Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

15.07.24, 13:16
Ich versuche. Auf allen Ebenen, in allen Bereichen, und immer scheint es beim Versuch zu bleiben.

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Ich muss in den Logs der bösen Konzerne nachschauen, wo ich letzte Woche gewesen bin, um in meinem Gedächtnis danach kramen zu können, was ich denn dort getan haben könnte.

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Die Woche begann mit einer Prüfung. Der schönere Teil dieses Tages war allerdings die Beschäftigung mit einzuputzenden Dosen für das neue Schlafzimmer, für den elektrischen Rolladenantrieb und das Bett, das einst an einer dieser rohen Wände stehen soll. Dabei fand ich eine schöne Lösung für gerade Dosen und saubere Hände: Ich drehe zwei lange Schrauben in die Dosen, fädle die Kabel ein und schmiere Putz überall hin, wo er gerade haften will. An den beiden Schrauben setze ich die Dose in die Wand und lege dann meine kurze Wasserwaage aus einer Zeit, als Baugeschäfte noch Weihnachtsgeschenke verteilten, auf die Schrauben. Die Dose sitzt, und fast ist es ein wenig schade, dass es nur so wenige sind. Weniger schade ist es um die staubige Arbeit, die Schlitze in den Putz zu schneiden. Doch zum Glück ist der Putz überall dick genug, dass ich nur wenig Mauerwerk schneiden muss. Der rote Staub ist noch böser, und das Mauerwerk soll ja tragen, nicht zu Staub zersägt werden. Es folgt eine lange, müde Heimfahrt.

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Dann die Saat. Ich habe das alles noch bei mir, das mehrmalige Abdrehen und Wiegen, das Einstellen der Maschine, auch wenn ich es nur mehr selten brauche. Umso schöner diese Tage, auch wenn ich in der heißglühenden Kabine zu schmelzen befürchte. Am Abend ein Bier, ein Grill, und wie schön diese seltenen Sommerabende auf der Alb sind!

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Prüfungskorrektur. Es wird noch Tage dauern, bis ich mich von den niederschmetternden Ergebnissen erholen kann. Es wird mich noch sehr wütend machen und sehr traurig, und es wird mir jede Menge an zusätzlicher Arbeit einbrocken, aber das weiß ich noch nicht, als ich mich mit dem Rotstift bewaffne. Immerhin abends darf ich eines meiner liebsten Lernfelder beackern und Knoten üben. Knoten mag ich.

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Auch am Tag darauf habe ich noch den gleichen Beruf und die gleiche Arbeit, nur der Frust wird schwerer. Millimeter und Meter und meine Güte. Das zumindest kann nicht an mir liegen, doch es hilft ja nichts, und voll Wut lege ich kleine Zugangsprüfungen für alle Abschnitte im Online-Teil des Kurses an. Ihr werdet bei mir Einheiten lernen, fluche ich und weiß doch, dass sie auch hier Umwege und Vermeidungen finden werden. Ich würde zu gern diese Lust aufs Lernen übertragen, doch fehlt mir jede Idee.

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Am Abend verbiege ich mich, schwitze auf der Isomatte, die mir fürs Yoga gut genug ist, und sitze dann bei einem Freund auf dem Balkon, schaue auf unseren Hausberg und in die Sterne, radle dann im beginnenden Regen nach Hause.

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Noch ein Korrekturtag, und diesmal verbringe ich einige Stunden davon auf der Terrasse und sage mir, dass ich die angenehmen Seiten des Berufs nur nutzen muss. Bloss nicht auf die Klausuren schwitzen, damit niemand denkt, ich hätte geweint.

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Tour de Ländle, und ich bin immer wieder erstaunt, zu welchen Umwegen einen die üblichen Hindernisse wie Baustellen und Sportereignisse zwingen, wenn das eigene Fahrzeug nur ein ganz klein wenig von der Norm abweicht. Mittlerweile kenne ich Dörfer, die ich mit zugelassenen Fahrzeugen auf legalen Wegen nicht mehr verlassen könnte, weil stets eine Sperrung - entweder auf eine Gesamtmasse, auf eine Achslast oder auf eine Mindestgeschwindigkeit mich dazu zwingt. So führen also Einschränkungen ab einem gewissen Grad an Kompliziertheit zur Ignoranz. Das rieche ich auch auf Veranstaltungen, wo der Grasgeruch mittlerweile wirklich überall zu finden ist. Leider rieche ich Gras nur gern, wenn es frisch gemäht ist.

