Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Donnerstag, 20. 03 25

20.03.25, 13:15
Und wie ich auf dem kleinen Tritt in der Toilette stehe und in meinen roten Hosen und dem uralten, verblichenen Hemd noch ältere Fliesen von den Wänden klopfe, den schönen neuen Flachmeißel und einen genau richtigen Zweikilofäustel in den Händen, da fällt mir ein ganzes Stück Wand entgegen, der Putz, der schon ein Weilchen hohl geklungen hatte, samt den Fliesen, und nur der Staub bleibt in der Luft, und ich überlege, wie ich dann doch zu dem geworden bin, der nun hier steht, von jemandem, der sich immer für irgendwie normal hielt und nur diesmal kein Geld für einen Friseur ausgeben wollte, weil ja noch eine Schermaschine da war, und der nur diese Woche keine Zeit für neue Schuhe hatte, weil die alten ja nur zwei kleine Löcher und das Wetter keinen Regen zeigte. Jemand, der allzu gern im Freien war und nur den einen Tag am Schreibtisch schnell noch was berechnen wollte. Jemand, der zum Studieren ja nur an die nächste Uni ging und von da jedes Wochenende nach Hause kam. Jemand, der irgendwann anfangen wollte mit diesem Urlaub, der ja irgendwie dazugehört, und nur dieses Jahr noch lieber einen Erntesommer vorzog. Jemand, der alles nur ein ganz klein wenig anders machte, ein wenig später vielleicht im nächsten oder übernächsten Jahr, und der sich dann auf einer Leiter wiederfand in einer fremden Stadt, in den Händen diesen Meißel und im Staub von fünfunddreißig Jahre alten Fliesen, seiner selbst bewußt bereits in der zweiten Hälfte dieses Lebens, das da irgendwann beginnen sollte. Ich kann das nicht erklären, denke ich dabei, und ich kann all die Phantastereien kaum erzählen, ohne daß ich mich selbst auslachen müsste für meine Spinnereien, die mich hierher gebracht haben. Und ich taste nach den scharfen Fliesenkanten, um mich zu vergewissern, ob ich nicht doch einen reichlich absurden Traum durchlebe, in dem sich manches so gar nicht und anderes in jedem Takt zu ändern scheint. Im Radio, so erinnere ich mich, habe ich neulich erzählen gehört über Harry Rowohlt, der sein Leben so verstanden habe, daß es allein zu seiner Unterhaltung dienen solle. Und vielleicht bleibt es uns selbst überlassen, was wir uns Unterhaltung nennen, denke ich, und klopfe frohgemut voran, und wie ich ohne Toilette auskommen werde, wird sich wohl weisen müssen, bis Putz und Rohre und die Fliesen wieder allesamt und irgendwie an ihren Plätzen sind.
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