Dieseldunst
Geschichten von Pferd und Pferdestärken.
Donnerstag, 13. 11 25

13.11.25, 09:35
Außerdem die Duschkabine eingebaut.

#
Auch hier zuvor ein Verwirrspiel der modernen, arbeitsteilig völlig zersplitterten Welt. Die Webseite, die sich als Verkäufer gibt, handelt in Wahrheit nur als Marktplatz, an dem ein Händler unbekannten Namens verkauft, der seinen Kaufpreis über einen Zahlungsdienstleister erhält und seine Lieferung über ein Unternehmen ankündigen und ein weiteres ausführen lässt, das wiederum erst eine Spedition beauftragt, wie wiederum vermutlich einen Einzelunternehmer fahren lässt. Es ist ja ein Wunder, wenn überhaupt noch ein Paket ankommt. Doch Versprechen wie die telefonische Terminabstimmung gehen selbstverständlich auf diesem Weg verloren, und so erhält man spätabends zwei Kurznachrichten, die eine Lieferung irgendwann am Folgetag ankündigen. Als ob immer alle daheim wären, und vermutlich sind sie das auch.

#
Der Fahrer dafür ein Herzchen, dem ich das schwere Paket direkt abnehme. Dann reiße ich den Griff aus, und bevor ich noch beschließen kann, die Teile draußen auszupacken und einzeln die Treppen hochzutragen, fasst er mit an bis in die Wohnungsbaustelle. Mein ewiger Dank, auch wenn er vermutlich wie alle, die ich mir vorstellen kann, nicht aufs Auge geküsst werden möchte.

#
Lang schleiche ich um die Anleitung herum. Ich mag nicht in meine neuen Fliesen bohren, doch ohne Dübel kein Halt. Vielleicht hätte mir diese Furcht davor, etwas bislang Unversehrtes anzutasten, früher etwas sagen müssen. Heute bohre ich seufzend und sauge schnell den Bohrstaub und die Späne aus der Duschwanne, damit sie nicht davon ihre ersten Kratzer bekommt. Mal sehen, wann ich mich zu duschen getrauen werde.

#
Baustellentage sind meine Radiotage. Diesmal ein Bericht darüber, daß eine Klägerin beim Vortrag eines Angeklagten in Tränen ausbricht und von einem Seelsorger so weit stabilisiert werden kann, um diesem Vortrag weiter folgen zu können. Tatsächlich bin ich seit einiger Zeit der Meinung, daß bei Verbrechen gegen Wehrlose sichergestellt werden muß, daß der Täter kein ebensolches mehr begehen kann. Ich habe damit meine einstige Meinung sehr fundamental geändert, und ganz sicher zum Schlechteren. Damit folge ich leider dem Lauf der Welt, wie ich ihn sehe, und darin liegt auch der Ursprung meiner ebenso abrupten wie weitgreifenden Meinungsänderung: vor einigen Jahren Anfang Oktober habe ich mir deutlich zu viel Gewalt angesehen, ohne damit aufhören zu können, weil ich darin nach Gesichtern von Bekannten gesucht habe. Damals habe ich etwas verloren, was ich seitdem nicht wiederfinden konnte.

#
Ich arbeite weiter die Anleitung ab. Vorsicht Glas, denke ich, und hantiere munter mit den schweren Scheiben. Warum, überlege ich kurz, und dann fällt mir ein, daß andere in meinem Alter sich Sortimente von Bauklötzchen kaufen, die sie zur Entspannung nach Anleitung zusammenbauen, um anschließend keinen Platz für die entstandenen Figuren zu haben. Dann lieber eine Duschkabine, denke ich und sehe Anleitung und Aufbau fortan wieder als Spiel. Ich bin ein einfach zu leitender Mensch, und da ich dies weiß, gebe ich nicht zu viel auf meine eigene Meinung.

#
Zum Abschluss das Ausrichten. Ich versuche, eine Ungenauigkeit unsichtbar zu machen, die außer mir niemand sehen wird. Mir jedoch wird sie nur dann ein Lächeln abringen können, wenn ich hier das Äußerste tue. Wasserwaage, kleine und immer kleinere Klopfer, schlußendlich die rettenden, weil fixierenden, Bohrungen.

#
Dann Silikon. Das hat der Fliesenleger für den Waschtisch und die Toilettenschüssel hinterlassen, und ich freue mich dran, daß es auch für die Dusche reicht. Zehn Euro gespart, und den Ärger mit den Farbvarianten obendrein. Ich kann mich ja lustig freuen, finde ich. Und ob es nun daran liegt, daß der Fliesenleger professionellere Chemie kauft oder daran, daß die Chemie insgesamt professioneller geworden ist, oder auch nur daran, daß ich den Hinweis auf gute Durchlüftung mit einem achselzuckenden Blick auf den fensterlosen Raum quittiert habe, die biozide Wirkung des Silikons steigt mir übel in die Nase. Keine Ahnung, wie man eine Duschkabine belüften soll, die man zum Silikonieren schließen muß, solange einen der Raumlüfter noch aus dem Karton heraus anlächelt. Reihenfolge, denke ich und halte dann einfach die Luft an. Die Fugen selbst werden gar nicht schlecht, gleichmäßige Hohlkehlen in nebelgrau. Und wie ich so drüber sinniere, was ich wie abdichten sollte, ist mir das Silikonieren wie das Leben an sich: für alle Fugen reicht das Material ja doch nie. Und selbst wenn, wird irgendwo doch das ungewünschte Wasser eindringen. Nur da, wo es wieder rauskönnte, da wird die Dichtung perfekt sein. Ich spare mir also eine Fuge, lege einen Ablauf, sehe das Unperfekte sozusagen vor. Beim Silikonieren komme ich mir sehr weise vor, aber wie gesagt ist mir auch schon etwas schummrig vom giftigen Dampf. Und die Toilettenschüssel vergesse ich in der Hektik dann trotzdem, aber da bin ich schon an der frischen Luft und vergesse die Übertragung aufs Große und Ganze lieber schnell.

