08.06.25, 18:17

Ruhepuls.
08.06.25, 14:06
Es dämmert schon, als ich im Auto sitze. Ich brauche ein paar Minuten, bis ich den Knopf drücken kann, der die Fahrt einleitet. Zwei Stunden, denke ich, zwei Stunden nur, zwei Stunden noch durchhalten.
Früh am Morgen bin ich in die andere Richtung gestartet, getrieben vom Wunsch nach einem benutzbaren Zimmer und einer geliehenen Kappsäge, die ich zurückgeben wollte. Im Kofferraum ein Schussnagler und der Kompressor, ebenfalls geliehen. Ich hab schon Freunde, denke ich mir, die mir solches Werkzeug in die Hände drücken. Die Fahrt telefoniere ich mir einfach schön, auch wenn ich wie so oft durch die Alb unterbrochen werde und die Rückrufe eintreffen, wenn ich gerade anderweitig verbunden bin. Erst kommt lange nichts, und dann alles auf einmal, und so mag ich meine Alb und mein Dasein. Angekommen, ausgeladen. Es müssen noch ein paar Ecken gestrichen werden, damit nun auch die Heizkörpernischen mit zusätzlicher Dämmung versehen sind, mit Grundputz, Kratzputz und Farbe. Dann packe ich die Dielen aus. Die Spannung wächst, und ich sortiere in zwei Häufchen und denke drüber nach, wie schwer Zufall zu erzielen ist, wenn wir doch immer Muster suchen. Es sind viele halbe Dielen dabei, und ich übersehe eine Diele mit einer beschädigten Ecke und eine mit einem seltsamen Stich ins Rosafarbene. Ich erinnere mich an die kurzen Lehren des Parkettlegermeisters, der mir seine genialen Wandzwingen geliehen hat, den wunderbar duftenden Kleber und den passenden Zahnspachtel. Leg einen Lappen bereit und einen zusätzlichen Eimerdeckel. Sogar die Handbewegung, mit der ich die Folie vom Kleber befreien soll, hat er mir gezeigt. Ich säge die Türzargen ab und freue mich an einem meiner ältesten Werkzeuge, abgegriffen und schmutzigdunkel liegt es mir in der Hand. Damit die Übergangsleiste sauber liegt, schleife ich noch ein wenig am Boden herum, doch irgendwann arbeite ich nur noch, um nicht anfangen zu müssen. Mittag ist durch, kein Grund mehr zur Ruhe. Ich messe den Raum und säge die erste Dielenreihe auf der falschen Seite. Dann wirst Du halt die letzte Reihe, sage ich, wie ich einst den Meister sagen gehört habe, und fluche im Innern doch lästerlich genug, daß ich mich selbst kaum dabei hören kann. Ich habe das schon mal gemacht, beruhige ich mich, auch wenn ich damals nur die Dielen auf Maß gesägt habe und nur ab und zu einen Blick auf das Verkleben werfen konnte. Noch einmal also die erste Reihe, mit der Kappsäge quer und mit der Stichsäge längs. Gleich die zweite Reihe hinterher, und ich klicke sie nicht richtig ein, denn wer weiß, ob ich sie unfallfrei wieder lösen könnte. Ein langer Bleistiftstrich auf dem Boden, dann nehme ich die Dielen wieder ab. Klebereimer auf, Folie abziehen. Bis abends werde ich nun eine Stimme im Kopf hören, die mir sagt, daß ich den Deckel schließen muß, wenn ich gerade keinen Kleber auftrage, und daß ich die Folie auflegen muß, wenn ich eine Pause machen möchte. Für eine Pause wird keine Zeit sein, aber das höre ich natürlich nicht. Ich tauche einen Spachtel ein, der Kleber klebt. Meine Güte. Ich ziehe den Spachtel heraus, der Kleber tropft. Ich denke an den Lappen, der mir im Falle einer Sauerei ans Herz gelegt wurde, und ich werde wohl mehr als einen brauchen, geht mir in diesem Moment schon auf. Auftragen, verziehen, ich stelle mich ungeschickt an und bringe einen Tropfen braunen Klebers an die frische, weiße Wand. Nun ja. Ich lasse die erste Diele ins Klebebett fallen und habe schon das Teufelszeug an den Fingern. Steh auf, sagt eine zweite Stimme in meinem Kopf, steh auf und lauf davon, halte einfach nie wieder an. Komm nicht zurück, geh nicht über Los. Ich springe auf nach dem Lappen, falle wieder auf die