Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Samstag, 8. 06 24

08.06.24, 11:49
Daß ich gern mit Freischneidern arbeite, weiß ich schon lang, und vielleicht habe ich deshalb im vergangenen Jahr einen solchen angeschafft. Einen kleinen nur, denn ein Dickichtmesser brauche ich nicht, und mit einem kleinen Akku komme ich locker einmal ums Gelände herum. Auf dem Gelände stehen auch diverse Hecken und Sträucher, in denen es den ganzen Sommer über brummt und summt, zwitschert und piept. Nun sind vor allem im vorderen Bereich die Anforderungen ans Aussehen hoch und klassisch - die Wiese soll grün und sauber aussehen, das Gebüsch ebenso. So interpretiere ich die Laufkundschaft, und so erwarb ich eine zum Akku passende Heckenschere mit einem langen Stiel. Zuerst lästige Pflicht, dann mit immer flüssigerem Schwung führe ich die knatternde Schere über die Scheitel und freue mich an den fallenden Spitzen. Ich habe also Freude am Heckenschneiden gefunden, am dichten Grün, an den bereits erwähnten Geräuschen darin. Ich schneide lustige geometrische Formen, die ich in den Sträuchern zu erkennen glaube, und ich schneide die niedrige Hecke mit einem Auge, das mir die Wasserwaage ersetzt. Messerscharfe Kanten, gerade Linien, und ich müsste jetzt nachschlagen, aus welcher Zeit diese Gartenidee stammt. Dazu einen Strauch, den ich noch in die perfekte Kugelform bekomme, einen umgedrehten Kegel und eine runde Säule. Ich hätte, denke ich mir, noch Platz für einen Strauch, um ihn viereckig zu schneiden, und die Freude, die ich beim Gedanken daran empfinde, mag ein wenig verrückt sein, und ist doch im Weltvergleich wohl unschädlich genug, um noch als harmlose Marotte durchzugehen. Andere fliegen in den Urlaub, denke ich dann immer, schüttle den Kopf, und dann geht's wieder. Im Garten macht mir das Altwerden Spaß, auch wenn der Wermutstropfen mir ein Tränenmeer wird: ich kann keinen Nutzgarten haben. Die einzig geeignete Fläche liegt am Nordhang im Hausschatten, und zusammen mit meiner häufigen Abwesenheit riecht das nach vergeblicher Liebesmüh. Und stets, wenn meine Gedankenschleife diesen Punkt streift, dann verschwinde ich eine halbe Stunde im Gedanken an eine automatische Bewässerung und lande bei selbstgebauten Robotern, und irgendwann merke ich dann, daß ich über meine Freude hinausgedacht habe und kriege mich wieder ein. Doch wenn ich alt bin, denke ich dann, möchte ich dicke Kartoffeln und gartenfrische Gelbe Rüben haben. Auch dies ein reichlich harmloses Ziel, will mir scheinen, und so finde ich auch an diesem Tag keinen grundsätzlichen Lebensfehler außer dem, was nützt der Garten in Gedanken. Meist gehe ich dann meine Sträucher schneiden, und heute schreibe ich einfach meinen Irrsinn auf.
# |  Rauchfrei | Gas geben