... Vorwärts fahren
09.10.24, 21:36
Um mich für die anstehende Spätschicht zu rüsten und meinen fliehenden Geist zu beruhigen, sitze ich draußen auf einer Bank und esse von dem Joghurt, den ich vor einigen Monaten hier entdeckt habe, den es nur hier gibt, und den ich liebe, wie ein Kerl nur Zuckerzeugs lieben kann. Und wie ich so sitze und löffle und in die Sonne blinzle, die sich ganz langsam an einem großen, herabhängenden Ast vorbeischiebt, mit ausgestreckten, übergeschlagenen Beinen, und träge genug, dass ich selbst das Scharren mit den Hacken im feinen Kies aufgegeben habe, da springt mir ein Oachkatzl quasi quer über die Beine. Es sitzt dann da und untersucht eine Kastanie, und dann springt es mit einem Mal zurück und verschwindet im Geäst. Ich schaue aufs Telefon, wo ich von einem kleinen Aktiengewinn benachrichtigt werde, und in diesen Minuten des Nichtstuns und des Reicherwerdens bin ich mir meines Wohlstandes für einen Moment sehr bewusst. Aller Sorgen ledig, denke ich, und auch daran, wie ich überhaupt auf den Gedanken kam, Aktionär zu werden. Es gab bei meinem damaligen Arbeitgeber eine Aktion, nach langem Streit mit dem Betriebsrat durchgesetzt, durch die beschenkt werden sollte, wer ein Jahr lang nicht krank gewesen war. Und zwar mit einer Uhr oder einer Aktie. Ich habe keine Uhr getragen, seit ich mir das aussuchen konnte, und was täte ich mit einer Uhr? Etwa die Zeit ablesen? Stattdessen wählte ich die Aktie, und ich erinnere mich noch heute, wie erstaunt ich war, um ein Depot gefragt zu werden. Ich hatte ein Bankkonto, und für alles andere hatte ich einen überquellenden Ordner im Regal. Und davor ein Häufchen Papiere, aber lassen wir meinen mangelnden Verwaltungseifer für einmal beiseite. Ich hatte kein Depot, ich brauchte aber eines, und dieses Problem teilte ich wohl mit vielen anderen Angestellten, denn das Depot gab es umsonst zum Aktiengeschenk. Ich war nun also Aktionär, auch wenn ich diese Aktie in Gedanken schon gerahmt auf dem Klo hängen hatte, was ich nach wie vor sehr hübsch fände. Da ich im Folgejahr einen ganzen Tag an diesem Örtchen verbringen musste, war ich einen Tag nicht bei der Arbeit und verpasste so meine Chance auf eine zweite Aktie. Und im nächsten Jahr wurde die Aktion nicht fortgeführt. Ein Jammer. Doch nur kurze Zeit später bekam ich einen Anruf, mit dem man mich als Kunden meines Telefontarifes halten wollte, nur ohne Telefon und mit einem ganz anderen Tarif. Ich verneinte, und wenige Wochen später hatte ich zwar noch mein Telefon, aber keinen Anschluss mehr dazu. Und so begab ich mich also in die Niederungen der Vergleichsportale, wählte hier ab und klickte dort weg, und was man nicht alles gar nicht braucht! Ich landete also wenig überraschend bei einem Minimaltarif, und wenn ich damals noch auf meine wenigen kostenlosen Kurznachrichten hätte verzichten können, ich hätte selbst diese abgewählt. Und ein gutes Jahrzehnt später schreibt kein Mensch mehr solche Nachrichten, und ich darf mich darin bestätigt fühlen. Wie auch immer, ich landete überraschend bei einem Anbieter, den ich stets als teuer wahrgenommen hatte, und den ich mit einem Trick selbst noch um die Kosten für diesen Minimaltarif bringen wollte. Ich rechnete also aus, was mich das Telefonieren in einem Jahr kosten würde, schlug die Dividende des Vorjahres nach, und kaufte entsprechend Aktien. Ich freute mich dann lange, wenn ich jemanden anrief, dass mich dieser Anruf in Summe mit meiner Dividende gar nichts kosten würde. Aber reden muss man ja dann trotzdem, wenn man jemanden anruft. Irgendwas ist also immer, und dann wurde erst der Minimaltarif eingestellt, und irgendwann kostete ein einzelner Anruf sowieso nichts mehr. Die Zeit der Flatrate war gekommen, meine Aktien zahlen heute eben diese Gebühr, und so kann ich mich an meinem Wohlstand freuen, besonders, wenn ich dafür niemanden mehr anrufen muss.
08.10.24, 20:41
Ich weiß gar nicht genau, ob die Abende, an denen ich im Büro Simon & Garfunkel höre, zu den ganz guten oder den ganz bösen gehören.
07.10.24, 10:58
Ich weiß noch nicht genau, was ich mit der Information anfangen soll, die dahintersteckt, wenn ich für einen kleinstmöglichen Gefallen eine Flasche Bier zugesteckt bekomme. Zuerst steht sie im Getränkehalter des Autos, damit sie nicht hin und her rollen und womöglich Sauerei und Scherben anrichten kann. Dann steht sie auf dem Tisch, weil sie bei Nachtfrost in den nächsten Tagen keine Sauerei im Auto anrichten soll. Beim Putzen stoße ich an den Tisch, die Flasche gerät gefährlich ins Wanken. Während meines kargen Mahls aus wunderbarem Gemüse und trockenem Brot schaue ich ab und an von meinem Buch auf und stoße mich mit Blicken an der Flasche. Ich esse auf, räume ab, setze mich wieder. Öffne sie irgendwann mit dem Meterstab, der wie bereit auf dem Tisch liegt. Es dauert dann ewig, bis ich sie ausgetrunken habe, und vor lauter Müdigkeit lese ich schon nicht mehr, schaue nur noch durch das eben geputzte Fenster in die Nacht hinaus. Und ich denke lang darüber nach, wie jemand sein muss, damit man ihm für eine kleine Gefälligkeit eine Flasche Bier mitgibt.
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