Knie. Die nächste Diele trägt meine Fingerspuren. Ich klicke längs ein und wische. Es werden immer drei Dielen längs passen, denke ich, und daran, wie ich vor ein paar Tagen noch versucht habe, den wilden Verband zu berechnen, bis mir einfiel, daß genau dies keine gute Idee war. Aber wenn einer nur rechnen kann, dann rechnet er halt. Die erste Reihe liegt, ich setze die Zwingen an. Beginne mit der ersten Diele der zweiten Reihe und überlege kurz, warum man wohl drei Reihen zum Beginn empfiehlt. Ich werde es bald wissen. Die zweite Diele klickt nicht. Ich klopfe vorsichtig. Ich klopfe stärker. Es hallt im leeren Raum. Zuletzt klopfe ich mit dem blanken Hammer, dessen Spuren von un an im Boden sichtbar sein werden. Ich verzweifle ein wenig, dann noch etwas mehr. Ich nehme die erste Diele wieder heraus und stelle fast erleichtert fest, daß ich den Kleber nun wirklich überall habe. Von nun an wische ich meine Finger alle paar Sekunden an der Hose ab, der roten Hose, auf die ich einst so stolz war, und für die ich immer einen Gürtel brauche. Es klickt nicht, ich lese in der Verlegeanleitung nach, von der in all den Dielenpaketen immerhin ein Exemplar enthalten war. Ein Wunder der Logistik, denke ich, und doch bekomme ich die Dielen nicht dazu, längs und quer zu klicken. Irgendwann doch, denn für den Querklick dürfen sie längs nicht eingeklickt sein. Und beim gemeinsamen Längsklick über fast fünf Meter drücke ich vorn und hüpft die Diele hinten. Ich bin schweißgebadet, als die zweite Reihe liegt. Zwischen zwei Dielen war ein ungutes Knacken, und ich weiß jetzt schon, wie viele Nächte ich das noch in mir hören werde. Ich hasse Parkett ein wenig, dieses unbekannte Format besonders, und sehr aufrichtig hasse ich mich dafür, daß ich ja immer alles probieren muß. Laminat, denke ich, und schwimmend verlegt, und ich denke an den Zimmerer, der dafür keine zwei Stunden plante. Es ist ein Lachen in der Welt, und die verzweifelte der vielen Stimmen ist von mir. Ich tropfe Schweiß auf den Parkett und lege die nächste Reihe. Will wieder einen Bleistrich ziehen, denke dann an die verrinnende Zeit und den topfenden Kleber und lasse es bleiben. Kleberbatzen auf den Boden, in die freie Richtung abziehen, Dielen legen. Vielleicht nicht auf den Kleber treten, vielleicht beim nächsten Mal. Ich stehe auf und lasse mich fallen, messe erneut. Ich stehe auf und lasse mich fallen, messe die Diele. Ich stehe auf und lasse mich fallen, säge. Ich stehe auf und lasse mich fallen, klicke längs. Vier Reihen, fünf, dann werden die Abläufe runder. Bis auf die vielen Kniefälle, die werden schmerzhafter. Und einmal muss ich wohl statt mit dem Hammer mit der Hand zugeschlagen haben. Das Handgelenk, das mir schon die Tage mit dem Abbruchhammer übelnimmt, bekommt nun eine kitzenblaue Handfläche zum Vergleich. Jammern ist morgen dran, heute Bodenlegen. Bodenlegen, was für ein professionelles Wort für meine Stümperei. Doch passen die Abstände, worauf ich immer stolz war als Säger, was heute jedoch nur Nebensache ist und einfach funktionieren muß. Darauf kann ich nicht auch noch Rücksicht nehmen. Im Eimer sinkt der Kleberpegel, und es bildet sich ein elastischer Rand, der nicht mehr verwendbar ist. Ich verbrauche zuviel, ich arbeite zu langsam. Schneller spachteln, schneller mit der Zahnspachtel abziehen, schneller für eine neue Anfangsdiele entscheiden, schneller eine der kurzen Dielen einbauen, schneller messen, schneller klicken, schneller klopfen. Ob dieses Klicken immer so schlecht funktioniert, überlege ich dabei, so viel schlechter als von den breiten Dielen her gewohnt, oder ob ich doch einen klitzekleinen Bogen eingebaut habe mit den Zwingen? Ich verschiebe auch diesen Gedanken auf die vielen schlaflosen