlzeiten. In ein besseres Land zu laufen gehört ganz sicher dazu, anderes ganz sicher nicht.

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Ich glaube, der Begriff des Händeringens wurde von jemandem erfunden, der einen ungestüm hungrigen Säugling in seinem Zorn beobachtet hat.

Rauchzeichen




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