Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Mittwoch, 30. 08 23

30.08.23, 10:27
Vielleicht ist es gut, daß die Zeit auch vergehen kann, ohne festgehalten zu werden.

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Allerdings bringe ich die Zeit durchs Festhalten doch allzu gern durcheinander. Oder hindere sie nur zu gern am Vergehen. Ob ich wohl doch auf Warten stehe?

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Schlechter Schlaf. Ein Bier mehr, als ich mir zugestehe. Vertraute Menschen, vertraute Umgebung. Nachfühlen von Unfallschmerzen - Hornissen im Kopf, Bänder im Knie. Das Gefühl, ein zu schlechter Lehrer zu sein, ein zu wenig Wissender dafür, und dagegen ein zu langsam Lernender. Der eigene Anspruch und das fremde Lob. Wach. Wasser. Blödsinn lesen.

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Die Freude am Draußen, doch ich finde den Ausgang nicht. Die Freude an der Gartenpflege als Ausweg. Alles mit Werkzeug, und wie immer trifft mich nach fünf Minuten jemand, der dieses Werkzeug auch benutzt. Ich treffe ja niemanden.

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Die jungen Tschechen, die ich zuerst darum beneide, daß sie sich als Freunde mit Gras und Schnaps auf einem Zeltplatz treffen können. Dabei mag ich keinen Schnaps und möchte Gras auch dann nicht rauchen, wenn es erlaubt wird. Sie sind laut, sie singen gröhlend, und übrig bleibt irgendwann eine dünne Telefonstimme. Ich ziehe an meinen Reißverschlüssen, steige in die Schuhe, klopfe an ein Zelt, stolpere dabei über die halb geleerten Flaschen. Als niemand antwortet, überwinde ich mich und öffne. Das Telefon leuchtet matt auf der Brust eines Regungslosen. Ich schüttle ihn, doch er bleibt regungslos. Ich nehme das Telefon von seiner Brust und mache dem Stimmchen ein Ende. Dann schlafe ich gut.

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Die Showküche, die ich so gern als Nutzküche gehabt hätte. Ich bin also mein eigenes Hindernis.

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Ich kann gerade nicht antworten, und so lassen die Fragen nach.

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Vor meinem Fenster ein grasendes Pferd, im Regen und bei Sonnenschein. Von einem Fluchttier den Stoizismus lernen, denke ich.

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Es scheint eine Zeit abzulaufen, und ich bin seltsam ruhig dabei, nichts weiter dagegen tun zu können. Dann bleibt eben alles so, bis es endet. So Gott will, ich ertappe mich sogar bei diesem Gedanken. Dann überlege ich ein Weilchen, ob ich Gott am Leben lassen möchte.

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Ich sollte vielleicht, so denke ich weiter, nicht nur zu Gott eine abgeschlossene Meinung haben, doch die fällt mir bei allem Lesen anderer Meinungen weiter schwer. Frieden, aber wie? Und vielleicht muss die Frage lauten, mit wem? Was ist Wetter, was ist Klima, und warum ist bei den einen alles eines und bei den anderen alles das andere? Jede kleinste Übertreibung, jedes winzige Zuviel sofort ein Ruck in die andere Richtung. Man wird in der Zukunft wohl übers Heute sprechen, dass es ganz klar hatte so kommen müssen. Nur wie es kommen wird, und wie das zu verändern wäre, weiß ich noch nicht. Könnte ich in die Zukunft sehen, ich würde dort doch nur am liebsten Geschichtsbücher lesen, glaube ich. Oder vielleicht doch mal kurz so ein Flugtaxi probieren.

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Sehr galliges Empfinden gerade nach weit außen, sehr viel Wohlwollen in der Nähe.

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Etwas gegen die eigene Schwäche tun, und beim Überlegen, was zu tun wäre, nur noch schwächer werden.

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Vielleicht finde ich gerade heraus, warum mal altern muss.

