Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Dienstag, 18. 06 24

18.06.24, 08:06
Als ich ins Auto steige, höre ich durch das geöffnete Küchenfester im Nachbarhaus einen Mann mühselig erklären, warum wir alle unter der Woche aufstehen und irgendwo hin müssen. Er erklärt das gar nicht schlecht, nicke ich ihm aufmunternd zu, und doch fehlt seiner Stimme dieser Unterton dessen, der glaubt, was er da erklärt.

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An der Ampel radelt langsam eine junge Frau an mir vorbei. Sie sitzt auf einem Damenrad und trägt einen grünen, langen Rock, dessen Rockzipfel sie in den Händen am Lenker hält. Obwohl sie langsam fährt, flattert der Rock lustig im Fahrtwind, und man kann ihre langen Beine sehen, gebräunt und schlank, und bei jedem Tritt heben sich darauf die Muskeln ab. Wo sie hinfahren mag, überlege ich kurz; ob zur Arbeit oder nach Hause oder doch nur den ganzen Tag kreuz und quer durch die Stadt, um den Männern die Köpfe zu verdrehen.

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Auf dem Gehweg ein Mädchen mit Schulranzen, sie lacht breit und übers ganze Gesicht. Sie hinkt und läuft zügig, und dadurch schaukeln ihre langen Haare im Takt ihrer Gehbehinderung, und ihre Arme wippen zum Ausgleich, oder vielleicht winkt sie mir auch, und in jedem Fall winke ich demütig zurück.

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An einer Einmündung steht ein Mann, das Rad zwischen den Beinen, und hält ein Kind an der Schulter, das auf dem eigenen kleinen Rad einfach sitzenbleibt. Das Kind tritt vor und zurück und wirkt wie ein Rennfahrer beim Start, und es schaut hoch zum Vater, und der schaut nach unten, und er scheint zu erklären, warum all die anderen in den großen Autos sitzen, die auch kaum schneller vorankommen, die ganz erkennbar keine Freude an diesem Morgen haben, und das Kind schüttelt den Kopf vor Freude und Trittkraft und Vorwärtswollen, dass ich am liebsten anhalten möchte und das Fenster öffnen und erklären, wie ich gestern nacht um elf zum Auto getorkelt bin, wie ich mich selbst kaum mehr kannte vor lauter Arbeit im Kopf, wie ich Rucksack und Tasche zu brauchen glaubte, und wie ich deshalb schändlich das Rad stehenließ und an diesem frischgewaschenen Morgen wieder in dieser Blechkiste sitzen muss.
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Montag, 17. 06 24