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Langes Fahren mit dem Rasenmäher, und durch den kleinen Korb nur halb so meditativ wie mit dem Balkenmäher. Leider ist der für Sport- und Spielplätze dann doch nicht tauglich, und so machen wir aus hohem Gras wieder einen dünnen Pelz, damit gespielt und gesportelt werden kann. Welchen Aufwand man im Land dafür treibt, dafür muss man wohl einmal einen Sportplatz gemäht haben.

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Es ist die Zeit zurück, in der Menschen von ihren dauernden Anklagen Auszeiten nehmen. Man erkennt das daran, dass sie nicht mehr über die Autos schimpfen, die irgendjemanden frecherweise zu seiner Arbeit transportieren, sondern um Mitleid für ihr schlechtes Gewissen ob ihres diesmal ganz sicher wirklich allerletzten Urlaubsfluges betteln. Es ist ganz wenig Selbsterkenntnis in dieser Zeit. Wieder andere reden sich die aufgezwungenen Pausen schön, und ich denke dran, wie ich meine Landesdurchquerung mit einem Kanister im Kofferraum vollführt habe, um auf den achthundert Kilometern eben nicht mehr als nötig pausieren zu müssen.

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Schließlich enden meine Urlaubsbetrachtungen mit der Lektüre eines Artikels in einer Tageszeitung, der sich mit den Folgen der Migration beschäftigt. Diese, so führt die Zeitung aus, führe zur Verteuerung und Verknappung, weil Infrastruktur nicht beliebig skaliert und Märkte auf Nachfrage reagieren. So einfach, so klar, doch geht es hier um eine leicht zu regulierende Zuwanderung von kurzer Dauer, deren Träger ihren Aufenthalt selbst finanzieren. Es geht um Urlauber, und es scheint wirklich, als kämen die Journalisten vor lauter Furor nicht mehr zum eigenen Denken. Vielleicht auch mangels Masse, wer weiß das schon. Und natürlich trifft uns das alle in diesen Zeiten derer, die wenig zum Verteilen und dafür viel zu verlieren bieten. Brandmauern, Kontaktschande, sie haben sich ihre Todfeindschaften selbst geschaffen und feiern sie genüsslich. Nur nicht, so sage ich mir, zwischen deren Fronten geraten, an denen sie ihr ganz eigenes Kanonenfutter verheizen mit Wut und Aufregung und sinnlosen Gerichtsverfahren, die feststellen sollen, wen man nun nicht dick und wen man einen Faschisten nennen dürfe. Man scheint nichts zu tun zu haben in diesen Kreisen, und ich wünsche mir nur, dass ihre Abgrenzung auch dergestalt fungieren müsse, dass auch ich von ihren Ideen weniger behelligt werde. Doch ach, es türmen sich die Stapel, wo gemeinsame Kabelanschlüsse entfallen und die Kosten für alle steigen, wo Abgassteuern nach irgendwelchen Schlüsseln zwischen Kostenträgern geteilt werden müssen, wo zur dritten nun noch eine vierte Tonne kommen soll, die keinen Platz mehr findet, wo allenthalben das Papier den Verstand ersetzen soll.

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So verkrieche ich mich in die Beschäftigung mit Trägheitsmomenten und Sensoren und esse am See mein Eis, obwohl die Sonne gar nicht scheinen mag.

Rauchzeichen




herrrau   |   18.07.2024, 18:59   |  
>Ich würde zu gern diese Lust aufs Lernen übertragen, doch fehlt mir jede Idee.

Ich sehe auch hier, dass manche sie haben, andere nicht. Mein Glaube daran, wie viel davon sich übertragen lässt, schwankt. Manche haben auch Lust und sind einfach nur in einer Phase, aber das gilt vielleicht eher für meine.
Mitrauchen
 


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