Dieseldunst
Geschichten von Pferd und Pferdestärken.
Montag, 22. 09 25

22.09.25, 21:56
Da die Leute um kein Verrecken mehr telefonieren möchten, hat es sich meiner Ruhe als sehr dienlich erwiesen, einfach jedem eifrigen Mailschreihals anzubieten, mich zum vorgebrachten Thema einfach anzurufen. Meine Güte.
# |  1 RauchzeichenGas geben


22.09.25, 15:09
Bald drei Monate nun, und noch immer rührt mich jedes Lächeln zu Tränen, und wenn ich wieder einmal an das Wunder des Lebens erinnert werde, tropfen sie mir von innen an die Brillengläser, durch die ich zu Dir hinabschaue.
# |  Rauchfrei | Gas geben


22.09.25, 14:10
Das Mineralwasser, von dem ich mich während der letzten Woche weitgehend ernährt habe, hieß "Wüteria". Treffer, versenkt.
# |  Rauchfrei | Gas geben


22.09.25, 10:43
Spät am Abend fahre ich an einem Stadion vorbei. Zweifarbig beleuchtet ist es, und ich habe schon im Radio davon gehört, daß man diese Bauwerke neuerdings "Arenen" nennt. Kurz denke ich daran, die Bedeutungsunterschiede einmal nachzulesen, weil es mir für ein Latinum nie gereicht hat und ich bei der ernsthaften Lektüre meines Wörterbuches der Fremd- und Lehnwörter einst steckengeblieben bin zwischen Ablepsie und Abasie, die ich übrigens beide noch erklären kann. Was in einen jungen Kopf so alles passt, denke ich, aber heute bin ich müde und fühle mich noch älter, als ich bin. Dabei tue ich, was ich als Jungspund schon tat: Ich sitze in einem rumpeligen Fahrzeug, das man mir so kurzfristig in die Hand gedrückt hat, daß ich nicht einmal die Wagenfarbe nennen könnte. Wem es gehört oder wie das Kennzeichen lautet, weiß ich nicht, und mit meinem zerlumpten, abgerissenen Äußeren und ohne alle Papiere wäre ich ein seltsamer Fund für eine Polizeikontrolle. Wie damals presche ich die Autobahn entlang, auch wenn es heute eine andere sein muß. Denn an diesem Stadion war ich noch nie, und so hake ich das in Gedanken nun auch ab und kann von Stund' an, sollte je die Rede darauf kommen, nickend auf meinen erfolgten Besuch verweisen. Als ob mich jemals jemand auf Fußballbezug ansprechen würde, unterbreche ich grinsend den unaufhaltsam sich wälzenden trägen Fluß meiner Gedanken. Längst ist der Schein der Arena im Rückspiegel verschwunden, untergegangen in Lichthupen und trüben Einzelscheinwerfern. Daß wir nicht mehr alle Lichter richtig anzuhaben scheinen, spiegelt sich auch nachts auf den Autobahnen, denke ich. Dann schaue ich wieder auf die Straßenkarte, die heute aus dem Telefon kommt, ebenso die Zieladresse, und mit einem Fingertippen wurden daraus eine Aufgabe und eine Route, die mit jeder Minute auf diesem buckelnden, rumpeligen Diesel zur Strecke wird. Alle paar Minuten rauscht das Radio, ich drücke den Sendersuchlauf, ein Lied, dann wieder Rauschen. Früher waren die Karten noch auf Papier, die Ziele auf schmutzigen Zetteln, und alles auf dem Beifahrersitz. Doch das Radio, meine ich mich zu erinnern, hat immer funktioniert. Heute habe ich keine Idee von der Himmelsrichtung, in die ich mich bewege. Zu lang waren die letzten Silotage, zu fern der Heimat bin ich schon. Eine Richtungstafel weist zu einer Stadt, wo einst eine Liebe war. Eine kurze Geschichte, und wie sich bald herausstellte, eine Geschichte, die auf einer Seite noch viel kürzer angedacht nur war. Noch heute denke ich an den morgendlichen Anruf, an die neben mir sich Aufsetzende, und an ihr seufzendes Entschuldigen, mit dem sie ihrer Schwester ins Telefon hineinsagte, sie sei dann doch geblieben. Ohne Hoffnung wäre damals alles kurz geblieben, und schmerzloser vielleicht. Stattdessen bleibt mir aus jener Zeit neben dieser ersten Nacht noch eine letzte, eine vergeblich letzte Liebesmühe, die ich heute als Entschuldigungsgeste deute, als Ablasshandel gar, und als ihr Empfänger beschämt mich das mit großem Abstand noch. Doch bleibt kein Groll, nur gute Wünsche, die ich