Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Sonntag, 1. 12 24

01.12.24, 13:03
Ich glaube, was mich am meisten an einem Parteiverbot stört, ist gar nicht die Frage, ob dieses Verbot gerechtfertigt ist oder die Eventualität eines gerichtlichen Scheiterns. Es ist das Eingeständnis einer systemischen Niederlage. Ein Verbot ist kein Argument und keine Überzeugung, ein Verbot ist auch keine Lösung für das zugrundeliegende Problem, sondern nur für das Symptom. Es sind ja reale Probleme, die zum Aufstieg von Parteien führen, und diese werden durch ein Parteiverbot allein nicht gelöst. Und meine Befürchtung besteht auch darin, dass mit einem Verbot auch die Probleme unaussprechlich werden und sich so noch weiter von einer Lösung entfernen. Der politische Druck fällt damit ja zunächst weg. Und wenn keine Lösung angeboten wird, wohin sollen dann die Menschen, die eine nun verbotene Partei für eine Lösung gehalten haben, dann politisch gehen? Es kann ja weder Sinn und Zweck einer politischen Landschaft sein, Probleme zu ignorieren, noch Menschen.

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Was, wenn ich falsch liege?

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Eine abendliche Fahrt für ein Rudergerät. Wie fremd mir die Landschaft ist, wie menschenleer die Dörfer, die so voll von Autos sind. In der Dunkelheit leuchten nur Gegenstände.

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Es ist notwendig, sich an den Füßen zu gurten, um auf einem Gerät zu rudern, damit man sich selbst wieder auf der Laufschiene nach vorn ziehen kann. Es ist sehr wenig sinnvoll, sich zuerst an den Füßen anzugurten, und danach zu überlegen, wie man eigentlich ans Radio, ans Telefon und an den Verstellhebel des Geräts kommen will. Aber ich kann mir das noch als nötige Dehnübungen umdeuten. Was ich nicht schaffe, ist, mir nachträglich Sinn und Zweck dabei einzureden, die nackten Füße mit den Schlaufen zu fixieren. Denn, und das habe ich vor lauter Begeisterung, vor lauter Konzentration auf korrekte Ausführung der Bewegung und vor lauter Fluchen auf die eigene Schwäche überhaupt nicht bemerkt, die Schlaufe schneidet beim Bewegen der Füße in die kleinen, äußeren Zehen. Blutend steige ich also nach den ersten fünftausend geruderten Metern ab, und eine Woche später humple ich immer noch. Zu doof für ein Rudergerät also. Ein Lektion in Demut, die ich bei deutlich schwierigeren Entscheidungen vielleicht berücksichtigen sollte.

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Ein bisschen innere Komik auch darin, wenn eine Politikerin, die ich bisher stets als unangenehm aggressive Sprecherin und thematisch nur um allerhand Kriegsgerät kreisend wahrgenommen habe, in ihrer eigenen Partei eine Rhetorik des Krieges kritisiert.