Nächte, die noch kommen werden, denn gerade kriege ich das nicht mehr. Irgendwann komme ich darauf, auch längs mit dem Zugeisen noch einen Schlag zu machen, um die Fugen vollends zu schließen, doch ein Arbeitsgang mehr und alles schneller. Die Kniefälle müssen es richten, bis sie derart schmerzhaft werden, daß ich einen Schluck Wasser trinken muß. Der Klassiker, ich habe das Essen vergessen und zittere von da an vor mich hin zwischen Schwäche, Kleberhaut und schwindenden Restmengen. Zwischendurch scheinen auch die Dielen nicht zu reichen, doch ich habe die an der Wand stehenden nicht mitgezählt. So verbaue ich munter in einer einzigen Reihe die rosafarben verfärbte und die beschädigte Diele nebeneinander. Da liegen sie im Kleber, und ich ringe die dreckigen Hände. Längst habe ich drei Lappen liegen, an den Zimmerenden und in der Mitte, denn die Hose bietet keine Fläche mehr. Es muß ein Optimum her, denke ich wütend und lasse mich vorsichtig auf die Knie herunter, und ich stelle fest, daß ich mich von da einfach auf die Seite fallen lassen kann, um die vermessene Diele abzusägen. Aufstehen über die lädierte Handfläche, und ich messe den Abstand bis zur Gegenwand. Vierzehn Reihen noch, oder doch nur zwölf? Ich kann nicht mehr durch zwölfeinhalb teilen, zumindest nicht mehr unfallfrei. Nur keinen Fehler mehr beim Messen, Sägen, Legen, wo mir doch alles auszugehen droht. Dazu die Zeit, ich kann die Nachbarn schon auf die Uhren sehen hören, was der Trottel denn da schon wieder ewig klopft. Mechanisch ziehe ich die Hosen hoch, die steif und schwer vom Kleber sind, den Gürtel enger, und bin mit enggeschnalltem Gürtel und Mehrarbeit doch auf einer Linie, daß ich fast einen politischen Ortsverband an der Tür erwarte. Doch zum Glück klingelt niemand, nur der Kleber wird krisselig. Ich sortiere ein paar Batzen aus, doch mehr wird er davon nicht und ich nicht schneller. Also auf jeder Dielenreihe einen schnellen, schwingenden Marsch, es wird schon halten, dieses Profiteufelszeug. Gut riecht es ja immerhin, wie alles, was uns giftig schaden kann. Den Ausschnitt für die Heizungsrohre mache ich freihändig, warum auch nicht. Ein Schluck Wasser gegen das Zittern und den Schmerz. Nur gegen die Verzweiflung hilft es nicht, daß dieses Rennen wohl verloren geht. Doch ein halber Boden ist keine Möglichkeit, also springe ich schneller auf und lasse mich schneller an den Knien vorbei auf die Hüften fallen, die noch ein bißchen was vertragen können. Vier Reihen noch, dann drei, dann zwei. Ich würde fast sagen, ich habe einen Lauf, auch wenn die ganze Dielenreihe nicht immer auf einmal einrastet, werden doch die Schläge weniger. Einmal schlage ich sogar nur mit der Handfläche, fast ein Tätscheln nur ins Kleberbett, doch die ist kitzenblau und wehr sich empört gegen diese Zumutung. Kurz überlege ich, wo mir nichts wehtut im Moment, und komme auf den Kopf, der auf wundersame Weise noch den Überblick behält, kein Vermessen bisher und kein Versägen. Natürlich werden am Ende Dielen übrigbleiben, auch wenn ich die Zahnspachtel fast in den Boden pressen muss, um den allzu wenigen Kleber auf die letzte Reihe zu verteilen. Ein, zwei dünne Bröckchen sind darin, doch kleben sie noch tapfer, als ich sie mit den Fingern herausfischen möchte. Drei Dielen mit Längsschnitten. Neun links, neuneinhalb rechts, und ich schüttle mich kurz, damit ich überkopf links und rechts nicht durcheinanderbringe. Ich bleibe unter zwei Zentimetern Rand, was dem Esel wohl bekommt, der die schmalsten Sockelleisten kaufen mußte. Neuneinhalb auf zehn, die letzte zehn auf neuneinhalb. Liegt er also doch gerade, der Boden, denn ein Zentimeter ist kein Maß. Nur halten will er nicht, ich stelle also auf die letzte Reihe, was ich an