17.06.24, 21:31
Wie schön, denke ich heute, Deinen gestrigen Geburtstag noch im Kalender stehen zu haben. Neunzehnhundertfünfunddreißig bist Du geboren worden, in ein damals schon altes Bauernhaus hinein, und ich erinnere Dich in dieser riesigen Bauernküche mit dem Holzofen, für den ich körbeweise Brennholz aus dem Schuppen geholt habe. Ich erinnere Dich mit Hefezopf und Blechkuchen, immer Apfel und Zwetschge, mit Kartoffelsalat und Spätzle. Ich erinnere Dich mit strammen, immer leicht schwankendem Schritten, mit dem alten Dieselauto, mit einem Lachen und dem ganzen Stolz der Großmutter. Ich kam aus einer anderen Zeit, mit dem Fahrrad und auf Rollschuhen, und wenn ich die letzten Meter auf dem Weg zum Hof gefahren kam, dann hast Du mich stets begrüßt. Ich ging irgendwann in eine andere Zeit und kam nicht mehr, und dann ging die Zeit, und darin sollte mir eine Lehre sein. Hab Dank, daß ich Dich Tante nennen durfte, wie meine Mutter es auch tat. Hab Dank für die Wärme in der Küche, zu der das Holz nur einen Teil beitragen konnte. Hab Dank für das gemeinsame Melken, für die alten, viel zu oft ausgewaschenen Lumpen, für die Güte an Mensch und Tieren. Ich hoffe, ich habe auch von Dir gelernt.
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17.06.24, 21:29
Ich habe ja neulich einen WRINT-Podcast gehört, weil mein Radio auf einen Tippfehler meinerseits hin diesen vorgeschlagen hatte. Und dort erklärte man die Alterspyramide, die ja von der Pyramidenform mittlerweile weit entfernt ist. Und man erklärte auch, warum es mehr Frauen als Männer gibt, weil nämlich mehr Männer zur Welt kämen, und weil das bei Säugetieren halt so wäre. Davon ist nun alles hinter dem Weil nicht richtig, aber das ist ja oft so, sobald man sich von den reinen Zahlen wegbewegt. Aber ich verstehe ja wenig von Demographie, und noch weniger von Männern und Frauen, und so hörte ich weiter, daß dieses Missverhältnis auch mit der fortwährenden Unterdrückung der Frauen zusammenhinge, denn diese stellten ja die Hälfte der Bevölkerung. Hier stimmen dann nicht mal mehr die Zahlen, möchte ich feststellen, und bin doch als großer Anhänger der vereinfachenden Kontinuitätsprinzipien sofort bereit, mir vorzustellen, daß eine Masse, die durch Druck von oben verkürzt wird, sich in der Breite ausdehnen muss. Sofern ihre Dichte konstant bleibt, natürlich, doch für handelsübliche Flüssigkeiten, aus denen meines Wissens auch die Damen bestehen, mag diese Vereinfachung ebenso angehen wie für handelsübliche Drücke, Verzeihung, Unterdrückungen natürlich. An dieser Stelle verließ ich die Sendung und bleibe bei meiner Befürchtung, daß ein Podcastmikrofon nicht alles Gesagte wertvoll macht, und daß nicht alles eine Verbindung hat, was einem halt gerade gleichzeitig einfällt.
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17.06.24, 13:13
Ich habe ja keine gefestigte politische Meinung im Sinne einer Parteienpräferenz. Sehr wohl habe ich eine allgemeine Abneigung gegenüber dem, was ich für dumm oder unsinnig halte. Und nicht zuletzt habe ich gelernt, dass ich allzu oft unrecht habe bei meinen Analysen und Prognosen, denn bei der politischen Analyse fehlt mir oft das tiefe Wissen, und bei den Prognosen ist doch zu oft ein großer Schritt abgekürzt, wenn der Wunsch der Vater des Gedankens wird. Wenn ich mich so umsehe, teile ich diese geringe Kompetenz jedoch mit allzu vielen. Und so schweige ich oft und immer öfter und bin doch nicht sicher, ob das hilfreich ist. Denn auch hier scheine ich nicht allein zu sein, denn als Phantomschmerzen nehme ich auch manche verstummte Stimme noch wahr. So bleibt mir ein diffuses Gefühl übrig, nach dem die lauten Stimmen nicht unbedingt die klugen Gedanken aussprechen.
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Freitag, 14. 06 24

14.06.24, 13:12
Die Grundgebühr meines Stromanbieters ist trotz aller Vergleiche in den letzten Jahren so weit gestiegen, daß ich nun ohne jeden Verbrauch den Preis von vor drei Jahren bezahle. Die Balkonkraftwerke, die PV-Anlagen und die Hausspeicher haben schlicht die Gebühren verändert, und die Gesamtkosten kaum.

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Drei Stunden Brandschutzerziehung mit dem Kindergarten. Ein paar wichtige Punkte, und ich trage die volle Montur spazieren. Und am Ende löschen wir ein kleines Feuer im Hof und fahren die Bande mit dem Feuerwehrauto zurück. Es ist ein Dorf, und wir tun, was wir können.

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Meine liebsten Yoga-Übungen, solange ich sie mir noch merken kann: Die Heuschrecke, einer der vielen Krieger und der Runner's stretch. Auch das im Dorf, in einem Nebenraum mit staubigem Boden und begleitet vom Gesang des Liederkranzes: Ich war noch niemals in New York, singen sie, und für meinen Teil darf das auch gern so bleiben.

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Am Stammtisch wird geraucht seit eh und je. Wir sitzen, und vielleicht reden wir einfach nur etwas leiser mit den Jahren.

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Spät in der Nacht radle ich nach Hause, zwischen den Dörfern über die Feldwege, in kurzen Hosen fröstelnd, spüre mich bis zu den Härchen auf den Schienbeinen. Es ist Sommer, und es naht die Freiheit.
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14.06.24, 08:21
An der Wehrpflicht sollt ihr die Gleichberechtigung erkennen.
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