in jedem Jahr erneut ins Telefon tippe, weil wir uns das einst versprochen hatten. Dabei ist es geblieben, und mittlerweile scheint mir selbst die Frage, ob ich die damalige Wohnung wiederfinden würde, schon eine Lebensspanne weit entfernt. Aus eigenem Antrieb wäre ich nicht auf die Idee gekommen, in diese Gegend hier zu fahren, und selbst die Antriebe, die mich wie Wellen und Strömungen hierher getrieben haben, kann ich kaum erklären. Sehen Sie, Herr Wachtmeister, würde ich sagen, ich fahre schon immer gerne Schlepper, und nie gab es einen Grund, damit ganz aufzuhören, wo doch die Schlepper immer größer und noch schöner werden. Nie gab es Grund, die Jugendliebe aufzugeben, diese fixe Idee, einfach nur Schlepper zu fahren, Tag und Nacht. Und so fahre ich hier und dort, und meistens hin und her, und wegen dieses Hydraulikzylinders dort am Häcksler bin ich von dort nun unterwegs nach irgendwo. Vor einer Tür liegt das Ersatzteil, und ich bin nur sein Lieferant. Es ist ein eigenartiges Hochgefühl, mit so einem Einzelziel durch die Nacht zu schießen, und ich hoffe, die ganzen Osteuropa-Sprinter auf den Straßen fühlen nicht nur den Zwang zum Lebensunterhalt dabei. Ein anderer Abend drängt sich mir auf, ein Weihnachtsmarkt, ein Mantel mit Fellkragen, eine kleine Tasse, die ich heut noch habe. Damals, in der Straßenbahn, da wäre ich bereit gewesen, den Pfad zu wechseln, aus der Schlepperspur zu steigen. Ich sah Dich an und in die Runde, und ich übersah die leichte Drehung, die in den Schlepperachsen Gieren heißt. Du giertest weg von mir, und wie die Worte Wunder wurden, schlugen die Pausen mir die Wunden. Seid ihr zwei nun, lange Stille. Ob es Gier war oder nur Begierde, ob ich ein guter Verführer war oder leichte Beute. Ich vermag es nicht zu sagen, nur der gesuchte Superheld mit Frisur, Jackett, Krawatte und Brillant, der war ich sicher nicht. Doch bleibt mir auch das Bild von uns am Herd, die bloßen Hüften aneinander, scharfe Werkzeuge in den Händen, warmes Lachen. Hoffnungsfroh war ich damals, und niemals müde. Heute bin ich nur noch müde, und doch fahre ich weiter, lasse mich leiten, hier links, da rechts, und überlege, wie viel Gedankenarbeit aufgebracht wurde, um diese Anweisungen in allen Sprachen so kurz und prägnant ausdrücken zu können. Wie lang wir reden konnten, wenn wir nichts zu sagen hatten. Wie wir uns auf ein gemeinsames Lauftempo einigen mussten. Ich fahre durch ein riesiges Industriegebiet. Von keinem Gebäude, keinem Firmennamen kann ich den Zweck erraten, und doch beschäftigen sich die Menschen damit. Ein offenes Tor, in der Tür ein Raucher. Ein freundlicher, korpulenter Mann gibt mir die Teile, lässt mich Papiere unterzeichnen. Wie früher notiere ich Un. Leserlich, es ist mir mittlerweile zur Gewohnheit geworden. Als ob ich diesem Dasein auf dem Grund mündlicher Anweisungen doch nicht ganz trauen würde. Fast möchte ich noch durch den kleinen Fanshop marschieren, den die Landmaschinenhändler mittlerweile haben, und der als einziges erleuchtet ist. Doch natürlich möchte der Notdienstler wieder nach Hause an diesem Samstagabend. Er hat sicher Besseres zu tun, und so sitze ich gleich wieder in diesem unbekannten Auto und fahre durch unbekannte Dörfer zu diesem Punkt, auf den ich mich schon Tage konzentriere. Ein seltsamer Fokus auf das Kleine, fast Unsichtbare. Es ist eine kleine Welt, und sie scheint mir so wenige Schnittmengen mit der wirklichen zu haben, daß ich spät in der Nacht, als ich vom Hin und Her nicht schlafen kann, mein Buch fast für echter halte als mich selbst. Felix Huby hat in drei Büchern sein Leben als Romane verfasst, und ich denke drüber nach, wie ich das meine gliedern würde. Irrungen, Wirrungen, vielleicht, doch auch dieser Titel ist bereits vergeben. Fahrtenschreiber könnte ich mich nennen, denke ich, und darüber schlafe ich dann ein.
# |  Rauchfrei | Gas geben