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Einfach lange auf dem Rad zu sitzen, hatte ich mir vorgenommen für diesen Sommer. Nun ist er vorbei, und ich habe mich intensiv mit Kettenbreiten und Schaltröllchen beschäftigt und saß lange unterm Rad. Der Fehler offensichtlich.

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Zwei Zimmer noch zu renovieren, dann eine ganze Wohnung. Immer die Hoffnung, beim nächsten Mal etwas besser zu können.

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Ein Ferienaugust für den dummen August, der ich bin.
# |  Rauchfrei | Gas geben

Sonntag, 6. 08 23

06.08.23, 15:10
Heute morgen um drei bin ich wach, um vier hellwach, ich lege mich auf das Sofa, dessen Geschichte ich so gern vor mir wiederhole. Gekauft, für unpassend befunden, für Gäste in den Keller gestellt, bei Hochwasser ohne nasse Füße davongekommen, aber von der Versicherung trotzdem ersetzt worden, stand es am Straßenrand. Ich klingelte, der Besitzer half mir, es übers Geländer zu hieven, dann saß ich drauf, jahrelang. Ein Umzug in einem schnellen Auto, ein Umzug in einem alten Auto, ein halbes Jahr in einem Lager, und am späten Abend, nachdem ich die Farbeimer aufgeräumt, das Gerüst abgebaut, die gewaschenen Vorhänge wieder aufgehängt habe, wird es durch einen langen Flur gezerrt und steht nun versteckt hinterm Ofen, klein in diesem riesigen, hallenhohen Raum. Ich lese ein wenig in einem Kinderbuch, an das ich mich zu erinnern glaubte, aber die Geschichte enthält dann doch weniger Gestrüpp, weniger Schluchten und irgendwie weniger Geschichte als meine Erinnerung daran. Ich sitze, dann liege ich, höre den Pferden zu, die meine Nachbarn sind. Zwar rüttelt der Wind an den Ecken, aber es ist dann doch noch zu warm für ein Ofenfeuer. Wo nur wieder der Sommer hin ist, frage ich mich wie jedes Jahr, wenn er mir wieder entgleitet, bevor ich ihn erhaschen kann. Doch was täte ich mit einem gefangenen Sommertag, ich wüsste nicht viel anzufangen damit, und so soll er denen gehören, die ihn fassen können. Weit oben an der hölzernen Decke sehe ich einen Käfer krabbeln, ganz klein ist er, daß er in den Fugen ganz verschwindet, und doch immer wieder herauskommt, unbeirrbar, nicht abgelenkt von seinem Ziel, das er niemandem verraten und erklären muß. Blitzblank sind die Bretter an der Decke noch, scharf die Kanten, die ich erst abgeklebt, mit Acryl beschmiert und dann überstrichen habe. Spät am Abend erst war ich fertig mit dem Aufräumen und Aufputzen der Hinterlassenschaften, kann ich den Raum als fertig gelten lassen. Ich berühre nichts, möchte nichts verändern, doch schon liegt wieder Staub auf den Fensterbänken, wischt ein unvorsichtiger Vorhang den Staub in den frischgestrichenen Putz. Von der Decke baumeln die beiden Ringe, an denen ich viel öfter üben sollte. Mehr reinigen, mehr erhalten, und doch ist alles vergebens, es kriecht die Zeit, es fällt der Staub, es zieht die Zeit an uns vorbei, durch uns hindurch, sie zieht das Leben heraus aus uns, und sie zeigt uns, daß nichts von Dauer ist, vor allem nicht, was sauber ist. Weiter hinten kann ich die neuen Bretter in der Decke erkennen, schon passen sie ihre Farben an die alten an, und die leicht unterschiedlichen Fugen, mit denen ich so viel Mühe hatte, ich kann sie im Dunkeln nicht unterscheiden. Überhaupt die Mühe an der Arbeit, die Arbeit am Verstecken, der Wille zum letzten unsichtbaren Prozent, der mich so oft an die Säge, auf die Leiter, an meine Willensgrenze trieb. Ich kann es nicht mehr erkennen, es ist eine Holzdecke, wie sie überall in alten Häusern hängt, und selbst den Lampen sieht man es nicht an, daß sie viel zu klein waren für all die Leitungen dahinter, und viel zu selten leuchten sie, weil ich doch allzu gern im Dunkeln tappe. Sehen kann ich meine Arbeit also nicht mehr, am Ergebnis nichts Besonderes, und nur von fern spüre ich noch die Wut, die mich mit Betonbrocken und Meißel auf der Leiter hielt, das Drängen nach irgendetwas Fertigem, das mich planen und bauen und wieder einreißen ließ, als gäbe es etwas Fertiges überhaupt. Die Mühsal verschwindet in mir, und schon in zwei, drei Tagen werde ich vielleicht hier liegen, als wäre es schon immer so gewesen, und in ein paar Jahren werde ich hier vielleicht liegen, auf daß ich einst hinausgetragen werde. Da fällt mir das Treppenhaus ein, und ich lasse das Buch sinken. Im Garten zu sterben, würde wohl vieles leichter machen, und solche Gedanken klingen ganz logisch, morgens um vier, und dann denke ich über ein dafür geeignetes Plätzchen nach, und wie ich dieses mit Mühe und Arbeit in einen Platz verwandeln kann, wo ich einst liegenbleiben kann. Alles fließt, mit diesem Satz hat dieses kleine Weblog vor vielen Jahren hier begonnen, und alles vergeht, möchte ich heute hinzufügen, und obwohl ganz sicher alles vergehen muß, so treibt uns doch etwas an, daß wir nicht umsonst sind, und unsere Mühe nicht vergeblich. Es ist halb fünf am Morgen, die Nachbarpferde scharren unruhig im nassen Sand. Ich mache kein Feuer, ich nehme mir keine Decke, ich wärme den Raum mit Ruhe und warte auf den Morgen, an dem ich einundvierzig Jahre alt werde, und das kommt mir seltsam mühelos vor, wo ich doch kaum mehr weiß, was ich noch vorgestern zum Mittag gegessen habe. Nur der Hunger, der bleibt.
# |  Rauchfrei | Gas geben