Werkzeugkoffern greifbar habe, und auf einen Fetzen Teppich Ziegel aus dem Bad, wo sie auf ihre Einmauerung gewartet haben. Dann knie ich, doch die Knie schmerzen zu sehr dafür, ich sitze also, doch die Hüften tun mir weh. Ich stehe, trinke Wasser, esse einen Apfel samt der braunen Stellen, samt Stumpf und fast samt Stiel. Langsam räume ich zusammen, kehre den Sägestaub auf. Für die Sockelleisten ist es zu spät geworden, sage ich, auch wenn ich nur nicht mehr Niederknien kann. In meinem Schrank waren einst Polster für ein Paar Hosen, doch erst gingen die verloren, dann waren die Hosen durch, und die neuen haben keine Polstertaschen mehr. Wie ein Untoter trage ich Zeug durch die Gegend, am Schluss die bitterschwere Kappsäge, und bei jedem Schritt sage ich Profi - links - und -gerät - rechts. Ich bin am Ende, bin kaputt, ich habe ein Schlafzimmer mit Boden, wenn auch keine Ahnung, warum ich mir das immer antun muß. Ich sitze im Auto in den dreckigen Hosen, weil mir am Ende irgendwas egal sein muß. Eine letzte Pflicht, die Fahrt, denn die Matratze steht senkrecht hinter der Tür, und die kann ich beim besten Willen nicht mehr einhängen heute. Es ist sich alles ausgegangen mit dem Boden, drei Dielen Rest und der Klebereimer blank ausgeschabt. Ich laufe noch einmal nach oben und mache mir Kaffee, auch wenn es abends neune ist. Zucker und Milch, von irgendwas muß man ja zehren, wie man genauso an irgendwas mal sterben muß. Nebenstraßen, Kreuzungen, Hauptstraße, Bundesstraße. Ich schalte eine der Anzeigen um vom Verbrauch auf die verstrichene Fahrzeit und zähle die Minuten herunter, die ich noch durchhalten muß. Ich schalte durch alle meine Labersender, doch sind meine Stimmen alle lauter und die ganzen Fehler verscheuchen jeden Gedanken an den Sieg. Ein anderer Sender, nie gehört, und dort ein Lied aus meiner Jugend. Ich höre keine Musik mehr, denke ich, doch heute laut. Und wie ich so fahre in die Nacht hinein, mit pochendem Schmerz und ohne jeden Rest in mir, da fange ich zu singen an. Und wo die Texte sind und die Melodien, da ist noch etwas, das nicht an diesem schwachen Körper hängt. Mich treibt ein Rhythmus, und ich spüre das alte Herzchen auf Drehzahl kommen, und irgendwo muß da ein Turbolader sein, den ich fauchen höre und dessen Druck mich beatmet und befeuert. Und ich mag das, fällt mir auf, und vielleicht mache ich all das nur genau deswegen, um in diesem völlig leeren Hüllenkörper in ein Reservoir zu blicken, aus dem mehr Energie spritzt, als ich je verbrennen könnte. Kraft kommt von Kraftstoff, murmle ich zwischen zwei Liedern einen alten Spruch, und es mag eine seltsame Liebe sein, doch ist sie mir eine größte, meine Kraft zu verschwenden bis zum letzten Tropfen, nur um diese Flut zu spüren. Fast wünsche ich mich zehn, fünfzehn, zwanzig Jahre gar zurück, wo um elf am Abend noch das Telefon klingeln konnte, und einer sagte, Hast Du Zeit? Es wäre, so sinniere ich, nach einem solchen Tag doch eine tolle Geschichte, sich auch noch die Nacht noch um die Ohren zu schlagen bis zum Morgen. Im Stehen schlafen wie auf diesen alten Bildern, und damit im Reinen sein, sich nur selbst noch etwas zu bedeuten. Das Neue ist mein Antrieb, das Probieren, das Beherrschen und Marschieren. Und erst kriechend gelange ich bis an den Rand, hinter den ich allzu gerne schaue. Dahinter eine Hitze und ein Feuer, und genau so möchte ich sein und leben und vergehen, und in diesem Moment passt zu diesem Größenwahn genau das Kleine, das simple eines einzelnen Zimmers, das ich nun fertig habe, wie es Millionen andere sind, mit meinen Sinnen, meiner Kraft, meinen Händen und meinem Herzblut geschaffen, und das niemandem etwas bedeutet außer mir. Auf dieser Fahrt bin ich mein Größtes, ohne Maß.
