25.04.25, 11:07
Es muß so gegen Mitternacht gehen, als dem ersten das Gesicht einschläft, an der Theke unter dem vergilbten Lichtschlauch sitzend, den wir einst dort eingebaut haben, hinter vorsichtig geschnittenem Plexiglas, gehalten von zig Schrauben, von denen keine der anderen gleicht. Was haben wir gearbeitet, damals, und wie arbeiten wir heute an ganz anderen Dingen. Ob sie uns in zwanzig Jahren auch noch so leuchten werden, überlege ich, als wir austrinken und die Flaschen in die Kästen zurückstellen, mit dem hunderttausend Male gehörten Geräusch von klirrendem Glas auf hartem Plastik. Wir schließen die Fenster, die den Qualm nie ganz nach draußen lassen und die Wärme nie drin behalten. Im Ofen knistert noch Glut, die in einer Woche nur noch ein kleines Häufchen Asche sein wird. Irgendeiner wußte irgendwoher, erinnere ich mich, wie man den Ofen reparieren mußte, und so kauften wir ein und reparierten, und so hält er bis heute dem Feuer stand. Am Ofen zu heiß, hinter der Theke zu kalt, so war es hier immer, und so drängen sich die Verkühlten am Ofen, während die Flaschen kühl bleiben. In allem auch ein Nutzen. Wir treten nach draußen, ohne unser Gespräch zu unterbrechen, und einer schließt sie ab, die alte Tür, die mehr ein Symbol ist als ein Schutz. Auch draußen die Räder, an den Wänden lehnend, und keines davon ist abgeschlossen. Die Autos sind allesamt offen, in jedem steckt der Schlüssel, und oft genug tritt am Abend einer ein, klopft sich die Schuhe ab und sagt an, was er in die Kofferräume verteilt hat, ein Rechner zum Herrichten oder ein kleiner Dank. Die Zeitschaltuhr tickt ihre drei Minuten, von denen wir zwei im Stehen verbringen, und eine damit, die alten, längst überwachsenen Platten nach oben zu gehen. Und so gehen wir auseinander in unsere Wochen zurück, aus denen wir hierher gekommen sind: einer von der Yogastunde, der andere von einer abendlichen Hunderunde, der nächste von der Abendbaustelle im Nirgendwo. Als das Licht erlischt, sind die Hände an den Türgriffen und die Füße auf den Pedalen. Adieu, Pfiat's eich, und nächste Woche wird unser Palaver hier wieder einsetzen, als wäre sie nur ein kurzes Luftholen, so eine Woche. Wir radeln ein Stück gemeinsam durchs Wohngebiet, hören den Kleinlaster auf die Hauptstraße einbiegen, schauen in dunkle Fenster und treten gleichmäßig bergan. Bevor er abbiegt, heben wir die Hände, sehen uns an im Laternenschein, Adieu und Pfiat di. Dann radle ich allein weiter durchs nächtliche Dorf, das mir in seiner Stille so heimelig vorkommt. Wie lang das schon so geht, überlege ich mir und komme auf gut zwanzig Jahre, so ungefähr. Und wie immer, wenn wir uns alte Geschichten erzählen, kommt es mit einem Mal auf die ein, zwei Jahre nicht mehr an, von denen uns doch jeder Tag in Atem hielt, uns Wunder bot, uns müde machte, zum Schreien vor Glück und vor Wut brachte. Ich biege ab, höre den Bach in seinem Bett murmeln, und von weiter oben sein Plätschern beim Sturz über die Staustufe. Ich hätte natürlich auch nach Autos Ausschau halten können, doch wo heute keines kommt, kam auch die letzten Jahre nichts. Im alten Stall ist es still, weil dort keine Kühe mehr sind. Im Jugendhaus brennt noch Licht. Fünf Jahre ist es her, denke ich, daß wir dort noch renoviert haben, in einer letzten Gewaltaktion der Alten, als Vermächtnis an die Jugend. Die Lichtorgeln, die wir an die geschliffenen Balken montiert haben, scheinen auf das hohe Gras des Vorgartens, werfen dort bunte Bilder. Sechs Jahre müssten es sein, denke ich mir, denn vor fünfen, da war doch was anderes. Zwei Jungs stehen vor der Tür, lachen laut in die Nacht hinein, und als ich vorbeifahre, rufen sie laut meinen Namen. Ich grüße zurück, es sind ja Osterferien, fällt mir ein. Ob ich mitkommen würde zur nächsten Freizeit, rufen sie mir nach, und ich rufe ein Ja zurück. Ein kurzer Jubel schallt mir nach, und ich berge ihn für mich und meine dunkleren Stunden. Dann geht es leicht bergan, am Elternhaus vorbei, aus dem Dorf hinaus. An der Ortstafel beginne ich zu singen, an dem Punkt, an dem mir das Heimweh einsetzt. Und ich singe das alte Lied, das ich vielleicht in ebendiesem Jugendhaus zum ersten Mal gehört habe, von der alten Zeit und davon, das Gute zu bewahren von all den Wundern, denen man so begegnet. It's something unpredictable, but in the end it's right - I hope you have the time of your life. Ihr werdet etwas finden, an das ihr euch erinnern könnt, und darin wird vielleicht ein Körnchen sein, das uns verbindet, über all die Jahre hinweg. Aus vielen dieser Körnchen haben wir schließlich die Freundschaften gebaut, die uns immer und wieder diesen Weg entlang führen, dazwischen die Wochen. Und wie in jeder dieser Nächte radle ich singend bergan und anschließend jubelnd bergab zwischen den Dörfern, im Mondschein die alte Scheune, vor der ich auf einem Heuballen sitze, auf einem alten Foto, der Opa auf der Bank ins Feuer schauend, der Vater mit den Händen an der Gitarre. In the end it's right - I hope you had the time of your life.
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