Sonntag, 23. 07 23

23.07.23, 11:21
Die Hände im frisch gedroschenen, warmen Dinkel gebadet.

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Rinder von der Weide verladen und versucht, den Umgang wenig anstrengend für Mensch und Tier zu halten. Manchmal klappt das wie heute.

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Eine "treue Seele" genannt worden.

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Mit einem wundervoll grünen Stift kleine Zahlen an den Rand beschriebener Blätter gemalt. Korrekturaufgaben.

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In einer Bausache befragt worden, zu der ich Erfahrungswissen habe. Wie schön fest gebautes Wissen ist.

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Auf dem Rad gesessen. Wenn ich nur immer auf dem Rad sitzen könnte. Welch wohlfeiler Wunsch.

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Ich zehre immer noch davon, mit jungen Menschen auf einer Treppe gestanden, in den frischen Regen geschaut und geredet zu haben.

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Wir verlegen Schlauchleitungen und zünden ein abgedroschenes Feld an. Feuerpatschen. Löschrucksäcke. Selbstnässende Schläuche. Ich möchte mich messen, rieche beißenden Rauch, erschrecke mich immer wieder an der Hitze der Flammenfront, die sich schneller bewegt, als ich mit dem Rucksack laufe. Die Arme werden taub vom Pumpen. Rote Wurst vom Grill.

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Müdes Sitzen. Aufraffen aus irgendeinem inneren Trieb, weil wenn, dann richtig.