Früh am Morgen bin ich in die andere Richtung gestartet, getrieben vom Wunsch nach einem benutzbaren Zimmer und einer geliehenen Kappsäge, die ich zurückgeben wollte. Im Kofferraum ein Schussnagler und der Kompressor, ebenfalls geliehen. Ich hab schon Freunde, denke ich mir, die mir solches Werkzeug in die Hände drücken. Die Fahrt telefoniere ich mir einfach schön, auch wenn ich wie so oft durch die Alb unterbrochen werde und die Rückrufe eintreffen, wenn ich gerade anderweitig verbunden bin. Erst kommt lange nichts, und dann alles auf einmal, und so mag ich meine Alb und mein Dasein. Angekommen, ausgeladen. Es müssen noch ein paar Ecken gestrichen werden, damit nun auch die Heizkörpernischen mit zusätzlicher Dämmung versehen sind, mit Grundputz, Kratzputz und Farbe. Dann packe ich die Dielen aus. Die Spannung wächst, und ich sortiere in zwei Häufchen und denke drüber nach, wie schwer Zufall zu erzielen ist, wenn wir doch immer Muster suchen. Es sind viele halbe Dielen dabei, und ich übersehe eine Diele mit einer beschädigten Ecke und eine mit einem seltsamen Stich ins Rosafarbene. Ich erinnere mich an die kurzen Lehren des Parkettlegermeisters, der mir seine genialen Wandzwingen geliehen hat, den wunderbar duftenden Kleber und den passenden Zahnspachtel. Leg einen Lappen bereit und einen zusätzlichen Eimerdeckel. Sogar die Handbewegung, mit der ich die Folie vom Kleber befreien soll, hat er mir gezeigt. Ich säge die Türzargen ab und freue mich an einem meiner ältesten Werkzeuge, abgegriffen und schmutzigdunkel liegt es mir in der Hand. Damit die Übergangsleiste sauber liegt, schleife ich noch ein wenig am Boden herum, doch irgendwann arbeite ich nur noch, um nicht anfangen zu müssen. Mittag ist durch, kein Grund mehr zur Ruhe. Ich messe den Raum und säge die erste Dielenreihe auf der falschen Seite. Dann wirst Du halt die letzte Reihe, sage ich, wie ich einst den Meister sagen gehört habe, und fluche im Innern doch lästerlich genug, daß ich mich selbst kaum dabei hören kann. Ich habe das schon mal gemacht, beruhige ich mich, auch wenn ich damals nur die Dielen auf Maß gesägt habe und nur ab und zu einen Blick auf das Verkleben werfen konnte. Noch einmal also die erste Reihe, mit der Kappsäge quer und mit der Stichsäge längs. Gleich die zweite Reihe hinterher, und ich klicke sie nicht richtig ein, denn wer weiß, ob ich sie unfallfrei wieder lösen könnte. Ein langer Bleistiftstrich auf dem Boden, dann nehme ich die Dielen wieder ab. Klebereimer auf, Folie abziehen. Bis abends werde ich nun eine Stimme im Kopf hören, die mir sagt, daß ich den Deckel schließen muß, wenn ich gerade keinen Kleber auftrage, und daß ich die Folie auflegen muß, wenn ich eine Pause machen möchte. Für eine Pause wird keine Zeit sein, aber das höre ich natürlich nicht. Ich tauche einen Spachtel ein, der Kleber klebt. Meine Güte. Ich ziehe den Spachtel heraus, der Kleber tropft. Ich denke an den Lappen, der mir im Falle einer Sauerei ans Herz gelegt wurde, und ich werde wohl mehr als einen brauchen, geht mir in diesem Moment schon auf. Auftragen, verziehen, ich stelle mich ungeschickt an und bringe einen Tropfen braunen Klebers an die frische, weiße Wand. Nun ja. Ich lasse die erste Diele ins Klebebett fallen und habe schon das Teufelszeug an den Fingern. Steh auf, sagt eine zweite Stimme in meinem Kopf, steh auf und lauf davon, halte einfach nie wieder an. Komm nicht zurück, geh nicht über Los. Ich springe auf nach dem Lappen, falle wieder auf die Knie. Die nächste Diele trägt meine Fingerspuren. Ich klicke längs ein und wische. Es werden immer drei Dielen längs passen, denke ich, und daran, wie ich vor ein paar Tagen noch versucht