#
Viehtrieb neun Uhr steht im Kalender, vertrete ich doch ein gebrochenes Schienbein samt dranhängender Bäuerin.

#
Nur diese Vielfalt lässt mich leben, verkünde ich am Abend am Stehtisch, und dabei dachte ich doch, ich würde nur unterm Einfluss scharfer Getränke predigen, die ich meide wie der Teufel das Weihwasser samt Predigt. Nun ja.

#
Zungenentzündung. Eine Erkrankung, die mich bereits einige Male ereilt hat, doch stets so schnell vergessen ist, wie sie angekrochen kam. Ein weißer Fleck, wie ein Bläschen, und ich erinnere mich, daß dort einst die Zahnspange drückte. Vielleicht eine zurückgebliebene Verletzung, und was bis heute blieb, wird wohl auch weiter bleiben. Was für ein unangenehmer Gedanke, und was für ein unangenehmes Gefühl, eine geschwollene Zunge im Mund zu haben. Ich lisple, was für einen Sprechberuf eher ungünstig ist, und ich suche im Internet nach dem Symptom, weil es nicht wie sonst an einem Tag verschwindet, was wiederum generell ungünstig ist. Stress steht da, und Depression, aber auch Bakterien und Pilze. Na wohl bekomm's, denke ich, denn das Rauchen kann ich wohl ausschließen, ebenso wie scharfes Essen und Trinken. Ich tue also das Nötige und rücke dem Bläschen mit dem Skalpell zu Leibe. Oder ich versuche es zumindest, denn die Koordination von Zungenmuskel und rechter Hand ist nur so mittel. Trainiert man ja auch selten, und noch schlimmer wäre nur ein Bläschen auf der linken Zungenseite, denke ich, wie ich da unwürdig im Badezimmer stehe, in einer Faust die glitschige Zunge, die sich zu wehren scheint, in der anderen die leicht zitternde Klinge. Doch der Schnitt löst den Druck nicht, also gurgle ich mit Mundwasser, und womöglich werde ich noch Tee trinken. Oder doch über eine medizinische Anwendung von Sanitärsilikon nachdenken. Meine Güte.

#
Beim neulich etwas spontan erfolgten Besuch der Notärztin wurde unter anderem eine Pipette benutzt. Darin befindet sich Zuckerlösung, die bei Säuglingen beruhigend wirkt. Vermutlich trinke ich deshalb meinen Kaffee gesüßt, erfahre ich so, und ebenso erfahre ich aus einem langen Brief, daß die Pipette, Einzelpreis viervierundvierzig, zwar ein Medizinprodukt sei, jedoch nicht medizinisch verwendet worden wäre, weshalb man die Kostenübernahme ablehne, Paragraphen diesundjenes, und herzliches Sowieso. Vermutlich könnte, und wahrscheinlich müsste man gegen Derartiges vorgehen, damit es nicht zur Gewohnheit werde, im Kleinen noch kleinlich zu sein, doch ist die Zeit begrenzt und die Bürokratie der Teufel, dem auch meine Predigten nicht beikommen werden.

#
Daher nun Stille.
# |  Rauchfrei | Gas geben


13.11.25, 09:03
Und bei einem dieser leuchtenden Momente, als ich eben aufgewacht war und dem tiefen Säuglingsschnaufen neben mir lauschte, fragte ich mich, ob ich mir diesen Moment bis ans Ende bewahren kann. Was wohl die Ewigkeitsmomente meiner Eltern sein mögen. Ob sie überdeckt werden vom Staub der Jahrzehnte, von neuen, noch leuchtenderen Momenten.

#
Einen Parameterschätzer für das Verhalten von Asynchronmaschinen gebastelt, der auf den ersten Blick zu funktionieren scheint.

#
Der gespannte Blick zu den Hängefiguren am Spielbogen, die lustig baumeln, wenn man daran rüttelt.

#
Die Erinnerung daran, was für ein Häuflein Mensch in dem Riesenschlafsack noch vor wenigen Wochen gesteckt hat.

#
Wie neue Gesichter eine neue Gruppendynamik erzeugen. Ich bin fasziniert, und wäre ich nicht zu alt dafür, wäre ich fast begeistert.

#
Freunde findet man nicht, man gewinnt sie. Die Engländer machen sie sogar zu ebensolchen, was noch deutlicher ist. Immerhin den theoretischen Ansatz habe ich nach gut einer Lebenshälfte verstanden, wie mir scheint.

#
Daß es jemand besser haben soll als immer wiederkehrender Gedanke. Ich werde aufpassen müssen, nicht in der Abwehr dessen zu verharren, was für Dich vielleicht gar keine Gefahr darstellt, sondern nur meine Erfahrungen sind.

#
Der langwierige Heckenschnitt. Hänger um Hänger schneide ich, trage ich zusammen, verlade und fahre ich ab. Vorfreude auf bienenfreundlichere Gewächse. Und doch - würde ich meine Zeit nicht lieber anders verbringen? Welch neuer Gedanke. Dem werde ich noch einige Jahre nachspüren müssen, bis es endlich zu spät sein wird.

#
Vielleicht doch irgendwann noch irgendwie irgendwo hinreisen.
# |  Rauchfrei | Gas geben