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Auf dem Rad durch das Städtchen. Viel Volk unterwegs. Abbiegen in eine Seitenstraße, plötzlich im dunklen Wald. Gebüsch knistert. Zwei schnelle Autos mit Fernlicht kommen mir entgegen. Der Anstieg ist lang, gleichmäßig, und immer macht er mich denken, daß ich neulich noch schneller war. Radeln in Jeans. Oben im Wald Licht aus zwei Campingfahrzeugen. Wie gern ich diese Straße entmotorisieren würde, vor allem für mich. Die Wegweiser im Dunkeln, ohne Zögern abbiegen auf den richtigen Waldweg. Wieder Steigungen. Schotter knirscht, und ich schaue Wege anders an, seit ich sie selbst anzulegen helfe. Am Waldrand zwei Rehe, die sich hektisch ins Gebüsch schlagen. Knacken, Rascheln, und ich möchte ihnen Ungeschicklichkeit vorwerfen. Man kann euch doch hören! wispere ich.

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Ich mag es, mit meinen Tritten Licht zu haben. Nabendynamos machen mich zufrieden.

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Ich radle auf ein Dorf zu, wenige Lichter, eine andere Stille als im Wald. Geruchsfrei statt duftend. Vielleicht werde ich doch noch zum Waldkauz, denke ich und erinnere mich daran, daß hier oben in den Höhlen jemand hausen soll, so außerhalb von fast allem.

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Windräder tauchen nach oben ins Dunkel hinein wie Mahnmale. Der Mond eine schmale Sichel in Goldtönen. Sterne stehen still, ein Flugzeug zieht blinkend eine Bahn. Asphalt. Abbiegen. Schotter. Durch viele Traktorfahrten graben manche Strecken sich als Landkarte ins Gedächtnis. Noch tiefer vielleicht, denn ich muß nicht denken, um ihnen folgen zu können.

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Wieder Asphalt. Am letzten Anstieg bellt ein Hofhund, und aus dem Dorf unter mir spielt eine Band "Don't stop believin'". Wäre ich nicht langsam genug, um eben so nicht umzufallen, ich könnte mich auf einem Radrennen wähnen.

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Das Rad an einen noch vom Tag erwärmten Container gelehnt, trete ich aus dem Dunkel ins Licht des Hofes, in den Lärm der Menge. Ich finde ein paar Menschen, wenige Worte. Kalte Pommes. Ein Tanz. Lächeln, festhalten am Glas. Vielleicht bin ich schon drüber, denke ich. Ganz sicher außen vor. Freundliche Grüße, keine ruhigen Ecken.

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Ich tauche so still auf wie ich verschwinde. Ein Geist auf schmalen Reifen in der Nacht. Ich nehme einen anderen Weg zurück, am Wald entlang, ganz nah an einem Kuhstall vorbei. Der Duft ist längst aus meinem Kleiderschrank verschwunden, ich kann ihn nur mehr erinnern.

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Am Elektrorad stört mich nur, daß ich eine Werkstatt bräuchte. Mein Rad ist mein Besitz, voll und ganz und mir bekannt. Ich möchte keine Blackbox am Rad. Vielleicht irgendwann mal, und dann gleich zerlegen, um es besitzen zu können.

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Die Steige im Dunkel. Leider geht mein Tacho nicht mehr, denn mit einem Bier zuviel bin ich am schnellsten. Der Wind pfeift, ich juchze. Irgendwo ein Fest, auf dem andere sind. Es ist gut, wie es ist, und doch eine Lücke in mir.

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Noch ein Anstieg, eine Abfahrt mit der Erschwernis der schmalen Betonfahrbahn. Nur wer locker ist, kann geradeaus fahren. Wer lenkt, verliert.

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Linksherum durch den Kreisverkehr, auf dem die Fahnen wehen. Stapfen durchs hohe Gras. Warme Wände, Bettstille, Bettruhe.

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So volle Tage, denke ich, deren Fülle nur aus ihrer Leere erwachsen kann. Es macht einen Unterschied, wer einem den Tag füllt, denke ich, aber nachts sollte ich nicht so viel denken, denke ich.
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