habe, den wilden Verband zu berechnen, bis mir einfiel, daß genau dies keine gute Idee war. Aber wenn einer nur rechnen kann, dann rechnet er halt. Die erste Reihe liegt, ich setze die Zwingen an. Beginne mit der ersten Diele der zweiten Reihe und überlege kurz, warum man wohl drei Reihen zum Beginn empfiehlt. Ich werde es bald wissen. Die zweite Diele klickt nicht. Ich klopfe vorsichtig. Ich klopfe stärker. Es hallt im leeren Raum. Zuletzt klopfe ich mit dem blanken Hammer, dessen Spuren von un an im Boden sichtbar sein werden. Ich verzweifle ein wenig, dann noch etwas mehr. Ich nehme die erste Diele wieder heraus und stelle fast erleichtert fest, daß ich den Kleber nun wirklich überall habe. Von nun an wische ich meine Finger alle paar Sekunden an der Hose ab, der roten Hose, auf die ich einst so stolz war, und für die ich immer einen Gürtel brauche. Es klickt nicht, ich lese in der Verlegeanleitung nach, von der in all den Dielenpaketen immerhin ein Exemplar enthalten war. Ein Wunder der Logistik, denke ich, und doch bekomme ich die Dielen nicht dazu, längs und quer zu klicken. Irgendwann doch, denn für den Querklick dürfen sie längs nicht eingeklickt sein. Und beim gemeinsamen Längsklick über fast fünf Meter drücke ich vorn und hüpft die Diele hinten. Ich bin schweißgebadet, als die zweite Reihe liegt. Zwischen zwei Dielen war ein ungutes Knacken, und ich weiß jetzt schon, wie viele Nächte ich das noch in mir hören werde. Ich hasse Parkett ein wenig, dieses unbekannte Format besonders, und sehr aufrichtig hasse ich mich dafür, daß ich ja immer alles probieren muß. Laminat, denke ich, und schwimmend verlegt, und ich denke an den Zimmerer, der dafür keine zwei Stunden plante. Es ist ein Lachen in der Welt, und die verzweifelte der vielen Stimmen ist von mir. Ich tropfe Schweiß auf den Parkett und lege die nächste Reihe. Will wieder einen Bleistrich ziehen, denke dann an die verrinnende Zeit und den topfenden Kleber und lasse es bleiben. Kleberbatzen auf den Boden, in die freie Richtung abziehen, Dielen legen. Vielleicht nicht auf den Kleber treten, vielleicht beim nächsten Mal. Ich stehe auf und lasse mich fallen, messe erneut. Ich stehe auf und lasse mich fallen, messe die Diele. Ich stehe auf und lasse mich fallen, säge. Ich stehe auf und lasse mich fallen, klicke längs. Vier Reihen, fünf, dann werden die Abläufe runder. Bis auf die vielen Kniefälle, die werden schmerzhafter. Und einmal muss ich wohl statt mit dem Hammer mit der Hand zugeschlagen haben. Das Handgelenk, das mir schon die Tage mit dem Abbruchhammer übelnimmt, bekommt nun eine kitzenblaue Handfläche zum Vergleich. Jammern ist morgen dran, heute Bodenlegen. Bodenlegen, was für ein professionelles Wort für meine Stümperei. Doch passen die Abstände, worauf ich immer stolz war als Säger, was heute jedoch nur Nebensache ist und einfach funktionieren muß. Darauf kann ich nicht auch noch Rücksicht nehmen. Im Eimer sinkt der Kleberpegel, und es bildet sich ein elastischer Rand, der nicht mehr verwendbar ist. Ich verbrauche zuviel, ich arbeite zu langsam. Schneller spachteln, schneller mit der Zahnspachtel abziehen, schneller für eine neue Anfangsdiele entscheiden, schneller eine der kurzen Dielen einbauen, schneller messen, schneller klicken, schneller klopfen. Ob dieses Klicken immer so schlecht funktioniert, überlege ich dabei, so viel schlechter als von den breiten Dielen her gewohnt, oder ob ich doch einen klitzekleinen Bogen eingebaut habe mit den Zwingen? Ich verschiebe auch diesen Gedanken auf die vielen schlaflosen Nächte, die noch kommen werden, denn gerade kriege ich das nicht mehr. Irgendwann komme ich darauf, auch längs mit dem Zugeisen noch