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Früher habe ich Namen vermieden, Marken wie Personen, um Text aus der Zeit zu heben. Wenn ich lese, versuche ich ja stets, die historische Umgebung kennenzulernen - woran merke ich, wann eine Geschichte spielt, in welcher Gegend und in welcher sozialen Umgebung? Schon wenige Jahre alte Romane wirken ja unglaubwürdig, wenn die Helden daran scheitern müssen, kein Telefon dabeizuhaben und somit keinen Kontakt nach aussen. Oder wenn sie mit ihren Telefonen keine Videos ansehen können. Das lässt mich ihrer Zeit recht genau eingrenzen. Bei älteren Texten fällt mir das schwerer, wenn beispielsweise ein Hornblower - der ja gegen Napoleon kämpft, was die Zeit gut bestimmbar macht - als Kapitän erstmals ein Dampfschiff sieht und die Galeeren für veraltet hält. Daraus allein kann ich nur grob die Zeit bestimmen, und je älter die Texte, umso ungenauer muss ich werden. Die Heldensagen schließlich kippen ins Märchenhafte, auch wenn ich aus dem Vorhandensein von Burgen, Berufsständen, Kompassnadeln, vielleicht noch einen Reim basteln könnte. Bei Geschichten, in denen das innere Drama an erster Stelle steht, sind es wenige Details, die mir eine Einordnung erlauben, und vielleicht liebe ich einige dieser Texte gerade deshalb, weil sie so zeitlos sind und unabhängig von diesem Kontext funktionieren. Weil sie den Mensch als solchen beschreiben, den ich als unveränderlich wahrnehme, als Liebenden, als Leidenden, als Handelnden aus seinen Gedanken heraus. Der alte Mann und das Meer hat vielleicht deshalb diese Anziehung auf mich, dass ich das schmale, für die Schule einst erworbene Heftlein, über die Jahre hinweg zerlesen und zerfleddert habe, und es seit dem letzten Umzug nicht einmal mehr wiederfinden kann.
Es war, um den Bogen zurückzuspannen, oft meine Intention, diese Verortung auszusparen, um das Menschliche, das Unveränderliche zu beschreiben. Es ist heute mehr und mehr ein Aussparen, um nicht ins Visier der Maschinen zu geraten, die von Firmen genutzt werden, die mit Gesetzen Geld verdienen wollen. Dieses Geschäftsmodell kommt mir schmutzig vor, unwürdig und unmoralisch, und ohne, dass ich es herleiten könnte, glaube ich, dass es der Durchsetzung von Rechten eher schädlich sein wird. Doch zuvörderst möchte ich eines nicht: durch meine Worte in diese Mühlen geraten, aus denen normale Menschen nicht unbeschadet herauszukommen scheinen. Ob es nun Imker sind, die von Fernsehgestalten verklagt werden, oder Rentner, die das Wirken eines Politikers erheblich beeinträchtigen sollen. Ich möchte nicht, so denke ich mir oft und öfter, an irgendeinem bundesweiten Aktionstag teilnehmen. Ich möchte kein Prototyp sein, der ausgestellt und symbolisch für ein Problem sein soll, das ich an ganz anderer Stelle verorte. Denn wenn das Wirken eines Politikers erheblich beeinträchtigt wird, dann ist das nicht zwangsweise die Schuld der Bürger, und überhaupt ist es nicht unbedingt immer ein Problem, und zuletzt scheint ein Wirken, das durch schlechte Witze beeinträchtigt wird, mir von vornherein reichlich kraftlos zu sein angesichts der Aufgaben, an denen man wirken möchte. Zu allerletzt stehen die Maßstäbe der Verfolgung und Bestrafung durchaus als Sinnbild für einen Staat, der sich auf Recht und dessen Durchsetzung stützt und darauf aufbaut. Und hier scheint mir die Distanz zwischen der bitteren Schmähung und der leichtfertig beigebrachten Wunde doch etwas gering geworden zu sein. Wenn alle Ressourcen begrenzt sind, sollten doch diese zunächst für eine sinnige Reihenfolge an Massnahmen verwendet werden. Schließlich haben Strafen ja durchaus den Zweck, eine Wiederholung der Tat und damit eines Schadens zu vermeiden, und sollte sich daran auch bemessen, ebenso die Menge an Arbeit zur Verfolgung und Vermeidung.

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Im Ort musste die Polizei in diesem Jahr schon schießen.

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Ich strecke die Beine noch zu sehr durch beim Rudern. Ich habe den Rücken noch nicht gerade genug, und die Unterarme im letzten Moment nicht mehr waagerecht. Ich sehe mich für einen kurzen Moment bei jedem Zug im Spiegel der Balkontür, und auf der Heizung huscht der Schatten der Zugkette, tanzt leicht auf und ab. Mein roter Kopf voll Ideen zur Sensorik, um den Bewegungsablauf zu untersuchen, sodass ich einen Atemzug vergesse. Ich mag es, wie frei der Kopf wird, wenn der Körper sich gleichmäßig bewegt.

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Ob ich zuviel mache, zuviel opfere, zuviel drangebe? Ich komme um ein Ja kaum mehr herum, und ich sehe dieses Verschieben der Veränderung auf ein fernes Morgen. Was, wenn es dann keinen Schnee mehr gibt? Wenn ich auf kein Rad mehr passe? Wenn ich dann überhaupt nicht mehr bin? Ich muss korrigieren, ich muss nachsteuern, nicht unbedingt zur Annäherung an anderer Leute Normalitäten, eher zu meinem inneren Gleichgewicht hin. Zuvörderst muss ich Fristen setzen. Die nächste: Februar. The times, they are a-changing, und ich nehme das als Aufforderung.

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Frustration der alten Heizung. Nach Ausschluss aller Hoffnungen habe ich doch ein Einrohrsystem. Und um das Problem zu vergrößern, zeigt der beauftragte Handwerker kein Interesse an Handwerk und Auftrag. Und zu allem Übel gibt es nur einen Absperrhahn für alle Wohnungen auf dem Stockwerk. Der Versuch, zu dem mich ein befreundeter Monteur ermutigt, der aber leider leider selbst keine Zeit hat, der Versuch ist also etwas waghalsig. Hätte ich ja auch nicht gedacht, als ich damals diesen Vertrag unterschrieben habe. Oder diese Kette an Entscheidungen ausgelöst, die mich jetzt vor diese alte Heizung gesetzt haben. Man macht was mit, und nie überblickt man was.

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Ältere Männer grüßen freundlich, als sie an uns vorbeimarschieren. Die Jüngsten waren in meinem Alter, als ich hier angefangen habe. Ob ich wohl auch einmal in der Altersabteilung landen werde, ob wir auch einmal eingeladen werden? Ich kann es mir noch kaum vorstellen, durch eine Scheibe hindurch beim Üben zuzuschauen und zu wissen, dass ich selbst nie mehr Üben werde.

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Mehr rudern.
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