einen Schlag zu machen, um die Fugen vollends zu schließen, doch ein Arbeitsgang mehr und alles schneller. Die Kniefälle müssen es richten, bis sie derart schmerzhaft werden, daß ich einen Schluck Wasser trinken muß. Der Klassiker, ich habe das Essen vergessen und zittere von da an vor mich hin zwischen Schwäche, Kleberhaut und schwindenden Restmengen. Zwischendurch scheinen auch die Dielen nicht zu reichen, doch ich habe die an der Wand stehenden nicht mitgezählt. So verbaue ich munter in einer einzigen Reihe die rosafarben verfärbte und die beschädigte Diele nebeneinander. Da liegen sie im Kleber, und ich ringe die dreckigen Hände. Längst habe ich drei Lappen liegen, an den Zimmerenden und in der Mitte, denn die Hose bietet keine Fläche mehr. Es muß ein Optimum her, denke ich wütend und lasse mich vorsichtig auf die Knie herunter, und ich stelle fest, daß ich mich von da einfach auf die Seite fallen lassen kann, um die vermessene Diele abzusägen. Aufstehen über die lädierte Handfläche, und ich messe den Abstand bis zur Gegenwand. Vierzehn Reihen noch, oder doch nur zwölf? Ich kann nicht mehr durch zwölfeinhalb teilen, zumindest nicht mehr unfallfrei. Nur keinen Fehler mehr beim Messen, Sägen, Legen, wo mir doch alles auszugehen droht. Dazu die Zeit, ich kann die Nachbarn schon auf die Uhren sehen hören, was der Trottel denn da schon wieder ewig klopft. Mechanisch ziehe ich die Hosen hoch, die steif und schwer vom Kleber sind, den Gürtel enger, und bin mit enggeschnalltem Gürtel und Mehrarbeit doch auf einer Linie, daß ich fast einen politischen Ortsverband an der Tür erwarte. Doch zum Glück klingelt niemand, nur der Kleber wird krisselig. Ich sortiere ein paar Batzen aus, doch mehr wird er davon nicht und ich nicht schneller. Also auf jeder Dielenreihe einen schnellen, schwingenden Marsch, es wird schon halten, dieses Profiteufelszeug. Gut riecht es ja immerhin, wie alles, was uns giftig schaden kann. Den Ausschnitt für die Heizungsrohre mache ich freihändig, warum auch nicht. Ein Schluck Wasser gegen das Zittern und den Schmerz. Nur gegen die Verzweiflung hilft es nicht, daß dieses Rennen wohl verloren geht. Doch ein halber Boden ist keine Möglichkeit, also springe ich schneller auf und lasse mich schneller an den Knien vorbei auf die Hüften fallen, die noch ein bißchen was vertragen können. Vier Reihen noch, dann drei, dann zwei. Ich würde fast sagen, ich habe einen Lauf, auch wenn die ganze Dielenreihe nicht immer auf einmal einrastet, werden doch die Schläge weniger. Einmal schlage ich sogar nur mit der Handfläche, fast ein Tätscheln nur ins Kleberbett, doch die ist kitzenblau und wehr sich empört gegen diese Zumutung. Kurz überlege ich, wo mir nichts wehtut im Moment, und komme auf den Kopf, der auf wundersame Weise noch den Überblick behält, kein Vermessen bisher und kein Versägen. Natürlich werden am Ende Dielen übrigbleiben, auch wenn ich die Zahnspachtel fast in den Boden pressen muss, um den allzu wenigen Kleber auf die letzte Reihe zu verteilen. Ein, zwei dünne Bröckchen sind darin, doch kleben sie noch tapfer, als ich sie mit den Fingern herausfischen möchte. Drei Dielen mit Längsschnitten. Neun links, neuneinhalb rechts, und ich schüttle mich kurz, damit ich überkopf links und rechts nicht durcheinanderbringe. Ich bleibe unter zwei Zentimetern Rand, was dem Esel wohl bekommt, der die schmalsten Sockelleisten kaufen mußte. Neuneinhalb auf zehn, die letzte zehn auf neuneinhalb. Liegt er also doch gerade, der Boden, denn ein Zentimeter ist kein Maß. Nur halten will er nicht, ich stelle also auf die letzte Reihe, was ich an Werkzeugkoffern greifbar habe, und auf einen Fetzen Teppich Ziegel aus dem Bad, wo sie auf ihre Einmauerung gewartet haben. Dann knie ich, doch die Knie schmerzen zu sehr dafür, ich sitze also, doch die Hüften tun mir weh. Ich stehe, trinke Wasser, esse einen Apfel samt der braunen Stellen, samt Stumpf und fast samt Stiel. Langsam räume ich zusammen, kehre den Sägestaub auf. Für die Sockelleisten ist es zu spät geworden, sage ich, auch wenn ich nur nicht mehr Niederknien kann. In meinem Schrank waren einst Polster für ein Paar Hosen, doch erst gingen die verloren, dann waren die Hosen durch, und die neuen haben keine Polstertaschen mehr. Wie ein Untoter trage ich Zeug durch die Gegend, am Schluss die bitterschwere Kappsäge, und bei jedem Schritt sage ich Profi - links - und -gerät - rechts. Ich bin am Ende, bin kaputt, ich habe ein Schlafzimmer mit Boden, wenn auch keine Ahnung, warum ich mir das immer antun muß. Ich sitze im Auto in den dreckigen Hosen, weil mir am Ende irgendwas egal sein muß. Eine letzte Pflicht, die Fahrt, denn die Matratze steht senkrecht hinter der Tür, und die kann ich beim besten Willen nicht mehr einhängen heute. Es ist sich alles ausgegangen mit dem Boden, drei Dielen Rest und der Klebereimer blank ausgeschabt. Ich laufe noch einmal nach oben und mache mir Kaffee, auch wenn es abends neune ist. Zucker und Milch, von irgendwas muß man ja zehren, wie man genauso an irgendwas mal sterben muß. Nebenstraßen, Kreuzungen, Hauptstraße, Bundesstraße. Ich schalte eine der Anzeigen um vom Verbrauch auf die verstrichene Fahrzeit und zähle die Minuten herunter, die ich noch durchhalten muß. Ich schalte durch alle meine Labersender, doch sind meine Stimmen alle lauter und die ganzen Fehler verscheuchen jeden Gedanken an den Sieg. Ein anderer Sender, nie gehört, und dort ein Lied aus meiner Jugend. Ich höre keine Musik mehr, denke ich, doch heute laut. Und wie ich so fahre in die Nacht hinein, mit pochendem Schmerz und ohne jeden Rest in mir, da fange ich zu singen an. Und wo die Texte sind und die Melodien, da ist noch etwas, das nicht an diesem schwachen Körper hängt. Mich treibt ein Rhythmus, und ich spüre das alte Herzchen auf Drehzahl kommen, und irgendwo muß da ein Turbolader sein, den ich fauchen höre und dessen Druck mich beatmet und befeuert. Und ich mag das, fällt mir auf, und vielleicht mache ich all das nur genau deswegen, um in diesem völlig leeren Hüllenkörper in ein Reservoir zu blicken, aus dem mehr Energie spritzt, als ich je verbrennen könnte. Kraft kommt von Kraftstoff, murmle ich zwischen zwei Liedern einen alten Spruch, und es mag eine seltsame Liebe sein, doch ist sie mir eine größte, meine Kraft zu verschwenden bis zum letzten Tropfen, nur um diese Flut zu spüren. Fast wünsche ich mich zehn, fünfzehn, zwanzig Jahre gar zurück, wo um elf am Abend noch das Telefon klingeln konnte, und einer sagte, Hast Du Zeit? Es wäre, so sinniere ich, nach einem solchen Tag doch eine tolle Geschichte, sich auch noch die Nacht noch um die Ohren zu schlagen bis zum Morgen. Im Stehen schlafen wie auf diesen alten Bildern, und damit im Reinen sein, sich nur selbst noch etwas zu bedeuten. Das Neue ist mein Antrieb, das Probieren, das Beherrschen und Marschieren. Und erst kriechend gelange ich bis an den Rand, hinter den ich allzu gerne schaue. Dahinter eine Hitze und ein Feuer, und genau so möchte ich sein und leben und vergehen, und in diesem Moment passt zu diesem Größenwahn genau das Kleine, das simple eines einzelnen Zimmers, das ich nun fertig habe, wie es Millionen andere sind, mit meinen Sinnen, meiner Kraft, meinen Händen und meinem Herzblut geschaffen, und das niemandem etwas bedeutet außer mir. Auf dieser Fahrt bin ich mein Größtes, ohne Maß.
... Rückwärts fahren